Protocol of the Session on December 16, 2010

Liegen weitere Wortmeldungen vor? – Dies ist nicht der Fall.

Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf Drucksache 14/7313 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. – Es gibt keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Damit ist Punkt 6 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Würt temberg – Drucksache 14/7309

Die Redezeiten betragen fünf Minuten für die Begründung und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die Begründung erteile ich Herrn Abg. Dr. Mentrup das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Seit der Einführung des G 8 kommt das G 8 in der baden-württembergischen Form aus der Kritik nicht her aus. Das hat auch sehr viel mit der Umsetzung des G 8 in Ba den-Württemberg zu tun. Denn wenn wir uns andere Bundes länder anschauen, stellen wir fest, dass dort Kritik und auch anhaltende Initiativen der Eltern nicht in dem Maß präsent sind, wie wir es aus Baden-Württemberg kennen.

Allen Ankündigungen und allen Nachbesserungen zum Trotz halten dieser Protest und diese Unzufriedenheit an. So ist es kein Wunder, dass sich in allen bisherigen Umfragen – egal, wer sie gemacht hat – etwa 70 bis 80 % der Eltern mit G-8Erfahrung gegen die Einführung des G 8 in dieser Form aus sprechen. In einer weiteren Umfrage, die in einem Gymnasi um in Mosbach gemacht wurde, bei der es darum ging, wel che Form des Gymnasiums die Eltern von Viertklässlern gern für ihr Kind hätten, sagten immerhin 30 bis 40 %: Wir wür den für unsere Kinder lieber einen neunjährigen gymnasialen Zug als den achtjährigen auswählen, wenn es ihn alternativ gäbe.

Jetzt hat die Landesregierung bisher nicht überzeugend dar stellen können, wie sie hier eine innere Reform anstreben oder umsetzen möchte, um diese Kritik endlich einmal aus der Welt zu schaffen und damit auch vielen Kindern die Möglichkeit zu geben, trotz einer nur befriedigenden Gymnasialreife auch den Gymnasialabschluss auf dem allgemeinbildenden Gym nasium zu erreichen.

Auch hier gibt es eine Abwanderung. Landesweit melden mitt lerweile die Eltern von 17 % der Kinder mit einer Gymnasi alempfehlung – das ist die Zahl aus dem vorletzten Jahr; ich weiß nicht, wie die Zahl aus diesem Jahr ist – ihre Kinder trotz der Gymnasialempfehlung nicht auf dem Gymnasium an. Je nach Region steigt dieser Anteil auf 40 % an.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Wir können nicht davon ausgehen – das ist auch nicht unsere Erfahrung –, dass diese Eltern sagen, sie lehnten das Gymna sium als richtige Form für ihr Kind ab. Vielmehr entscheiden sich die Eltern gegen das bestehende Angebot eines achtjäh rigen Gymnasiums,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Für einen anderen Weg entscheiden sie sich!)

und die Kinder gehen dann eher auf die Realschule.

Jetzt schlagen wir Ihnen eine Lösung vor, die zumindest in ei nem ersten Schritt eine Alternative beim G 8 möglich macht. Das ist die parallele Einführung eines „neunjährigen G-8-Zu ges“ an einem Gymnasium. Wir wollen das nicht als Maßnah me von oben oktroyieren. Vielmehr wollen wir den Schulen, die dies im Einvernehmen mit dem Schulträger und im Wege einer entsprechenden Vorbereitung und Zustimmung der Schulkonferenz wünschen, diesen Weg ermöglichen und eine Wahlmöglichkeit innerhalb des Gymnasiums schaffen, die, wie wir wissen und aufgrund der Umfragen auch nachweisen können, von vielen Eltern gewünscht ist.

Interessant ist dabei, dass es dann, wenn man mit diesen El tern spricht – auch das belegen die Ergebnisse aus Mosbach –, gar nicht nur darum geht, dass man die etwas langsameren und die etwas schnelleren Schüler voneinander trennt. Viel mehr werden in Regionen, in denen bis zu 40 % der Kinder mit einer Gymnasialempfehlung nicht auf dem Gymnasium angemeldet werden, von den Eltern auch Argumente ange führt wie: „Der Schulweg ist viel zu lang; wenn ich das noch zu der Wochenstundenbelastung addiere, dann ist unser Kind zu wenig zu Hause vor Ort“ oder: „Unsere Kinder haben noch andere Interessen wie Musik und Sport, haben noch andere Hobbys.“ Das sind auch Gründe, warum sich Eltern dafür ent scheiden würden, eher einen solchen „neunjährigen G-8-Zug“ zu wählen, um vor allem in der Unter- und der Mittelstufe die wöchentliche Schulstundenbelastung zu reduzieren.

Daher schlagen wir Ihnen jetzt diesen Weg vor. Wir schreiben niemandem etwas vor. Wir machen – das ist auch Ihr Wunsch, Herr Röhm – die Profilierungsmöglichkeiten der Gymnasien größer. Das ist ja etwas, was Sie wünschen.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Es ist im Übrigen auch kein ungewöhnliches Verfahren. Inso fern schließt sich auch das Argument, das ließe sich nicht or

ganisieren, aus. Denn Sie machen ja an anderen Gymnasien Sportzüge, Sie machen Musikzüge, Sie machen Hochbegab tenzüge.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir machen das!)

Ich habe ja gesagt: Sie machen diese Züge.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie sind doch auch dafür!)

Auch da ist es organisatorisch möglich, für einen Zug etwas anderes anzubieten als für die anderen Züge. Wir wissen aus den Modellphasen, in denen G 8 an neunjährigen Gymnasien bereits als Zug eingeführt wurde, dass das vor Ort organisa torisch machbar ist. Daher ist das eine vernünftige Lösung. Sie nimmt die Anregungen und Interessen der Eltern auf. Sie wird vom Philologenverband unterstützt. Auch das ist nicht unwichtig, dass man von den Beteiligten vor Ort unterstützt wird.

Daher würde es mich jetzt sehr wundern, wenn Sie Gründe fänden, dem nicht zuzustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Voss schulte.

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Herr Kollege Dr. Mentrup, Sie machen ei ne Neuauflage des Mosbach-Antrags. Ich muss sagen: Wenn ich die Häupter Ihrer Lieben zähle, dann scheint Ihre eigene Fraktion auch nicht mehr viel Interesse daran zu haben – von der Presse ganz zu schweigen.

G 8 ist als separater Bildungsgang konzipiert und ist nicht be liebig dehnbar, auch wenn Sie es gern machen würden. Wir können nach Ihrer Ansicht G 8 auf G 9, G 10, G 11 und G 12 immer weiter ausdehnen.

Wollen wir die, die noch größere Lernschwächen haben, auch alle ans Gymnasium holen? Sie wollen jetzt auf diesem Weg wieder einmal versuchen, Ihre Idee der Einheitsschule an den Mann zu bringen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Genau!)

Im Übrigen: Es wird bei Ihnen immer bunter. Ich habe neu lich von einem SPD-Gemeinderat und Schulleiter in Esslin gen gelesen, dass er die Regionalschule fordert. Er nennt das die „neue Regionalschule“. Jetzt wollte ich Sie fragen, ob das wieder etwas Neues ist, was Sie sich haben einfallen lassen.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Allmählich kommt man in dem Wirrwarr, den Sie anbieten, nicht mehr zur klaren Form. Der Kollege Drexler fordert fle xiblere Schulformen – was immer das sein soll. Er benennt sie überhaupt schon gar nicht mehr. So kommen Sie von ei ner Schulform in die andere, und kein Mensch weiß mehr, was Sie eigentlich wollen. Sie landen dann beim nordrhein-west fälischen Modell: Jede Kommune mache, was sie will. Zie hen Sie doch einmal von Kirchheim nach Nürtingen um oder von Nürtingen nach Reichenbach, dann werden Sie Ihr blau es Wunder erleben.

Meine Damen und Herren, ich habe eigene Erfahrungen mit Parallelzügen von G 8 und G 9 am Gymnasium. Ich kann Ih nen sagen, es bindet sehr viel Kraft, zu verhindern, dass da bei eine Zweiklassengesellschaft entsteht. Sie müssen sowohl bei den Eltern als auch bei den Schülern sehr viel tun. Dieses Problem sehe ich durchaus als gravierend an.

Das, was Sie wollen, ist schon längst verwirklicht. Wir haben ein G-9-Angebot über die Werkrealschule, die Realschule und die Gymnasialklasse 10 in das berufliche Gymnasium mit sei nen verschiedensten Ausprägungen. Das ist gerade für Spät entwickler und Lernschwächere geeignet. Die können näm lich – das ist das Positive daran –, wenn sie an das berufliche Gymnasium kommen, in einem oder in mehreren Fächern neu anfangen. Das heißt, sie bekommen neue Grundlagen vermit telt. Da sind sie dann meist schon in einem Alter, in dem sie wieder etwas besser lernen können, haben damit neue Pers pektiven und vor allem eine neue Motivation, weil es gleich mäßig aufwärts geht.

Ab dem nächsten Schuljahr werden wir 100 zusätzliche Klas sen an den beruflichen Gymnasien einrichten. Die Leistungen der beruflichen Gymnasien wurden jüngst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung attestiert. Da heißt es nämlich anläss lich der Vorstellung der Expertise der Autoren Professor Traut wein und Professor Maaz – ich zitiere –:

Werden die beruflichen Gymnasien einbezogen, ist fast je der zweite Schüler aus Baden-Württemberg berechtigt, ein Studium an einer Universität oder Fachhochschule aufzunehmen.

Das heißt, das ist ein hervorragender Weg zur Hochschulrei fe. Weiter heißt es:

Werden die beruflichen Gymnasien, von denen 30 % der dortigen Abiturienten kommen, einbezogen, rückt das Land auf den vierten Rang auf. Die Quote der Studienbe rechtigten mit Hochschul- und Fachhochschulreife liegt dann bei 48 % und damit höher als im deutschen Mittel mit 44 %.

Ich glaube, das sagt eine ganze Menge.

In Ihrem Antrag steht unter Kosten: Keine. Da kann ich nur lachen.

(Zuruf des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

Sie wissen ganz genau, dass ein zusätzliches Schuljahr Kos ten verursacht, nämlich zumindest Lehrerkosten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie werden jetzt sagen: Die Lehrer sind da. Natürlich sind sie da, aber sie sind im Moment für Unterstützungsmaßnahmen, für Klassenverkleinerungen usw. eingeplant. Das heißt, es müssten in jedem Fall neue Lehrer eingestellt werden.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So viel! Rechtzeitig vor der Landtagswahl!)

Dann kann man nur sagen: Ich weiß nicht, wie es mit den Kos ten aussieht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

In Nordrhein-Westfalen haben wir das sogenannte Erfolgsmo dell G 8/G 9. Die Anmeldefrist endet am 23. Dezember. Man erhält noch keine direkte Auskunft, wie viele Anträge dort vor liegen. Man munkelt, es seien zwei Anträge. Lassen wir uns überraschen, und warten wir das ab.