Protocol of the Session on December 16, 2010

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Er bringt noch einen Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode ein! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: TOP 8! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Zuhören!)

Das stimmt. Aber die Betonung liegt darauf, was für ein Ge setz er einbringt.

Man muss sich schon fragen, wohin mit diesem Gesetzent wurf die Reise gehen soll und warum plötzlich all das nicht mehr gelten soll, worüber wir in dieser Legislaturperiode im Wissenschaftsausschuss geredet haben. Ich erinnere daran: Vor ungefähr einem Jahr saßen wir im Wissenschaftsausschuss mit allen Leitungen der Uniklinika zusammen und haben aus gewertet, was das Roland-Berger-Gutachten für die struktu relle Weiterentwicklung der Uniklinika bedeutet. Da herrsch te über alle Fraktionsgrenzen hinweg Einigkeit: Die badenwürttembergischen Universitätsklinika sind gut aufgestellt, sind in einer guten Verfassung, haben ordentliche Handlungs spielräume; man kann sie auch moderat weiterentwickeln, aber die Ausgangsbasis, die Rechtsform, ist tragfähig; es be steht kein grundsätzlicher Änderungsbedarf. Mit dieser Er kenntnis haben wir die Akte zugemacht und gedacht: So lässt es sich weiterarbeiten.

Wir waren schon nicht schlecht erstaunt, als im September trotzdem ein Gesetzentwurf hierzu vorgelegt wurde und was für einer dazu vorgelegt wurde. Denn mit diesem Gesetzent wurf wird wirklich die Reise rückwärts angetreten: Die Hoch schulmedizinreform von 1998 wird komplett rückabgewickelt.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Da waren Sie doch dagegen!)

Nein, wir waren nicht dagegen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Doch!)

Die Grünen haben damals zugestimmt.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Nein!)

Lesen Sie es nach. Wir haben damals zusammen mit von Trotha für eine moderne Hochschulmedizin gekämpft – in ei

ner neuen Verfassung für rechtlich selbstständig handelnde Uniklinika.

(Zurufe von der CDU)

Alle Erfolge, die unsere Universitätsklinika vorzuweisen ha ben – Minister Frankenberg hat es gerade beschrieben –, bau en auf dieser rechtlichen Selbstständigkeit auf, die unsere Uniklinika seit 1998 hatten. Die Erfolge, dass unsere Unikli nika in Baden-Württemberg im Gegensatz zu manchen ande ren Uniklinika schwarze Zahlen schreiben, bauen auf dieser Rechtsform auf. Warum wollen Sie jetzt mit einem Federstrich diese Form einkassieren? Wozu wollen Sie die Uniklinika in tegrieren, mit medizinischen Fakultäten fusionieren, sie unter das Dach der Universitäten zurückholen und sie an die kurze Leine des Ministeriums legen? Da muss man sich schon fra gen, womit sich unsere Uniklinika, die doch ordentlich daste hen, das verdient haben.

Man muss sich darüber schon wundern bei einer solch erfolg reichen Bilanz, die die Uniklinika vorzuweisen haben. Bun desweit gab es viel Lob, als von Trotha mit seiner Reform der Hochschulmedizin herauskam. Die anderen Bundesländer sind hinterhergelaufen und haben diese Reform zum Teil ab geschrieben, haben sie inzwischen zum Teil auch übertroffen und haben mehr Freiheiten gegeben.

Bei dieser Gelegenheit weise ich darauf hin: Allen Bundes ländern stellt sich das gleiche Problem wie das, was der Herr Minister gerade beschrieben hat. Alle müssen sich fragen: Wie ist denn das Verhältnis zwischen der eigenständig handelnden Einrichtung, die sich auch wirtschaftlich im Wettbewerb be währen muss, einerseits und der Verantwortung des Landes andererseits? Die Problematik ist bei allen gleich, aber kein anderes Bundesland beschreitet den Weg, den Baden-Würt temberg jetzt beschreiten will. Kein anderes Bundesland macht eine solche Rolle rückwärts. Da muss man sich schon fragen: Was ist hier passiert, das Sie veranlasst, so die Reiß leine zu ziehen?

Sie sagen, das Gesetz von 1998 sei dem Zeitgeist geschuldet gewesen. Ich frage mich: Welcher Geist steckt in dem vorlie genden Gesetz? Es ist ein ganz alter Geist. Es ist der Geist: zurück zum Ministerialdirigismus und zurück unter die Fitti che des Ministeriums, fest eingebunden in ein Geflecht.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Johannes Sto ber SPD)

Damit entsteht keine verantwortliche Führungsstruktur. Die Fehler, die in den Uniklinika, insbesondere in Freiburg, pas siert sind, sind doch aufgrund nicht wahrgenommener Verant wortung passiert, und zwar sowohl auf der Führungsebene als auch beim Wissenschaftsministerium, das in den Gremien im mer dabei war. Das Ergebnis Ihrer Reform wird sein: Es wer den weniger Transparenz, weniger klare Verhältnisse entste hen. Deswegen wird die Fehleranfälligkeit bei dieser neuen Struktur steigen und nicht sinken.

Der im September vorgelegte Gesetzentwurf hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Das war nicht nur hier im Land zu vernehmen, sondern auch bundesweit. Das war auch in der Bundespresse zu lesen.

Wir haben in dem jetzt vorliegenden Kabinettsentwurf einen kleinen Ausschnitt aus den Stellungnahmen zu lesen bekom men. Wir werden vom Ministerium sehr fürsorglich behan delt. Wir bekommen von den kritischen Stellungnahmen im mer nur eine Kurzzusammenfassung – im eigenen Haus zu sammengefasst und gekürzt. Die Würze ist da schon heraus genommen.

Manche der Kritiken und der Stellungnahmen kommen trotz dem direkt zu einem ins Haus. Deswegen möchte ich hier heu te auf zwei Briefe hinweisen, die in den Unterlagen nicht ent halten sind.

Zum Ersten lassen Sie mich aus dem Brief von Dr. Tecklen burg, Vorstandsmitglied der Medizinischen Hochschule Han nover und Mitglied des Aufsichtsrats des Uniklinikums Ulm, zitieren. Er schreibt an Frankenberg:

Als Aufsichtsrat für Ulm möchte ich Sie herzlich und dringlich bitten, den Gesetzentwurf grundlegend überar beiten zu lassen. Als Vorstand der Medizinischen Hoch schule Hannover kann uns im Norden nichts Besseres pas sieren, als wenn dieses Gesetz so durchkommt, denn es erhöht unsere Chancen im nationalen und internationa len Wettbewerb gegen die baden-württembergischen Uni versitätskliniken enorm.

So Dr. Tecklenburg.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Da müssen doch al le Alarmglocken schrillen! – Gegenruf des Abg. Jür gen Walter GRÜNE: Wenn man nicht schon einge schlafen ist!)

Ich will einen zweiten Brief erwähnen. Der Wissenschaftsrat – er ist ansonsten gern gefragt in diesem Haus – schreibt an das Ministerium einen Brief mit der dringenden Bitte um grundlegende Überarbeitung dieses Gesetzentwurfs und mit dem Angebot, wenn er gefragt werde, sei er gern bereit, eine ausführliche Stellungnahme abzugeben, um in dem Gesetzes entstehungsprozess mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Ich werde es hier wegen der Kürze der Zeit nicht zitieren, aber ich kann das im Wissenschaftsausschuss ausführen. Auch ist festzustellen: Die Kritik ist an Deutlichkeit nicht zu überbie ten. Das Ministerium reagiert darauf nicht und spart sich lie ber die Ratschläge von ungebetener Seite.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eine kurze Aussage zum Thema Gewährträgerversammlung machen. Sie sagen, das sei ein Instrument zur Erhöhung der Verantwortung des Landes. Dieses Instrument erhöht nicht und verbessert nicht die Ver antwortung des Landes. Dieses Instrument verringert die Möglichkeit des Parlaments, seine Verantwortung zu überneh men.

(Beifall bei den Grünen)

Lassen Sie mich das an einem Beispiel erklären, nämlich am Thema Beleihung. Das ist die Übertragung hoheitlicher Auf gaben an Dritte.

Noch vor einem halben Jahr haben wir hier im Haus darüber beraten. Die Fraktion GRÜNE hat davor gewarnt mit dem Hinweis, dass es eine sehr heikle Angelegenheit ist, hoheitli che Aufgaben an Dritte zu übertragen. Sie haben uns zu beru

higen versucht, und zwar mit dem Argument, dass das Parla ment doch kein Problem damit habe, weil es immer gefragt werde. Sie argumentieren, jeder Beleihungsakt würde dem Wissenschaftsausschuss vorgelegt; zu jedem Beleihungsakt würde der Wissenschaftsausschuss um seine Zustimmung ge beten.

Ein halbes Jahr ist das her. Jetzt ist die Situation in dem neu en, hier vorgelegten Entwurf schon wieder ganz anders. Das Parlament wird nicht mehr gefragt werden, und es wird nicht mehr mit Beleihungsakten befasst werden. Die Beleihung wird vielmehr nur noch über den Tisch der Gewährträgerver sammlung gehen – ein Gremium, in dem die Parlamentarier in der Minderheit sind,

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Nein!)

weil die Mehrheit der Ministerien dort garantiert ist. Das ist ein Akt der Entmachtung des Parlaments.

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Falsch!)

Ich halte dies verfassungsrechtlich für sehr bedenklich. Wir werden dagegen agieren und bitten Sie alle noch einmal drin gend um Prüfung.

Ich glaube, mit diesem Gesetzentwurf steht für unsere Uni versitätsklinika viel auf dem Spiel. Wenn wir sie so an die Kandare legen, dass sie nicht mehr handeln können und Ver antwortung nicht mehr wahrnehmen können, dass sie langsa mer werden, dann wird sich das mittelfristig auch wirtschaft lich auswirken. Wenn unsere Universitätsklinika aber erst ein mal rote Zahlen schreiben, so wie die in anderen Bundeslän dern, dann werden wir hier im Haus vonseiten der FDP/DVP – so sie dann noch im Landtag vertreten ist – erneut Debatten um die Privatisierung der Uniklinika erleben. Das möchte ich verhindern.

Deswegen bitte ich Sie noch einmal ganz eindringlich: Über legen Sie sich die Sache noch einmal. Ich glaube, wir brau chen Zeit, um den Gesetzentwurf grundlegend zu überarbei ten – gern auch in der nächsten Legislaturperiode, mit der nö tigen Ruhe und Sorgfalt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bachmann für die Fraktion der FDP/DVP.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Der soll ja Nachfolger von Westerwelle werden!)

Verehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Universitätskli niken in Baden-Württemberg sind nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und darüber hinaus weit vorn. Frei burg verfügt über eine weithin bekannte Sportmedizin, in Ulm wird die Chirurgie mit einem Kostenvolumen von 230 Milli onen € neu gebaut, in Tübingen wurde das erste deutsche Zen trum für seltene Erkrankungen geschaffen, und die Krebsfor scher in Heidelberg genießen weltweit Anerkennung.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Diese Exzellenz in der Forschung wird an die Studierenden weitergegeben. Unsere Ärzte werden auf diese Weise zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes hervorra gend ausgebildet. Nicht nur dies: Patienten mit schweren und seltenen Erkrankungen kommt die Fachkompetenz unserer medizinischen Fakultäten in den Klinika unmittelbar zugute.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir diese Exzel lenz in Forschung, Lehre und Krankenversorgung sichern und ausbauen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Wissen schaftsminister hat Ihnen die Eckpunkte des Gesetzes bereits erläutert, aber nicht alle haben sie verstanden.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Auf drei Komplexe möchte ich deshalb noch einmal einge hen.

Erstens: Mit diesem Gesetz werden die medizinischen Fakul täten und die Klinika stärker in die Universitäten integriert. Eine solche Integration ist heute notwendiger denn je. Gera de in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder wer den interdisziplinäre Ansätze besonders gefördert. Zur Exzel lenz der Universität Heidelberg hat die Medizinische Fakul tät ein gerüttelt Maß beigetragen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja!)