Im Sinne einer wehrhaften Demokratie dürfen wir solche Or ganisationen und solche Aussagen niemals dulden.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Bravo! Sehr richtig! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)
Klar ist: Wenn in einer Demokratie Volksabstimmungen statt finden, dann müssen sie auch akzeptiert werden. Am ersten Adventssonntag – das ist noch gar nicht lange her – gab es in der Schweiz eine Volksinitiative, die sogenannte Ausschaf fungsinitiative der Schweizerischen Volkspartei. Worum ging es? Straffällig gewordene Ausländer sollen ohne irgendein Verfahren abgeschoben werden. Was war die Folge? In Zü rich und Bern musste die Polizei an jenem Abend mit Gum mischrot und Tränengas gegen Demonstranten vorgehen und die Parteibüros der Schweizerischen Volkspartei sichern – nach einer Volksinitiative! Wo ist da die Befriedungsfunkti on, die diesen Volksabstimmungen immer zugesprochen wird, wenn schließlich solche Ausschreitungen folgen?
Daran sehen wir, welche Gefahren entstehen können. Die Mi narettentscheidung brauche ich nicht zu erwähnen. Wir haben darüber bereits bei der Ersten Beratung dieses Gesetzentwurfs diskutiert.
Ich möchte die „Neue Zürcher Zeitung“ zitieren, die in Bezug auf das Nachbarland Deutschland gesagt hat, es gebe dort ei ne „naive Euphorie für Plebiszite“. Dies sollten wir uns auf der Zunge zergehen lassen.
Wenn wir jetzt darüber diskutieren, auch direktdemokratische Elemente in unsere bewährte Verfassung einzubringen, darf ich daran erinnern, dass der Herr Bundespräsident heute an diesem Pult dazu das Richtige gesagt hat: Wir stehen nicht am Ende der Debatte, sondern wir stehen am Anfang der Debat te. Solche Elemente der direkten Demokratie kann man nicht hoppla hopp einführen, sondern man sollte sich das genau überlegen.
Wir wollen auch die umfassende Beteiligung der Bevölke rung. Denn wir wollen, dass die Bevölkerung auch weiterhin hinter ihrer Verfassung steht. Was wir aber nicht wollen, Herr Kollege Sckerl, ist das, was Sie hier bei der Ersten Beratung des Gesetzentwurfs gesagt haben. Sie haben gesagt:
Die überwiegende Mehrheit in Baden-Württemberg und Deutschland bekennt sich zur Landesverfassung und zum Grundgesetz.
In dieser Enquetekommission muss einmal grundlegend über die Frage diskutiert werden, was wir tun können, um die re präsentative Demokratie weiter zu stärken. Ich habe bei der Ersten Beratung gesagt – ich möchte das Zitat von Theodor Heuss noch einmal bringen –:
Was will die Schweizerische Volkspartei erreichen? Sie will doch nicht das erreichen, was sie mit ihren Volksabstimmun gen macht – vielleicht dies auch. Hauptsächlich will sie aber erreichen, dass sie an die Macht kommt. Sie will das System in der Schweiz überwinden.
Wir haben gesagt, dass wir bei der Beratung des Gesetzent wurfs der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE, Druck sache 14/6866, den wir jetzt unter Tagesordnungspunkt 1 be handeln, gleich auch über den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, der unter Punkt 4 der
heutigen Tagesordnung aufgeführt ist, diskutieren. Deswegen möchte ich den Gesetzentwurf von CDU und FDP/DVP hier in einem Satz erläutern. Da geht es auch um einen Punkt, der in der Koalitionsvereinbarung steht.
Wir wollen das in Artikel 60 Abs. 5 Satz 2 der Landesverfas sung vorgesehene Quorum für eine Volksabstimmung von ei nem Drittel auf ein Viertel absenken. Wir glauben, dass dar über im Haus Einigkeit besteht und dass dies auch im Vorfeld der dazu geplanten Enquetekommission schon beschlossen werden könnte.
Wir wollen aber auf jeden Fall ein Quorum erhalten. Denn wenn man sieht, wie wenige Bürger sich teilweise an den Volksabstimmungen beteiligen, dann erkennt man, wie wich tig und notwendig ein solches Quorum ist.
Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Debatte zu dieser Enquetekommission in der kommenden Legislaturpe riode. Baden-Württemberg wird nicht eine „Dagegen-Repu blik“ werden, sondern Baden-Württemberg wird ein Land mit einer modernen repräsentativen Demokratie bleiben,
das die Infrastruktur schafft, die wir in einem modernen Land brauchen. Wir werden zukunftsfähige Bahnstrecken genauso bauen wie Umgehungsstraßen, wir werden Pumpspeicher kraftwerke genauso bauen wie Stromleitungen an die Nord see, wir werden Bildungs- und Forschungseinrichtungen bau en, und wir werden dies zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern bewerkstelligen.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel mut Walter Rüeck CDU: Sehr gut! Eine gute Rede! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)
Bevor ich das Wort dem Redner für die SPD-Fraktion, Herrn Abg. Dr. Schmid, gebe, möchte ich noch kurz bekannt geben, dass sich vier Abgeord nete für heute krankgemeldet haben: Abg. Braun, Abg. Gall, Abg. Oelmayer und Abg. Schebesta.
Aus dienstlichen Gründen können heute Nachmittag Herr Mi nisterpräsident Mappus, Herr Minister Professor Dr. Goll, Herr Minister Professor Dr. Reinhart und Herr Minister Hel mut Rau – ab ca. 14:30 Uhr – nicht an der Sitzung teilnehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute zwei Ge burtstagskinder unter uns. Ich darf im Namen des ganzen Hau ses dem Kollegen Heinz und dem Kollegen Hofelich zu ih rem heutigen Geburtstag recht herzlich gratulieren.
Zur Fortführung der Debatte darf ich Herrn Abg. Dr. Schmid für die Fraktion der SPD das Wort erteilen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon bezeichnend, dass der Vertreter der CDU in seiner ganzen Rede zum Gesetzentwurf der Fraktion
der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 14/7308, kaum etwas zu dem gesagt hat, was die Regierungs fraktionen selbst vorschlagen, um die Durchführung von Volksabstimmungen zu erleichtern.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das sind wir gewohnt! – Abg. Katrin Altpeter und Abg. Marianne Wonnay SPD: Tja!)
Denn Ihre Aussagen waren nur heiße Luft. Sie haben über haupt kein Angebot an die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gemacht, wie sie stärker in die politische Willensbil dung und in politische Entscheidungen einbezogen werden. Sie haben luftig und wortreich die Schlichtung zu Stuttgart 21 beschworen. Aber Sie haben keinerlei konkrete Konsequenz aus dem gezogen, was sich um Stuttgart 21 herum, aber auch in der Gesellschaft insgesamt an Beteiligungsansprüchen, an Mitwirkungsansprüchen entwickelt hat.
(Beifall der Abg. Ursula Haußmann SPD – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Bisher war es nur Polemik! Jetzt einmal konkret!)
Deshalb war Ihr Beitrag ein Ausweichen vor dem, was in Ba den-Württemberg an modernen Entwicklungen im Gange ist. Wie bei anderen Themen auch – seien es Themen der Bil dungspolitik, seien es Themen der Wirtschafts- und der Ener giepolitik –
entpuppt sich diese Regierung einmal mehr als ein Moderni sierungshindernis ersten Ranges für unser Land.
Für Ihr Demokratieverständnis ist es auch bezeichnend, dass Sie einen Schlichterspruch hochleben lassen, der aber alles andere als demokratisch legitimiert ist.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Ah ja! – Abg. Winfried Mack CDU: Was?)