Protocol of the Session on November 24, 2010

dass man solche Auseinandersetzungen nicht bestehen kön ne.

Ich habe ja eingeräumt: Die Auseinandersetzung kann nicht auf ein Verbotsverfahren eingeschränkt werden, sondern sie muss auf allen gesellschaftlichen Ebenen geführt werden: in den Schulen, in unseren Diskussionen, in der ganzen Breite der Gesellschaft. Das ist keine Frage.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Ja!)

Nur – das war Ihr Einwand –: Was hat man denn gewonnen, selbst wenn man Erfolg hat? Man hat immerhin gewonnen,

dass man hier einen Verfassungsfeind verboten hat, der mit seiner menschenfeindlichen Politik dann nicht auch noch durch Staatsgelder alimentiert wird. Das ist schon ein Prob lem; es ist skandalös, dass man diese Partei auch noch mit Staatsgeldern alimentiert. Das ist das Problem. Man hat au ßerdem eine klare Kante gezeigt: Bis hierher und nicht wei ter. Darum geht es letztendlich.

Das wäre – angenommen, das Verfahren kommt durch – auch der politische und gesellschaftliche Gewinn.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Man muss Vor- und Nachteile abwägen!)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Rech.

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren Kollegen! Herr Dr. Brenner, das Bemühen erkenne ich wohl, aber einfach nach der Devise zu agieren, wir sollten es einfach noch einmal versuchen, das ist mir zu dünn, das trägt nicht.

Da gibt es eine alte schwäbische Weisheit, die lautet: Oimal neidappt langt!

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Sie sind doch Ba dener!)

Ja, gut.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Aber Schwäbisch war das nicht! – Abg. Andrea Krueger CDU: Das war Ba disch! – Vereinzelt Beifall – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Gestimmt hat es aber! Recht hat er! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Eine schwäbische Weisheit, habe ich gesagt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Jetzt habe ich gedacht, schwedisch! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Selbst der Schuh ist noch steigerungsfähig!)

Also noch einmal: Oimal neidappt langt. Beim zweiten Mal muss die Geschichte sitzen, sonst erweisen wir unserem ge meinsamen Ziel in der Tat einen Bärendienst.

Meine Damen und Herren, ich will eines einmal vorwegstel len: Ideologien bekämpft man nicht mit Verboten, jedenfalls nicht erfolgreich.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Es würde mich nicht davon abhalten, einen Verbotsantrag zu unterstützen, wenn das Material, das wir haben, auch genü gend hergibt.

Kollege Thomas Oelmayer hat in einer sehr sachlichen Rede dargelegt, dass wir immerhin 15 Seiten zum Verfassungs schutzbericht beisteuern. Aber, lieber Herr Kollege Thomas Oelmayer, mehr haben wir in der Tat auch nicht auf der Pfan ne. Deswegen konnten wir zu dem Verbotsantrag, der vor – wenn ich mich recht erinnere – eineinhalb Jahren gescheitert ist, nicht mehr beitragen, als wir beigetragen haben. Das kann

man uns nicht vorwerfen. Wir bekämpfen extremistische Or ganisationen aus dem linken und aus dem rechten Spektrum mit allem, was wir aufbieten können. Ich sage Ihnen nachher noch einmal etwas dazu.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, die NPD ist eine rechtsextremis tische und eine verfassungsfeindliche Partei. Darüber besteht Einigkeit. Ich glaube, ich muss nicht mehr viel dazu sagen. Sie agitiert gegen die demokratische und rechtsstaatliche Ord nung unseres Grundgesetzes.

Das Spektrum dieser Partei reicht allerdings von Varianten des Rechtsextremismus bis in den Neonazismus. Die NPD hat sich in den letzten Jahren – das ist zweifellos so und wurde vor hin, glaube ich, auch so angesprochen – zur bedeutendsten rechtsextremistischen Kernorganisation in der Bundesrepub lik Deutschland entwickelt.

Zu den Fakten: Der Mitgliederbestand der NPD beläuft sich auf rund 7 000. In Baden-Württemberg befindet er sich auf ei nem konstant niedrigen Niveau – wobei man hier nicht „nied rig“ sagen darf; jeder, der sich in der NPD engagiert, ist einer zu viel; deshalb relativiere ich diesen Begriff. Ich muss es aber zu dem in Relation setzen, was sie an Wahlerfolgen zeitigt. Darauf komme ich nachher noch. Weil der Wahlerfolg so nied rig ist, beabsichtigt die NPD gegenwärtig auch eine Fusion mit der Deutschen Volksunion. Die Mitgliederzahl liegt in Ba den-Württemberg bei 460 und ist damit – ich will es einmal so sagen – zumindest überschaubar.

Jetzt zu dem, was wir unter dem Gesichtspunkt der Staats feindlichkeit als Bedrohung sehen müssen: Es geht um die Frage, welche Wahlerfolge eine solche Partei erreicht. Die NPD hat bei der Bundestagswahl im September 2009, Herr Kollege Dr. Brenner, gerade einmal 1,1 % der Zweitstimmen und bei der Landtagswahl 2006 lediglich 0,7 % der Stimmen erreicht.

(Abg. Dr. Tobias Brenner SPD: Das ist noch immer zu viel!)

Natürlich sagen Sie: Das ist zu viel. Aber man muss diese Zahl im Licht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge richts sehen. Wenn es um die politische Relevanz der NPD auf Landesebene geht – ich will es nicht verharmlosen –, muss man eben auch darauf hinweisen, dass sie bei der Landtags wahl unter einem Prozent geblieben ist.

Meine Damen und Herren, die Einleitung eines neuen Ver botsverfahrens sehe ich aus diesen Gründen skeptisch. Ein Parteienverbot ist das letzte Mittel, um eine Gefährdung un serer Demokratie durch eine extremistische Partei abzuweh ren.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es!)

Entsprechend hohe rechtliche Hürden sieht unsere Verfassung für ein solches Verbot vor – nicht nur durch das Bundesver fassungsgericht, das diese Verfassung anzuwenden und aus zulegen hat, sondern in unserer Verfassung selbst sind hohe Hürden aufgebaut.

Hinzu kommen – auch das haben Sie, Herr Kollege Dr. Bren ner, zu Recht angesprochen – verfahrensrechtliche Schwie rigkeiten. Das ist ein ganz heikler Punkt. Das Bundesverfas sungsgericht verlangt, dass die Nachrichtendienste ihre V-Leute frühzeitig, also vor einer Antragstellung, „abschal ten“. Aber damit ist klar: Wenn wir dies tun, versiegen ab so fort unsere Erkenntnisquellen. Das Erkenntnisaufkommen würde dann zumindest deutlich zurückgehen. Das muss man sagen. Bei einer bundesweiten Abschaltung der Quellen in der NPD würden nicht nur die Erkenntnisse über die NPD, son dern auch die über rechtsextremistische Szenen für lange Zeit deutlich zurückgehen. Herr Kollege Zimmermann hat zu Recht gesagt: Das baut man dann so schnell nicht wieder auf.

Ich habe mit jungen Polizeibeamten gesprochen, die sich in einem Prozess über mehrere Monate – in einem Fall über meh rere Jahre hinweg – eine entsprechende Legende haben erar beiten und zulegen müssen, damit sie überhaupt in die Szene gekommen sind. Sie abzuschalten hieße, sie von heute auf morgen zurückzunehmen, was im Übrigen auch eine hohe Ge fährdung der Leute bedeuten könnte.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Es hieße auch, dass wir da so schnell nicht mehr zu neuen Er kenntnissen kämen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Absolut nicht!)

Das alles zusammengenommen, sage ich noch einmal, Herr Kollege Dr. Brenner: Eine weitere Niederlage vor dem Bun desverfassungsgericht wäre in hohem Maß kontraproduktiv.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es!)

Auch darüber sollten wir uns einig sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Ein Verbot der NPD löst das Problem des Rechtsextremismus nicht.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau! Das ist das Problem!)

Auch die Anhängerschaft verschwindet durch ein solches Ver bot nicht.

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Sehr richtig!)

Ob sie sich dann neue Organisationsformen sucht, kann ich schwer beurteilen. Aber sie verschwindet jedenfalls nicht.

Im Übrigen brauchen wir für die Bekämpfung der Kriminali tät, die mit diesen extremistischen Formen – von rechts oder von links – verbunden ist, kein Parteienverbot. Niemand, gar niemand, meine Damen und Herren, ist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt, weil er Mitglied einer Partei ist. Poli zei und Justiz gehen bereits jetzt mit Nachdruck gegen rechts extremistische Straftaten vor. Ich sage es noch einmal: Sie werden auch künftig alles Erforderliche unternehmen.

Herr Kollege Oelmayer, Sie haben die Vorgänge in Ulm an gesprochen. Auf diesen Punkt will ich noch eingehen, weil er mich in der Tat auch beschäftigt hat und noch beschäftigt. De

monstrationen von Rechtsextremisten sind in der Tat ein gro ßes Ärgernis. Aber die können durch ein Parteienverbot auch nicht verhindert werden.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Nein! Das ist klar!)

Das Entscheidende ist, dass ein Parteienverbot nicht die Aus einandersetzung mit den rechtsextremistischen Ideen, Zielen und politischen Aussagen ersetzt.