Protocol of the Session on November 24, 2010

Der Landtag von Baden-Württemberg fordert daher die Landesregierung auf, einen neuerlichen Antrag zur Er reichung eines NPD-Verbots zu unterstützen.

Dazu gibt es Folgendes zu sagen: Im Moment gibt es keinen Antrag – jedenfalls ist mir keiner bekannt, schon gar nicht vom Land Baden-Württemberg, aber auch nicht von anderen Bundesländern und auch nicht von der Bundesregierung. Wa rum gibt es den nicht? Das kann ich Ihnen ganz einfach erklä ren, auch dem Herrn Kollegen Zimmermann.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2003 ganz klare Regularien festgeschrieben, wie ein solches Verbotsverfahren läuft, welche Voraussetzungen dafür zu erfüllen sind.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Deshalb hat es kei nen Sinn!)

Diese Voraussetzungen gilt es natürlich über die Zeit hinweg zu sammeln. So verstehe ich auch den Antrag der Sozialde mokraten. Das tut das Land ja, mit 15 Seiten allein im Verfas sungsschutzbericht, der öffentlich zugänglich ist.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Nur weil wir Er kenntnisse gewinnen, Herr Kollege!)

Das ist keine geheime Verschlusssache, sondern das ist eine öffentlich zugängliche Dokumentation dessen, was die NPD veranstaltet. Da wird irgendwann die Frage sein, ob das dann ausreicht – mit den anderen Trägern, mit den anderen Ländern und mit dem Bund gemeinsam. Wenn der agitative Weg – ich sage das einmal so –, wenn der Weg der demokratischen Aus

einandersetzung mit diesem Gedankengut nicht zum Ziel führt, wird die Frage sein, ob dann ein Verbotsverfahren legi tim ist – immer vorausgesetzt, wir halten die Regeln des Bun desverfassungsgerichts ein. Der Innenminister weiß sehr ge nau – er kennt die Entscheidung –, dass wir dazu natürlich auch die Beamtinnen und Beamten des Verfassungsschutzes aus dieser Partei herausziehen müssen, weil wir sonst kein ordnungsgemäßes Verbotsverfahren hinbekommen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Dann verfehlen Sie ihr eigentliches Ziel der Bekämpfung des Rechtsex tremismus, Herr Kollege!)

Das ist eine Kernbotschaft der Verfassungsgerichtsentschei dung aus dem Jahr 2003. Denn es kann ja nicht sein, dass der Staat selbst eine rechtsradikale Partei mit organisiert und viel leicht sogar strategisch mit agitiert und dann nachher ein Ver botsverfahren einleitet.

Ich komme zum Schluss und sage: Wir müssen mit aller An strengung daran arbeiten, dass hier nicht wieder Republika ner oder gar NPD-Abgeordnete im Parlament sitzen. Das ist unsere gemeinsame Anstrengung, unsere gemeinsame Aufga be. Wenn uns das gelingt, dann können wir gegebenenfalls auch auf die schärfste Waffe, auf ein Verbotsverfahren, ver zichten. Aber wir müssen wachsam sein.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Aber mit einem Ver botsverfahren gelingt das nicht, Herr Kollege!)

Wir müssen sammeln. Wenn es ansteht, dann muss man auch bereit sein,...

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordne ter, bitte kommen Sie zum Schluss.

... – ich komme zum Schluss –, die härteste Keule auszupacken, die der Rechtsstaat zur Verfügung hat, nämlich die Einleitung eines Verbotsver fahrens.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das wäre der falsche Weg!)

So viel, meine Damen und Herren, zum Thema NPD-Verbot auch in Baden-Württemberg.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Ursula Hauß mann SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kluck für die Fraktion der FDP/DVP.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Aber kurz! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist eine Allroundwaf fe für alles!)

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Herr Kollege Dr. Brenner, ja, die NPD ist eine Bedrohung für unsere Demokratie – erste Ziffer Ihres An trags. Zweite Ziffer Ihres Antrags: Ja, die NPD bekämpft die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Auch zu Ziffer 3

Ihres Antrags sage ich Ja: Die NPD tritt immer aggressiver und kämpferischer gegen den Rechtsstaat auf.

Trotzdem sagen wir Liberalen Nein zu einem neuerlichen An trag zur Erreichung eines NPD-Verbots, müssen also Ihren Antrag bezüglich der vierten Ziffer ablehnen.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das steht ja da gar nicht drin! Wenn es einen gibt, soll man ihn unter stützen!)

Es kann ja sein, dass Mecklenburg-Vorpommern vielleicht einen stellt. Das weiß ich nicht.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Wieso Mecklen burg-Vorpommern?)

Auf alle Fälle sind wir dagegen, Herr Kollege Oelmayer, ge nau wie Sie.

(Zurufe, u. a. des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE – Abg. Reinhold Gall SPD: So sieht es aus! Egal, was drinsteht! Hauptsache dagegen! Darum geht es!)

Wir wollen keinen Verbotsantrag unterstützen. Wir müssen uns mit den Rechtsradikalen wie mit allen Extremisten poli tisch auseinandersetzen. Der Antrag auf ein Verbot ist schon einmal an fehlenden juristischen Voraussetzungen gescheitert. Sie kennen die peinlichen Vorfälle von damals. Warum die SPD jetzt erneut eine solche Peinlichkeit riskieren will, weiß ich nicht.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje!)

Das ist uns schleierhaft. Ein erneuter Fehlschlag: Wenn Ba den-Württemberg jetzt einen solchen Antrag stellen würde,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Der Kollege muss seine Memoiren schreiben!)

würde er wieder beim Bundesverfassungsgericht scheitern, weil wir unsere V-Leute nicht vorher abziehen wollen und können. Dann würde sich Baden-Württemberg blamieren, und die Rechtsextremisten würden dadurch gestärkt werden.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ach, komm! Dann müsst ihr das ordentlich machen!)

Im Übrigen würde ein Verbot nichts nützen, meine lieben Kol leginnen und Kollegen. Denn diese Extremisten gehen danach nicht einfach nach Hause, sondern sie formieren sich unter neuem Namen neu. Sie werden also deswegen keine guten Demokraten werden.

Langer Rede kurzer Sinn: Die FDP gibt der politischen Aus einandersetzung mit dem rechten Gedankengut den Vorrang. Wir sind für verstärkte Aufklärung in Schule, Elternhaus und Gesellschaft. Wenn sich alle demokratischen Kräfte daran be teiligen, werden wir damit mehr Erfolg haben als mit einem Verbot.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Karl Zim mermann CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Brenner.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ziehen Sie den An trag zurück, Herr Kollege!)

Lieber Herr Kollege Zimmer mann, natürlich hat sich nichts daran geändert; denn es wur de ja kein neuer Antrag gestellt. Genau darum geht es. Sie ha ben auch in einem anderen Punkt recht: In erster Linie muss man nicht Sie überzeugen – das wäre noch einmal schöner –, sondern das Bundesverfassungsgericht.

Das erste Verfahren beim Bundesverfassungsgericht – das weiß jeder, der sich damit auseinandergesetzt hat; Herr Kluck, das wissen auch Sie – ist gerade an der Weigerung geschei tert, die Namen der V-Leute der Verfassungsschutzbehörden zu offenbaren. Diese Voraussetzungen muss man natürlich schaffen. Darum geht es.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Dann wäre der Scha den aber größer! – Gegenruf der Abg. Ursula Hauß mann SPD: Sei ruhig, oder ich komm rüber!)

Insofern hat man auch hier in Baden-Württemberg – darin stimme ich Ihnen nicht zu – eine neue Situation. Denn gera de in Baden-Württemberg – das zeigen auch die Berichte des Verfassungsschutzes – gibt es seit Jahren ein kontinuierliches Mitgliederwachstum der NPD, gerade auch bei den Jugend organisationen; dies hat sich binnen drei Jahren verdoppelt. Sie sind von den Mitgliedern und der Struktur her der stärks te Verband. Man arbeitet auch hier sehr eng mit den Autono men zusammen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau das wissen wir durch die V-Leute! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Oh! – Heiterkeit)

Genau das Wissen, das man über diese Organisation gesam melt hat, reicht unseres Erachtens aus, um das Verfahren in haltlich zu bestehen. Beim ersten Verfahren scheiterte dies an den formalen Voraussetzungen. Das weiß man. Insofern hat ein Verbotsverfahren, wenn es seriös gemacht wird, durchaus Chancen auf eine Realisierung.

Ich denke, deswegen muss man vor dem Bundesverfassungs gericht nicht „die Hosen voll haben“,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Jetzt aber, Herr Bren ner! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Was sind das denn für Ausdrücke?)

dass man solche Auseinandersetzungen nicht bestehen kön ne.