Protocol of the Session on October 28, 2010

Das erweckt den Eindruck, dass das nicht von einem Rechts anwalt erdacht wurde, sondern aus der Paragrafenküche eines Winkeladvokaten kommt.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sie haben es doch auch begriffen!)

Als ich diesen Antrag zum ersten Mal gelesen habe und mir überlegt habe, wie das Szenario ablaufen sollte, hatte ich den Eindruck, ich werde von geistiger Umnachtung befallen. Das lag aber nicht an meinem vorherigen Zustand, sondern an der Lektüre.

(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Vereinzelt Beifall)

Meine Damen und Herren, es gibt nur eine Erklärung: Der SPD-Antrag, den wir heute beraten, ist Ausdruck des fehlen den Rückgrats der Sozialdemokratie.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Rein hold Gall SPD: Falsch!)

Wer sich aus Angst vor der Landtagswahl in populistische Vor schläge flüchtet,

(Zuruf von der SPD: Das ist der FDP/DVP ganz fremd!)

ist nicht regierungsfähig und für verantwortungsbewusste Bür gerinnen und Bürger nicht wählbar.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Erinnern wir uns einmal: Noch im August dieses Jahres ha ben führende SPD-Politiker von der Unumkehrbarkeit des Projekts gesprochen. Originalton Claus Schmiedel laut einer Pressemitteilung vom 4. August 2010:

Wer in der jetzigen Umsetzungsphase von S 21 noch Hoff nungen auf einen Ausstieg nähre, streue sich selbst und den Menschen auf unverantwortliche Weise Sand in die Augen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! – Zurufe von der SPD)

Dem Internetauftritt von Herrn Schmiedel konnte man noch gestern Abend den Satz entnehmen: Stuttgart 21 kommt „so sicher wie das Amen in der Kirche“.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Ich nehme Herrn Schmiedel beim Wort. Was Sie tun, ist un verantwortlich. Offensichtich geht es der SPD nicht um das Land, sondern genauso wie den grünen Demagogen einzig und allein um Umfragewerte.

(Vereinzelt Beifall)

Der SPD-Vorschlag lässt jede verfassungsmäßige Redlichkeit vermissen. Das ist kein Weg der Versöhnung, sondern das reißt neue tiefe Gräben auf.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Wenn wir so vorgehen würden, wie Sie vorschlagen, dann könnte sich niemand mehr auf gefasste Beschlüsse verlassen. Wir Liberalen gehen einen solchen Weg nicht mit, weil er auch die Volksabstimmung an sich in Misskredit bringt. Sie wis sen, dass wir mit Ihnen einig sind, dass die Hürden für Volks abstimmungen gesenkt werden müssen.

(Zurufe von der SPD)

Sie wissen, dass wir noch in dieser Legislaturperiode zusam men mit unserem Koalitionspartner einen Gesetzentwurf ein bringen werden, mit dem wir das Zustimmungsquorum bei Volksabstimmungen von einem Drittel auf ein Viertel senken wollen. Damit können wir einen ersten Schritt machen.

Mit einem so wichtigen Instrument der direkten Demokratie kann man doch keine Spielchen machen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wer macht denn Spiel chen? Sie machen doch Spielchen!)

Ziehen Sie deswegen Ihren Antrag zurück! Sonst bekommen Sie am 27. März die Quittung für fehlendes Rückgrat, für plötzliche Beliebigkeit beim Thema Stuttgart 21 und für pein liche Anbiederung an die Gegner der Bahnhofsmodernisie rung.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Rein hold Gall SPD: Die letzte Bemerkung nehme ich dir übel!)

Das Wort erteile ich Herrn Innen minister Rech.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mich friert es. Mich friert es!

(Abg. Reinhold Gall SPD: Dann sollten wir die Hei zung höher stellen!)

Ich bin erschüttert, Herr Kollege Gall, und beim Nachdenken sollte es Ihnen genauso gehen. In dieser Debatte, in der es um eine grundlegende Frage der Rechtsgrundlagen der Verfas sung unseres Landes geht, sprechen wir – Kollege Klaus Herr mann und Kollege Hagen Kluck – verfassungsrechtliche Fra gen an. Alle anderen tun so, als müssten wir uns darum über haupt nicht scheren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Jawohl! – Zurufe der Abg. Reinhold Gall und Dr. Nils Schmid SPD)

Herr Schmid, gemach, gemach. Ihre Ausführungen, die zur Begründung Ihres Antrags null hergeben, gipfeln in der Aus sage, es sei eine rein politische Entscheidung. Da haben wir es doch schon! Dann sagen Sie: Nur wer gute Argumente hat, braucht sich vor dem Volk nicht zu fürchten. Dazu sage ich: Das Volk muss sich aber vor Politikern fürchten, die sich um die Verfassung einen Dreck scheren!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Zum Thema Spaltung – –

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Kollege Gall, wenn Sie sich einkriegen, bekommen Sie mei nen nächsten Satz mit. Darüber sollten Sie zumindest einmal nachdenken, wenn Sie dazu bereit sind.

Es geht um das Thema „Spalten und Versöhnen“. Sie wecken Erwartungen, die von der Verfassung nie und nimmer gedeckt sind und deswegen nicht erfüllt werden können. Das führt am Ende des Tages zu Frustration.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es! – Abg. Claus Schmie del SPD: Eine Unverschämtheit!)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Schmiedel, wenn schon Sie es nicht tun, dann will ich mich einmal mit den rechtlichen Argumenten zu Ihrem eigenen Antrag auseinan dersetzen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Da sind wir einmal ge spannt! Wir sind einmal gespannt auf Ihre rechtlichen Argumente!)

Das hätte ich eigentlich von Ihnen erwartet. Die Ergebnisse Ihres Gutachtens überraschen mich nicht, aber sie können mich nicht überzeugen. Die SPD hat sogar den Wissenschaft lichen Dienst des Bundestags bemüht, um ihre Position zu un termauern. Ich würde jedem empfehlen, das einmal nachzu lesen. Das dort erstellte Gutachten ist – mit allem Respekt – nun wirklich als ziemlich oberflächlich zu bezeichnen. Darin steht selbst, es sei nur eine kursorische Bewertung. Es stellt

also auf jeden Fall keine wissenschaftlich untermauerte Dis kussionsgrundlage dar.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Weil Ihnen das Ergebnis nicht passt!)

Anders ist es bei den Gutachten von Professor Kirchhof und Professor Dolde, beide mit juristisch fundierter Begründung. Sie kommen eindeutig zu dem Ergebnis, dass weder das vor geschlagene Verfahren noch ein Ausstiegsgesetz rechtlich zu lässig sind. Man betritt mit dem vorliegenden Antrag und der vorgeschlagenen Vorgehensweise aus meiner Sicht auch nicht etwa juristisches Neuland, wie einer der Gutachter der SPDFraktion sagt, sondern man betritt einen gesetzwidrigen Irr weg. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Dann heißt es in dem Gutachten der SPD – vielleicht ist das der Grund, Herr Schmid, warum Sie da so locker-flockig da herreden –, Artikel 60 Abs. 3 der Landesverfassung sei eine reine Verfahrensvorschrift,

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: „Eine reine Verfahrensvorschrift“!)

die ins Belieben der Regierung stelle, Gesetze zur Volksab stimmung zu bringen. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Jede Vorschrift hat ihren Zweck. Die Auslegung von Vor schriften entsprechend diesem Zweck ist ein anerkanntes ju ristisches Mittel, um die Vorschriften überhaupt der Rechts ordnung entsprechend anwenden zu können. Dazu hat Kolle ge Kluck das Wesentliche gesagt. Wenn man sich mit den Gründen der Verfassunggebenden Landesversammlung be fasst, dann wird schnell klar, dass die Regierung das Mittel der Volksabstimmung zur Klärung eines Konflikts mit dem Parlament nur dann wählen kann, wenn das von ihr vorge schlagene und vom Landtag abgelehnte Gesetz von ihr auch wirklich gewollt ist.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das steht aber nicht in der Verfassung!)

Hier haben wir es wirklich mit der schizophrenen Situation zu tun, dass die Landesregierung aufgefordert wird, gegen ih re Überzeugung ein Ausstiegsgesetz in den Landtag einzu bringen. Zweitens lehnt der Landtag dieses Gesetz entspre chend seiner Überzeugung ab, und drittens beantragt ein Drit tel der Abgeordneten des Landtags dann, dass über das abge lehnte Gesetz eine Volksabstimmung stattfindet.

(Unruhe)