Ich persönlich empfinde es als besonders bemerkenswert, dass wir, da wir wissen, dass die Zukunft dieses Landes sehr stark davon abhängt, dass es über genügend Nachwuchs an Ingeni euren und in den MINT-Fächern verfügt, durch eine Konzen tration dieses Programms auf diese Schwerpunktbereiche den höchsten Studierendenanteil in den MINT-Fächern überhaupt erreicht haben und damit deutlich über dem OECD-Durch schnitt liegen. Ich halte das für die Zukunft von Baden-Würt temberg für sehr wesentlich. Wir können einen relativ leich ten Rückgang der Studierendenzahlen in den Geistes- und So zialwissenschaften als Gesellschaft durchaus verkraften.
Das Zweite: Wenn wir die Einstellungschancen sehen, müs sen wir sagen: Gott sei Dank hat die Wirtschaft in der Krise kaum aufgehört, Absolventen einzustellen. Wir hatten für po tenziell arbeitslose MINT-Absolventen ein MINT-Programm mit 500 zusätzlichen Plätzen, die gemeinsam mit der Wirt schaft finanziert werden sollten. Davon sind etwa die Hälfte wahrgenommen worden; mehr haben wir nicht benötigt, und zwar deshalb, weil sozusagen nicht mehr Arbeitslosigkeit drohte.
Weiter: Zum ersten Mal hat die Wirtschaft nicht entlassen, was ein wichtiges Signal war. Außerdem haben viele Unterneh men Absolventen eingestellt, und zwar aus einer gewissen Vorsorge, ohne im Grunde konkrete Beschäftigungsverhält nisse für diese Absolventen zu haben, aber um an die junge Generation das Signal zu geben: „Wir brauchen Sie. Wir stel len Sie ein.“
Wir sehen jetzt ausgangs der Krise, dass die Unternehmen durch ihr Einstellungsverhalten und die Kurzarbeit in die La ge versetzt wurden, ihren Geist und ihr Potenzial sozusagen zu erhalten und sehr schnell wieder in die volle Produktion zu gehen.
Die Wirtschaft hat aus der letzten Krise gelernt, in der man sozusagen Ingenieure nicht einstellte, wodurch die Neigung, ein Ingenieurstudium aufzunehmen, dramatisch zurückging. Dadurch gab es, bezogen auf die Ingenieure, den als „Schwei nezyklus“ bekannten Effekt. Doch diesmal hat man sich an ders verhalten.
Ich glaube, dazu hat erstens der Innovationsrat beigetragen, in dem wir in diesem Jahr mit den Unternehmen diskutiert ha ben.
Zweitens hat dazu beigetragen, dass die Unternehmen über die Hochschulräte in den Hochschulen eingebunden sind, al
Zum Dritten hat dazu beigetragen, dass die Unternehmen an diesem Programm beteiligt sind und dabei auch eingebracht haben, welchen Bedarf sie haben. Jetzt wissen sie selbst, dass ihre Zukunft eigentlich davon abhängt, ob es uns gelingt, ge nügend qualifizierte, gut ausgebildete junge Menschen für die Unternehmen zur Verfügung zu stellen und ihnen zu geben. Dadurch bietet sich für beide Seiten – die Unternehmen und die jungen Menschen – eine große Chance.
Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Damen und Herren! Herr Minister, es gibt Überlegun gen, die Wehrpflicht ab dem Jahr 2011 auszusetzen. Daher ha be ich die Frage: Wurde dies bei dem erwähnten Programm berücksichtigt? Werden da auch entsprechend viele Plätze ein geplant, damit wir, wenn eine solche Maßnahme käme, ent sprechend vorbereitet sind?
Herr Abg. Pfisterer, wir konnten zu Beginn des Programms und auch jetzt bei dem laufenden Verfahren noch nicht berücksichtigen, dass die Wehrpflicht und damit die Dienstpflicht ausgesetzt wird. Wir haben aber immer ge sagt, dass es sich um ein flexibles und atmendes Programm handelt. Wir haben es jetzt allerdings in der Weise ausgebaut, dass wir mehr Plätze bereitstellen, als wir wegen des doppel ten Abiturjahrgangs und des demografisch bedingten Auf wuchses brauchen würden.
Die Lage ist insofern etwas komplizierter, als es darauf an kommt, wann denn die Dienstpflicht aufgehoben wird. Jetzt beabsichtigt die Bundesregierung, dies zum Frühsommer 2011 zu tun. Wenn sie das zum Frühsommer 2011 tut, dann werden wir dadurch, dass wir schneller aufgebaut haben, als wir hät ten aufbauen müssen, ungefähr 3 000 Studienanfängerplätze „Luft“ haben. Zum Sommer 2011 könnten wir also die Fol gen aus einer Aufhebung der Dienstpflicht über dieses Pro gramm mitbewältigen, ohne zusätzliche Studienanfängerplät ze bereitstellen zu müssen.
Im Unterschied zu der demografischen Entwicklung ist die Aufhebung der Dienstpflicht und der Wehrpflicht ein Einmal effekt; denn die betreffenden Personen gehen einmal nicht in die Dienstpflicht und kommen sozusagen auch nur einmal schneller an die Hochschulen. Dann normalisiert sich das Ganze.
Es gibt jetzt Bestrebungen anderer Länder, zu beantragen, die Aussetzung der Dienstpflicht zu verschieben. Das hängt von der jeweiligen Interessenlage ab. Bayern hat 2011 den dop pelten Abiturjahrgang und hätte die Aussetzung der Dienst pflicht gern auf 2012 verschoben. Auch Nordrhein-Westfalen, das 2013 den doppelten Abiturjahrgang hat, hätte die Ausset zung der Dienstpflicht natürlich gern verschoben.
Wenn die Dienstpflicht erst 2012 ausgesetzt wird, müssten wir sie abfedern können. Es könnte aber sein, dass wir ungefähr 1 000 zusätzliche Studienanfängerplätze anbieten müssen. Das wissen wir aber relativ früh, wenn die Bundesregierung recht zeitig entscheidet. Wir planen für diesen Eventualfall dann ein Überlastprogramm für 1 000 zusätzliche Studienanfängerplät ze, sodass man denjenigen, die nun – je nachdem, wie sie da zu stehen – leider oder Gott sei Dank keine Dienstpflicht oder Wehrpflicht erfüllen können, wollen oder müssen, sagen kann: Wenn es bei den Plänen der Bundesregierung bleibt, dann sind die Folgen für uns in diesem Land zu bewältigen. Wenn die Aussetzung um ein Jahr verschoben wird, werden wir mit ei nem Überlastprogramm darauf antworten. Wenn der Beginn des Aussetzens der Dienstpflicht auf 2013 verschoben wird, dann haben wir nach dem doppelten Abiturjahrgang sozusa gen ohnehin Luft.
Man muss allerdings sagen: Wir konnten nicht alles vorher sehen. Insofern haben wir bei Beginn des Programms zwar den demografisch bedingten Aufwuchs vorhergesehen, we nigstens soweit die Entwicklung richtig abgeschätzt war, aber wir haben sofort unsere Planung angepasst, als es eine Kor rektur durch das Statistische Landesamt gab.
Wir haben 2012 den doppelten Abiturjahrgang, und wir hof fen jetzt, dass die Aussetzung der Dienstpflicht die letzte Überraschung in diesem Zeitablauf ist. Ich wüsste auch nicht, was uns sonst noch mehr Studierende bescheren könnte. Aber, wie gesagt, wenn es bei den Plänen bleibt, haben wir kein Pro blem, diese Dienstpflichtigen, die dann eben keinen Dienst mehr leisten, aufzufangen – immer vorausgesetzt, dass sie ein normales Studierverhalten und ein normales Verhalten nach dem Abitur zeigen. Das sind aber Imponderabilien, mit denen man einfach leben muss.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Minister Frankenberg! Wir von der SPD hatten schon vor einiger Zeit gefordert, anstatt 16 000 gleich 20 000 zusätzliche Studienanfängerplätze zu schaffen. Eine gute Opposition regiert mit. Deswegen begrüßen wir aus drücklich den Schritt der Landesregierung, auf 20 000 Studi enanfängerplätze zu gehen. Wir sind damit, was die Studien anfängerzahl angeht, von einem eher hinteren Platz jetzt ins obere Mittelfeld gekommen. Das ist eine positive Entwick lung. Deswegen haben Sie für diesen Schritt grundsätzlich die ausdrückliche Unterstützung von unserer Seite.
Punkt 2: Was mich jetzt vor dem Hintergrund der Pressemit teilung, die Sie gestern verschickt haben, besonders interes siert, ist die Permanenz des Aufwuchses. Sie reden jetzt von 4 000 temporären unter den 20 000 Studienanfängerplätzen. Ich frage Sie daher: Ist der Umkehrschluss richtig, dass die anderen 16 000 Studienanfängerplätze permanente Plätze sind?
Wir hatten bisher die Situation, dass es bei den Universitäten, den Fachhochschulen, der Dualen Hochschule und den übri gen Hochschulen die Unsicherheit gab, wie weit dieser Auf wuchs dauerhaft ist. In der Folge mussten die Hochschulen
für die zusätzlichen Professorenstellen k.w.-Vermerke bei an deren Stellen ausbringen. Es gibt das Problem – ich weiß es jetzt von den Fachhochschulen Heilbronn und Karlsruhe ganz besonders –, dass man für dieses zusätzliche Programm zu nächst einmal keine Neubauten durchführen kann, sondern zusätzliche Anmietungen vornehmen und Umbaumaßnahmen ergreifen muss. Das kostet Extrageld, das man sich aber spa ren könnte, wenn man sich insgesamt sicher wäre, dass eine dauerhafte Lösung geschaffen wird, wir also unsere Hoch schulen dauerhaft entwickeln.
Deshalb habe ich, insbesondere vor dem Hintergrund der Lis te, die Sie gestern an die Presse gegeben haben, die konkrete Nachfrage, ob Sie uns dazu noch ein paar konkrete Auskünf te geben können.
Ansonsten nur ein Wermutstropfen zu dieser heutigen Diskus sion: Unsere Forderung war auch immer, die soziale Infra struktur – Wohnheimplätze, Mensen – letztendlich auszuwei ten. Was ist in diesem Zusammenhang geplant? Denn im Hin blick auf das Wintersemester 2012/2013 müssten jetzt ent sprechende bauliche Maßnahmen angegangen werden, um überhaupt rechtzeitig damit fertig zu werden.
Trotzdem noch einmal: Was die grundsätzliche Erweiterung auf 20 000 Studienanfängerplätze angeht, haben Sie unsere ausdrückliche Unterstützung.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Abg. Stober, ich will jetzt keine Urheberrechtsdebatte führen. Aber es ist immer schön, wenn man sich einig ist, dass die Regie rung etwas Vernünftiges macht und die Opposition eigentlich gut mitgedacht hat.
(Abg. Norbert Zeller SPD: Umgekehrt! Sie wollten nicht! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Gefordert hat! Der Regierung auf die Sprünge geholfen!)
Das Zweite betrifft die Frage nach der Dauerhaftigkeit einer bestimmten Zahl von Studienanfängerplätzen. Die letzte Pro gnose des Statistischen Landesamts hat sich nicht nur in Rich tung 2012 geändert. Vielmehr bleibt unter der Annahme einer gleichen Studierquote wie heute die Studienanfängerzahl auf einem relativ hohen Niveau, nämlich auf dem, das kurz vor dem Jahr 2012 erreicht wird. Das bedeutet logischerweise, dass wir bis zum Jahr 2030 – die Prognose endet 2030 – er heblich mehr Studienanfängerplätze brauchen als vor dem Ausbauprogramm. Das hat uns dazu geführt, dass wir sagen: 4 000 Plätze sind temporär, und 16 000 Plätze werden wir auf längere Sicht brauchen.
Das Zweite ist: Man muss politisch berücksichtigen und im Grunde in diese Überlegungen zumindest auch einbauen, dass es – dies können wir feststellen, wenn wir die Wirtschaftsent wicklung und die Frage der Qualifikationsnotwendigkeiten betrachten – eventuell höhere Studierneigungen gibt. Wir wer
den nicht umhinkommen, zu sagen: Wir sind eine wissensba sierte Gesellschaft, und wir brauchen entsprechende Qualifi kationen.
Das alles führt dazu, dass wir die 4 000 Plätze als vernünfti ge Annahme für einen temporären Teil und die 16 000 Plätze als vernünftige Annahme für einen langfristig etablierten Teil ansehen.
Bei Betrachtung der Infrastruktur muss man sehen – ich sage es einmal ganz deutlich und ehrlich –: Wir können uns nicht alles leisten. Wir haben aufgrund der Wirtschaftskrise Schul den von über 2 Milliarden € pro Jahr aufgenommen. Vorsor ge für die junge Generation beinhaltet die Bereitstellung von Studienplätzen. Vorsorge für die junge Generation bedeutet aber auch, dass man die Haushalte nicht durch zusätzliche Schuldenaufnahme zu sehr belastet. Insofern müssen wir uns schlicht und ergreifend fragen, was wir uns leisten können.
Deshalb halten wir fest: Die Studienplätze sind mit unserem Programm und mit dem Bundesprogramm ausfinanziert. Wir haben jetzt erstmals auch ein Infrastrukturprogramm, auch für Baumaßnahmen, Anmietmaßnahmen, vor allem auch für den Ausbau von Laborflächen. Denn wenn wir die MINT-Fächer ausbauen, müssen wir natürlich auch die entsprechenden Möglichkeiten schaffen. Auf der anderen Seite sind die Hoch schulen bereit, ihre Einrichtungen auch länger zu nutzen. Die Frage der Nutzung an Samstagen oder an Abenden wird heu te also anders beantwortet, als sie noch vor einigen Jahren be antwortet wurde.
Aber wir können uns – das führt mich zum dritten Teil der Frage – den Ausbau von Studierendenwohnheimen und von Mensen im Moment nicht leisten. Das muss ich schlichtweg sagen. Die Studentenwerke tun alles, um auszubauen – mit ei genen Mitteln, mit den Mitteln, die wir ihnen geben. Sie sind dort im positivsten Sinn sehr kreativ. Aber angesichts der Haushaltslage ist es eine große Leistung der Landesregierung – das muss man sagen –, dass sie die Mittel für die Hochschu len hier nicht kürzt, sondern erhöht.
Wenn man das mit der in Großbritannien vorgenommenen Kürzung von 3 Milliarden Pfund über vier Jahre vergleicht, muss man sagen: Es ist eine gewaltige Leistung, dass wir an gesichts der Haushaltslage die Mittel steigern. Aber die Stei gerung der Mittel ist natürlich auch irgendwo begrenzt.
Deshalb können wir den Ausbau in diesem Bereich – Studen tenwerke – nicht genauso vornehmen wie im Infrastrukturbe reich und bei der Zahl der Studienplätze. Das ist eben so. Wir können kein Geld drucken, weil wir den Euro haben. Aber ich würde auch kein Geld drucken, wenn ich verantwortlich da für wäre.
Herr Minister Frankenberg, ich will die Debatte um das Urheberrecht in Bezug auf den Bedarf von 20 000 neuen Studienanfängerplätzen hier nicht vertiefen. Das können wir aber gern einmal im Wissenschafts ausschuss machen. Ich melde hier für die Fraktion GRÜNE
schon einmal Ansprüche an. Ich hätte Belege zu liefern, dass wir diese Debatte angestoßen haben. Aber damit befassen wir uns heute nicht.
Die erste Frage betrifft die 4 000 temporären zusätzlichen An fängerplätze. Ich möchte in diesem Zusammenhang den Aus druck „Überlast“ ansprechen. Die Unterlagen, die Sie der Presse zur Verfügung gestellt haben, weisen „4 000 Plätze temporärer Überlast“ aus. Der Begriff „Überlast“ bedeutet ei gentlich, dass zusätzliche Studierende ohne entsprechende Zu satzausstattung aufgenommen werden. Da müssen sich also mehrere Studierende einen Platz teilen. Ist in diesem Zusam menhang „Überlast“ anders definiert, oder ist hier der klassi sche Begriff „Überlast“ gemeint, der bedeutet, dass bei glei chen Mitteln mehr Studierende aufgenommen werden?
Die zweite Frage: Sie sagten vorhin, dass das Ausbaupro gramm sehr gut angenommen werde, insbesondere im MINTBereich. Sie sagten, alle neu geschaffenen Studienanfänger plätze seien im Wesentlichen besetzt worden. Jetzt haben Sie uns Anfang Oktober einen Bericht zukommen lassen, der Aus kunft über die Entwicklung bei den Studienanfängerplätzen gibt. Darin enthalten ist eine Tabelle, die zeigt, dass die Aus lastung der neuen Studienanfängerplätze im Bereich der MINT-Studiengänge – Mathematik, Informatik, Naturwissen schaften und Technik – nicht besonders gut gelungen ist. So ist beispielsweise nachzulesen, dass im MINT-Bereich in Frei burg 155 Studienanfängerplätze neu geschaffen wurden, dass aber 2009 gegenüber 2006 nur 15 zusätzliche Studierende ein solches Studium aufgenommen haben.