Protocol of the Session on October 6, 2010

Dies dürfte der Bahn kaum wehtun. Denn mit einem echten Baubeginn ist aufgrund von Planungsrückständen nicht vor dem Frühjahr 2011 zu rechnen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist falsch! – Zu ruf der Abg. Andrea Krueger CDU)

Mit der Realisierung dieses Vorschlags, Herr Ministerpräsi dent, würden wir im wahrsten Sinn des Wortes Fakten schaf fen. Wir reden ab dann auf der Grundlage von Fakten, die wir beide öffentlich durchgearbeitet haben. Meiner Ansicht nach würde nichts mehr zu einer Versachlichung der Debatte bei tragen als dies.

Weiter gehende Vorhaben wie eine Volksbefragung oder ein Volksbegehren können diskutiert werden. Dazu hat die SPD jetzt eine Initiative ergriffen.

Morgen haben Sie die Gelegenheit, die Hürden für eine Volks befragung zu senken.

(Zurufe der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE und Peter Hauk CDU)

Wenn Sie dem zustimmen, steht auch dieses Instrument zur Verfügung. Wenn all dies nicht gelingen sollte, sind die Wah len die letzte Entscheidung über diese Frage.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wer entscheidet dann?)

Aber alles Weitergehende profitiert doch davon, wenn vorher offen über die Sache debattiert, verhandelt und gestritten wur de. Denn das ist die Grundlage einer lebendigen Demokratie.

Das ist unser Vorschlag. Sie haben den Vorschlag gemacht, einen Vermittler einzusetzen, den wir akzeptieren können. Dann können wir in dieser Richtung auf einen Weg kommen. Aber er setzt, wie gesagt, voraus, dass Sie den Protest und die Argumente hierfür ernst nehmen. Das ist die absolute Voraus setzung. Sonst können diese Gespräche nicht zum Erfolg füh ren. Wir rufen Sie eindringlich auf, diesen Weg zu gehen.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hauk.

Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Es ist gar keine Frage, dass uns alle noch die Bilder vom vergangenen Donnerstag prägen. Sie ha ben uns nicht nur tief berührt, sondern werfen natürlich auch Fragen auf.

Wir bedauern ausdrücklich, dass es bei der Räumung des Bau felds zu Verletzungen von Menschen gekommen ist, von Men schen, die demonstriert haben, und Menschen, die den Rechts staat beschützt haben. 34 Polizisten wurden verletzt; es gab über 100 Leichtverletzte. Ich möchte nichts beschönigen; aber die meisten dieser Verletzungen waren Augenreizungen.

Für Baden-Württemberg ist es seit Jahren, seit Jahrzehnten nicht üblich, dass es bei der Wahrnehmung der Meinungsfrei heit, bei Konflikten, bei gesellschaftspolitischen Auseinander setzungen auch zu Körperverletzungen kommt. Deshalb ist das am vergangenen Donnerstag Geschehene neu, und des halb ist uns allen klar: Wir müssen nicht nur alles dafür tun, dass sich solche Bilder nicht wiederholen, sondern müssen vorbeugen, damit es in Zukunft erst gar nicht mehr zu einer solchen Eskalation kommt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD)

Ich glaube, darüber sind wir alle in diesem Parlament uns ei nig.

Es geht jetzt primär nicht mehr um die Frage, wer im übertra genen Sinn den ersten Stein geworfen hat.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Kastanien!)

Unabhängig davon, glaube ich, ist es in einer solchen Situa tion – die vielleicht in anderen Bundesländern keine Ausnah

mesituation ist, in der eher konsensorientierten Bürgerschaft unseres Landes aber schon – zwingend notwendig, wieder miteinander in den Dialog einzutreten, und zwar, Herr Kretschmann, ohne Vorbedingungen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wolf gang Drexler SPD: So ist es!)

Ihre Argumentation – mit Vorbedingungen – hätte ich vor dem vergangenen Donnerstag noch nachvollziehen können. Nach diesem Donnerstag, glaube ich, muss sich jeder, der jetzt nicht gesprächsbereit ist, jeder, der die Situation durch die Ableh nung von Gesprächen verschlimmert, vorhalten lassen, dass er nicht zu einer Deeskalation beiträgt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist unglaublich! Es muss doch ergebnisoffen gestartet werden!)

Nach der Rede des Herrn Kollegen Kretschmann sehe ich we gen deren Inhalt erst recht die Notwendigkeit zum Gespräch. Das sage ich ganz offen. Denn viele sachliche Aussagen wa ren meines Erachtens nicht richtig.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Oh-Rufe von den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Ich mag mich täuschen. Ich bin weder Bahnexperte noch Bau ingenieur; ich mag mich täuschen.

(Zurufe)

Ich glaube, es ist zumindest notwendig, sich – Sie haben das selbst dargestellt – über die Frage der Kosten auszutauschen. Das sind die politischen Themen.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen uns auch darüber unterhalten: Wie gehen wir und wie gehen die Menschen in einem demokratischen, sozialen Rechtsstaat miteinander um? Was ist beim Umgang der Menschen mitei nander vertretbar?

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Eine gute Frage! – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Jedenfalls nicht mit Wasserwerfern!)

Ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Punkt. Sie haben natürlich recht, wenn Sie sagen: Die ganz überwältigende An zahl der Demonstranten, der Projektgegner demonstrieren in friedlicher Absicht und führen dies auch friedlich durch.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aber nicht alle!)

Vollkommen in Ordnung! Das kann ich nur unterstreichen.

Ich sage auch dazu, Herr Kretschmann: Ich bekenne mich – trotz aller Kosten, die Ihr Kollege Sckerl abgefragt hat – aus drücklich nicht nur zur Meinungsfreiheit, sondern auch zur Demonstrationsfreiheit. Auch wenn es 100 000 und 200 000 sind, hat die Polizei die Aufgabe, die Versammlungsfreiheit zu schützen und den Demonstranten Gehör zu verschaffen. Selbstverständlich!

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist doch ein Grundrecht!)

Aber Sie müssen auch sehen, dass es unter diesen Demonst ranten einige gibt, die andere Motive haben und die auch ei nen Teil dieses Protests bewusst oder unbewusst ein Stück weit für sich ausnutzen und versuchen – ob es gelingt, lassen wir dahingestellt –, die Gegnerschaft gegen dieses Projekt und die Demonstrationen gegen dieses Projekt für sich und ihre Ziele zu instrumentalisieren. Das gibt es fast immer; da ma chen wir uns auch nichts vor. Die gibt es eben auch unter den Demonstranten.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Ja und?)

Ich frage Sie, wie wir damit umgehen, wenn die Proteste teil weise nicht allzu friedlich ablaufen. Es gibt Augenzeugenbe richte auch von Steinwürfen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Quatsch! – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Ach was! – Zuruf der Abg. There sia Bauer GRÜNE – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das wurde nur behauptet! Das stimmt nicht! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Stein ist Stein, egal wie groß! – Abg. Thomas Blenke CDU: Kolle ge Fischer hat es gesehen!)

Ich habe hier eine entsprechende E-Mail, die zur Veröffentli chung an uns ging. Ich zitiere:

Sehr geehrter Herr XY,...

Name und Adresse sind bekannt, entgegen vieler Mails, die ich bekomme, die nur mit Namen unterzeichnet sind –

Wir wollten uns

am Donnerstag, 30. September 2010 –

vor Ort im Schlossgarten vor Beginn der Pro-S-21-De monstration ein Bild machen...

Das schreibt ein Befürworter des Projekts.

Bereits auf der Brücke über die Schillerstraße wurden wir beschimpft und bespuckt und bedroht, da wir einen S-21Button am Revers trugen... dann hitzige Diskussionen... dann Handgreiflichkeiten... und drei Burschen mit Stei nen in der Hand... meine Frau duckte sich plötzlich, und meinen Nachbarn traf ein faustgroßer Stein mitten ins Ge sicht... blutend rannte er in Richtung Polizei um Hilfe...

Zwei Passanten versuchten, die Burschen zu halten... die se wurden jedoch in der K-21-Menge abgeschirmt und konnten untertauchen... acht Polizisten versuchten, das Geschehen zu beruhigen, und nahmen u. a. meinen Na men als Zeuge auf...

Fazit: Wir mussten die sogenannten „friedlichen“ K-21Demonstranten als primitiv und brutal erleben – der Zu gang zum Schlossgarten wurde uns verwehrt, und wir kehrten um zur wirklich friedlichen Pro-S-21-Demonst ration.