Protocol of the Session on October 6, 2010

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Hört, hört! – Abg. Jür gen Walter GRÜNE: Warum kämpft der Mappus ge gen Windkraftanlagen in Baden-Württemberg?)

Herr Kretschmann, ich erinnere Sie an Ihre eigenen Worte in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 13. September 2008 – ich zi tiere –:

Wir können nicht mit unserer Regierungsfähigkeit wer ben, um uns anschließend als Protestpartei zu gerieren.

(Oh-Rufe von der CDU und der FDP/DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das hört man nicht gern!)

Natürlich kann man gegen Stuttgart 21 auch einmal eine Menschenkette um den Bahnhof organisieren, aber das sind nicht mehr die Formen, mit denen das Projekt zu Fall zu bringen ist.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/DVP)

Ich appelliere an Sie: Kehren Sie zurück zu dieser Vernunft, und widerstehen Sie der populistischen Versuchung.

Meine Damen und Herren, wir können und dürfen in diesem Land Politik nicht mit den Ängsten der Menschen machen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! – Abg. Wilfried Klenk CDU: Sehr gut!)

Infrastruktur hat seit jeher den Sinn und den Zweck, Men schen zueinander zu bringen, Wohlstand zu fördern und Ent wicklungen zu beschleunigen. Wir können nicht immer nur dagegen sein. Wir brauchen auch den Mut zum „Dafür“, den Mut zur Verantwortung in Baden-Württemberg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie des Abg. Fritz Buschle SPD – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: So ist es!)

Die Menschen in Baden-Württemberg beweisen besonders großen Mut zur Verantwortung. Sie tun dies, indem sie sich wie in keinem anderen Land engagieren: für die Gemein schaft, für das Ehrenamt,

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das machen wir auch! Für die Umwelt!)

für die Familien. Was für eine Botschaft ist es, diesen Men schen die Nachricht zu übermitteln, dass nur der etwas gilt, der gegen etwas ist – gegen Weiterentwicklung, gegen jedes Wagnis, gegen unsere Chancen?

(Zuruf des Abg. Klaus Herrmann CDU – Abg. Tho mas Oelmayer GRÜNE: Unglaublich!)

Es ist mir eine echte Sorge, dass bei vielen immer stärker die einfachen Weltbilder regieren.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Baden-Württemberg ist aber das „Modell deutscher Möglich keiten“.

Meine Damen und Herren, es geht darum, dass wir diesen Er folg verteidigen. Unser Land darf nicht zum Modell der Un möglichkeiten werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Ist es denn verhältnismäßig, dass ein Zukunftsprojekt wie Stuttgart 21 unsere Gesellschaft derart spaltet? Ich möchte al les dafür tun, dass wir in Baden-Württemberg zusammenste hen.

Bei Stuttgart 21 geht es im Kern doch nicht um Fahrzeiten und Verbindungstakte. Es geht für unser Land um den Wohl stand. Aber vor allem: Es geht um die Chancen von morgen. Das treibt mich um. Das ist mein Thema. Es geht mir um die nächste Generation. Wie will diese kommende Generation ihr Land sehen? Welche Bildungschancen braucht sie? Was müs sen wir dafür tun? Welche Bedingungen für Forschung und Technologie braucht sie? Wie schaffen wir auch in Zukunft sichere Arbeitsplätze? Und was tun wir für eine zukunftsfähi ge Infrastruktur?

Wir müssen uns fragen: Haben in unserer Gesellschaft wich tige Zukunftsprojekte noch eine Chance? Sind wir im Land der Tüftler und Techniker noch gewillt und in der Lage, eine technische Vision zu verwirklichen? Sind wir bereit, eine we sentliche Investition in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, in neue Wege für neues Wachstum zu leisten?

Wenn die Logik mancher zu Stuttgart 21 Schule macht und das „Dagegen“ zum Zeitgeist wird, wenn es gesellschaftlich akzeptiert wird, dass parlamentarische Beschlüsse und Ge richtsurteile durch Protest aufgekündigt werden, wie sieht dann eigentlich unsere Zukunft aus, meine Damen und Her ren?

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Ich möchte für etwas eintreten – verlässlich, klar und eindeu tig. Ich bekenne mich zu einem Baden-Württemberg, das sei ne Möglichkeiten nutzt. Deshalb stehe ich ohne Wenn und Aber zu Stuttgart 21.

Es geht um die Menschen im Land, um jeden Einzelnen. Sie sind der größte Schatz des Landes: ihr gelebter Gemein schaftssinn, ihr sprichwörtlicher Fleiß und ihr Erfindungs reichtum.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Jeder und jede! – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Für diese Menschen setzen wir uns ein. Denn das Ziel für mich und meine Regierung lautet:

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Jetzt muss er das auch noch ablesen!)

Wohlstand sichern, Chancen ergreifen. Darum geht es.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Auf, auf! – Die Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP erheben sich von ihren Plätzen und spenden stehend anhaltenden lebhaften Beifall. – Lachen bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Heiterkeit des Ministerpräsidenten Stefan Mappus)

Meine Damen und Herren, wir kom men nun zur Aussprache über die Regierungserklärung. Für die Aussprache gelten freie Redezeiten.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

(Unruhe)

Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben in Ihrer Rede gesagt: „Die Konfrontation um Stuttgart 21 tut un serem Gemeinwesen nicht gut.“ Sie „bedauern“, dass es am letzten Donnerstag im Stuttgarter Schlossgarten „Szenen ge geben hat, die sich nicht wiederholen dürfen“, und Sie bedau ern, „dass es dazu hat kommen müssen“.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Dazu hätte es überhaupt nicht kommen müssen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hofelich SPD: Genau!)

Es gibt schon lange einen Stuttgarter Appell, der inzwischen von weit über 50 000 Bürgerinnen und Bürgern unterschrie ben ist

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wie viele Einwoh ner hat Stuttgart? – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP: Wie viel Promille der Einwohner von Baden- Württemberg sind das?)

und mit dem aufgefordert wird, ein Moratorium, einen zeit lich befristeten Bau- und Vergabestopp einzuleiten, um noch einmal über alle Fragen zu diskutieren. Wenn Sie vor der Som merpause den Mut gehabt hätten, darauf einzugehen, wäre es nicht zu den Szenen im Schlossgarten gekommen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Gunter Kauf mann SPD)

Ich sage noch einmal: Der Einsatz am Tag einer angemelde ten Schülerdemonstration war unverantwortlich.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Gunter Kauf mann SPD)

Der massive Einsatz von Wasserwerfern und Pfefferspray ge gen friedliche Demonstranten

(Oh-Rufe von der CDU und der FDP/DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jetzt hört’s aber auf! – Weitere Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Klaus Herr mann: Fragen Sie die, die gestern die Bilder gesehen haben! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/ DVP)

war völlig unangemessen und überzogen.

(Beifall bei den Grünen – Unruhe)

Sie haben damit begonnen, die Demonstranten schon im Vor feld zu diskreditieren. Das ist auf jeden Fall nicht der Weg, um aus der Konfrontation herauszukommen.

Ich darf noch einmal den Polizeiwissenschaftler Thomas Fel tes zitieren.