Wir haben über dieses Thema schon einige Male debattiert – u. a. in der letzten Plenarsitzung und sehr ausführlich im Schulausschuss. Ich glaube, wir können die jetzige Debatte abkürzen.
Es geht entscheidend um zwei Punkte, die auch in den Anträ gen der Opposition umrissen werden. Zum einen geht es um die Frage der Verbindlichkeit der Umsetzung des Orientie rungsplans. Ich weiß nicht, ob der Kollege Mentrup, von dem der betreffende Änderungsantrag wohl initiiert wurde, im Saal ist.
Wunderbar. Ich sehe Sie, lieber Herr Kollege Mentrup. – Wir haben gesagt: Wir wollen den Orientierungsplan. Ich ha be der Begründung Ihres Änderungsantrags die Aussage ent nommen, Baden-Württemberg sei eines der letzten Bundes länder, die den Orientierungsplan einführten. Lieber Herr Mentrup: Bereits in der Zeit, in der Sie noch nicht dem Land tag von Baden-Württemberg angehörten, gab es eine Modell phase. Daran haben mehrere Hundert Kindergärten teilgenom men.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Habt ihr etwas daraus gelernt? Ihr habt überhaupt nichts daraus gelernt!)
Mehrere Tausend Kindergärten haben gesagt, auch sie woll ten mitmachen, und sie haben mitgemacht. Es kann also nicht die Rede davon sein, Baden-Württemberg sei eines der letz ten Bundesländer, die den Orientierungsplan einführten. Im Übrigen ist der Orientierungsplan fachlich wohl unbestritten.
Wenn Sie, Herr Mentrup, mit Fachleuten reden – das tun Sie, lieber Herr Mentrup; ich schätze Sie auch als Fachmann –, dann wissen Sie, dass unser Orientierungsplan bundesweit als einer der besten gilt. Er ist also umgesetzt, und er wird auch eingesetzt.
Nun kann man darüber streiten, ob wir den Orientierungsplan gleich verbindlich machen müssen oder ob wir den Kommu nen die Chance geben können, den Orientierungsplan verbind
lich umzusetzen, ohne dass der Landtag dies vorschreibt. Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden. Ich sage auch klar, warum wir das getan haben – den Grund darf man offen benennen –: Mit dem Orientierungsplan teilen sich Kommu nen und Land die Kosten. Das Land trägt zwei Drittel, die Kommunen übernehmen ein Drittel.
Wenn wir mittags über mehr Geld diskutieren – entweder für das Land oder für die Kommunen – und an einem anderen Tag morgens alle die Haushaltslage des Landes oder die finanzi elle Lage der Kommunen bejammern, dann passt die Diskus sion über die sofortige Umsetzung der Verbindlichkeit eben nicht so richtig in den Raum. Wir müssen uns entscheiden, ob wir den Kommunen Spielräume lassen und sagen: freiwillige Umsetzung. Wenn es dann nicht klappt, kann man meinetwe gen nachlegen. Auch ich will, dass der Orientierungsplan ir gendwann verbindlich ist; das sage ich ganz offen. Aber ich finde, wir sollten den Kommunen und den Trägern jetzt die Chance geben, den Orientierungsplan von selbst anzuwenden. Die meisten tun das ohnehin und brauchen nicht den Landtag von Baden-Württemberg, der ihnen sagt, was man machen soll.
Auch ich möchte eine Evaluation des Orientierungsplans – das ist kein Geheimnis –, und ich glaube, wir tun gut daran, wenn wir – die, die nach dem 27. März 2011 noch da sind – uns in der nächsten Legislaturperiode noch einmal mit diesem Thema beschäftigen und nach zwei Jahren schauen, was da bei herausgekommen ist. Unsere Kinder werden deswegen nicht schlechter ausgebildet bzw. nehmen deswegen nicht schlechter an der frühkindlichen Bildung teil.
Zweiter Punkt: Die Grünen beziehen sich in ihrem Antrag auf die Frage, ob die Kommunen die Gelder, die sie vom Land bekommen, weitergeben müssen, ob sie diese verrechnen kön nen oder nicht. Dazu habe ich schon beim letzten Mal etwas gesagt.
Die Kommunen können das verrechnen, müssen es aber nicht. Wir haben kommunalisiert; das will ich noch einmal in Erin nerung rufen. In der letzten Wahlperiode des Landtags haben wir den Kommunen und den Trägern die Kompetenz gege ben, ihre Regelungen selbst zu treffen. Wir haben rund 400 Millionen € im Jahr an die Kommunen übertragen und ihnen gesagt: Einigt euch selbst. Das war ein großer Wunsch der Kommunen und übrigens auch ein Wunsch der Träger.
Jetzt kommt zum allerersten Mal ein Punkt, an dem wir wie der Geld übertragen. Jetzt wollen wir von hier aus nicht ernst haft einschreiten und festlegen, wer bei Kommunen und Trä gern was zu zahlen hat.
Im Gesetz ist die Mindestförderung festgelegt. Alles, was bis her darüber hinaus gefördert worden ist, kann bleiben. Wenn eine Kommune meint, sie müsse dieses Geld nicht weiterge ben, dann bin ich sehr gespannt, wie unsere Gemeinderäte hin sichtlich der schnellen Umsetzung vor Ort darauf reagieren. Die Praxis braucht uns hier nicht. Wir im Landtag müssen
auch hier unsere Grenzen beherrschen. Kommunale Selbst verwaltung wird sich hier, glaube ich, ganz gut rechnen. Ich glaube auch nicht, dass es zu Ärger kommt. Wenn es zu Är ger kommt, würde ich den freien Trägern gute Karten einräu men, dass sie die Möglichkeit haben, ihre Ansprüche durch zusetzen.
Kurzum: Ich glaube, die Praxis in den Kindergärten, die Zu sammenarbeit zwischen Kommunen und freien Trägern ist besser, als Sie sie in Ihren Anträgen unterstellen. Ich glaube, wir könnten noch ein bisschen abwarten, ob sich die Dinge nicht von selbst klären. Bei diesem Punkt geht es wirklich um nichts; die Differenzen sind minimal. Die Frage danach, ob verrechnet werden kann oder muss, ist nicht weltbewegend. Unsere Kinder werden nicht darunter leiden, wenn wir uns bei dieser Gelegenheit etwas zurücknehmen und die Sache vor Ort klären.
Frau Präsidentin, Kollegin nen und Kollegen! Das heute zur Abstimmung stehende und schon vor längerer Zeit vorgelegte Gesetz zur Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes ist ein weiterer trauriger Zwi schenakt in dem seit Jahren andauernden Drama, in dem es um Folgendes geht: Wie führen wir den Orientierungsplan in Baden-Württemberg in die Kindertagesstätten ein,
und – darum geht es ja eigentlich – wie übernehmen wir auch für die Bildung in den Kindertagesstätten eine landespoliti sche Verantwortung? Letztlich steht dieser Punkt dahinter. Dieser war ursprünglich Auslöser, sich überhaupt auf diesen Weg zu begeben.
Ich möchte noch einmal ein bisschen in die Historie gehen, wenn auch nicht besonders arg weit. Es ist interessant, dass Sie auf Seite 3 in der Stellungnahme zu dem Antrag der Frak tion GRÜNE, Drucksache 14/4807, schreiben – immerhin ist dies eine Stellungnahme vom 29. Juli 2009 –:
Das Land hält an der Absicht fest, den weiterentwickel ten Orientierungsplan im Laufe des Kindergartenjahres 2009/2010 für verbindlich zu erklären.
Sie wissen, dass das – Herr Hoffmann, Sie haben es gesagt – von einer langen Modellphase und von einer Überarbeitungs phase begleitet war. Ich gebe Ihnen völlig recht, was die Qua lität des Orientierungsplans betrifft. Es war auch mit der bun desweiten Anerkennung verbunden, dass wir einen der zwei oder drei besten Bildungspläne für den Kindertagesstättenbe reich haben.
Das ist etwas, was uns sehr guttut und noch einmal zeigt, dass dieser ganze Prozess hinsichtlich der Fachlichkeit außeror dentlich gut gelaufen ist und wir mit dem Ergebnis sehr zu frieden sein können.
Nun ist im Juli vor einem Jahr angekündigt worden, dass wir den Orientierungsplan zu dem erwähnten Kindergartenjahr verbindlich einführen würden. Schon zu diesem Zeitpunkt An fang Juli 2009 wusste man, dass dazu eine Einigung mit den kommunalen Landesverbänden nötig gewesen wäre, weil das Ergebnis all dieser Pilotuntersuchungen und Modellphasen lautete, dass man mit dem bisherigen Rahmen für die Perso nalbetreuung nicht hinkommt, um den Orientierungsplan wirklich qualifiziert einzuführen.
Frau Ministerin, auch wenn Sie damals noch nicht mit an Bord waren, wissen Sie es, weil es Ihnen erzählt worden ist: Es war eine peinliche Veranstaltung, dass man angekündigt hat, man führe den Orientierungsplan bis September ein, und im Sep tember sagen musste: „Wir müssen es verschieben, weil wir uns erst mit den Kommunen einigen müssen.“ Das hat sowohl bei den Eltern als auch bei den Erzieherinnen und Erziehern vor Ort zu erheblichem Unverständnis geführt.
Im Herbst gab es die Einigung mit den kommunalen Landes verbänden, die aus unserer Sicht zunächst einmal nicht beson ders befriedigend war, obwohl wir es natürlich immer lieber sehen, wenn es eine solche Vereinbarung gibt, als wenn es kei ne gibt. Wir sind mit dieser Vereinbarung eines allmählichen Anstiegs des Personalschlüssels um 0,3 Personalstellen pro Gruppe noch immer weit von den international anerkannten Personalschlüsseln entfernt, die für eine adäquate Betreuung vorgesehen sind und die uns aus der Modellphase aus dem ei genen Land als benötigt kommuniziert wurden.
Für mich ist die Erfüllung des Konnexitätsprinzips im Rah men dieser Vereinbarung noch immer nicht recht ersichtlich. Denn wenn man davon ausgeht, dass es sich um eine Lan desaufgabe handelt, nämlich die Bildung in der Kleinkindpha se, dann ist mir nicht ersichtlich, wie man dann zu einem sol chen Finanzierungsschlüssel kommen kann. Weil die Kom munen diesem aber zugestimmt haben, soll es jetzt zunächst einmal so sein.
Außerdem ist für uns sehr unbefriedigend, dass überhaupt nicht absehbar ist, wann man von diesen 1,8 allmählich auf steigt, und vor allem, wann und wie die Betreuung in den Kleinkindgruppen der unter Dreijährigen in diesen Prozess mit hineinkommt. Denn wir alle sind uns einig – auch der Ori entierungsplan sieht das vor –, dass wir auch für die unter Dreijährigen eine Aufgabe in der Bildung und eine Orientie rung in der Bildung brauchen.
Nachdem diese Einigung im Herbst erzielt worden war, be gann die nächste, wie ich finde, etwas peinliche Veranstaltung. Zum 1. September dieses Jahres sollte das umgesetzt werden, ist es auch umgesetzt worden, aber die gesetzliche Regelung kommt jetzt erst nachträglich. Da muss ich mich natürlich schon fragen: Warum gelingt es im Schulbereich meist gera de noch kurz vor knapp, die gesetzlichen Grundlagen zu schaf fen – ich erinnere an die Werkrealschuldiskussion in der letz ten Julisitzung vor der Sommerpause –, und warum geht es im Kindergartenbereich offensichtlich irgendwie nicht? Mög licherweise haben Sie es hier mit mehr Partnern zu tun; das sind Sie nicht gewöhnt. Ich weiß es nicht. Jedenfalls finde ich es wiederum sehr ärgerlich, dass jetzt seit 1. September schon neue Personalschlüssel gelten, die wir aber im Grunde erst heute in eine endgültige gesetzliche Form kleiden.
Jetzt beginnen die Punkte, bei denen wir mit dem vorgeleg ten Gesetzentwurf nicht zufrieden sein können. Man hat sich auf eine gemeinsame Linie mit den Kommunen und den kom munalen Landesverbänden verständigt, und man legt jetzt ei nen Gesetzentwurf zur Abstimmung vor, der von diesen so nicht mitgetragen wird. Mit geht es gar nicht darum, Herr Hoffmann, jetzt als Landtag zu beurteilen, ob das nun „müs sen“ oder „können“ heißen muss oder ob man es ganz heraus nimmt. Ich finde, es ist ein Strickfehler, wenn man eine ge setzliche Umsetzung eines gemeinsamen Beschlusses offen sichtlich nur dann hinbekommt, wenn einer der wichtigsten Partner bei diesem ursprünglichen Beschluss dann sagt: „Wir fühlen uns nicht im Rahmen der Vereinbarung bei diesem Ge setzentwurf berücksichtigt.“
Deshalb appellieren wir heute noch einmal erneut an Sie, sich mit den kommunalen Landesverbänden zu einigen. Wir ha ben es bei der Einschulungsuntersuchung schon einmal erlebt, dass es der Sache und der Umsetzung nicht guttut, wenn es dann solche Konfrontationen gibt. Ich hätte es für wichtig ge funden, dass man solchen Konfrontationen aus dem Weg geht.
Der gravierendste Punkt, warum wir auch heute diesen Ge setzentwurf ablehnen, ist der Verzicht darauf, den Orientie rungsplan als Verpflichtung hereinzunehmen und damit auch die Sicherheit zu schaffen, dass wir es dann mit allen Trägern evaluieren können. Denn nur das ergibt Sinn, Herr Hoffmann. Wir geben hier doch erhebliche zusätzliche Landesmittel aus. Das muss mit einem Ziel verbunden sein, sonst ergibt es kei nen Sinn. Nur die Verpflichtung auf dieses Ziel gibt uns das Recht, anschließend zu kontrollieren, ob dieses Ziel erreicht wurde. Sie geben zu wenig Geld aus und bringen nicht ein mal die Verpflichtung hinein, wofür es ausgegeben werden soll, und können es dann – das ist für mich Bedingung – im Nachhinein auch nicht verpflichtend kontrollieren.
Daher ist das leider ein trauriger Zwischenschritt, aber es ist noch nicht der Schritt, den wir brauchen. Insofern können wir heute dem Gesetzentwurf nicht zustimmen – es sei denn, Sie stimmen unserem Änderungsantrag zu, womit ich aber nach Ihrem Beitrag leider nicht rechnen kann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der ersten Lesung im Ju li vor der Sommerpause hat Herr Staatssekretär Wacker die Bedeutung des Orientierungsplans ganz besonders hervorge hoben und ihn als Fundament der frühkindlichen Bildung be zeichnet.