Protocol of the Session on July 28, 2005

Wir führen hier nicht ein steuertheoretisches Seminar durch, bei dem man sich durchaus darüber unterhalten könnte, ob das Verhältnis zwischen direkten Steuern, also Einkommen- und Lohnsteuer, und indirekten Steuern, also Verbrauchsteuern, im europäischen Kontext noch richtig ist. Über all das kann man diskutieren. Aber jetzt ist angesagt, den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen: „Ihr werdet entlastet, weil wir gewillt sind, zu sparen, den Staat ein Stück weit zurückzunehmen.“ Damit sorgen wir letztendlich dafür, dass wir denjenigen, die allein die Binnenkonjunktur wieder zum Laufen bringen können, nämlich den Verbraucherinnen und Verbrauchern – das sind Rentnerinnen und Rentner ebenso wie Studierende oder Familien –, nicht das falsche Signal geben.

Darum werbe ich dafür: Lesen Sie unsere Konzepte! Sie werden sehen, dass es in der Finanz- und Haushaltspolitik viele Schnittmengen mit der CDU gibt.

(Abg. Drexler SPD: Der Mappus soll einmal das Konzept der FDP lesen!)

Es gibt einen Punkt, bei dem wir in der Tat ein anderes Konzept haben. Wir wollen gemeinsam versuchen, es durchzusetzen. Dann können wir die Wählerinnen und Wähler schließlich ganz unaufgeregt fragen, welches Konzept sie im Endeffekt bevorzugen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Können Sie das Konzept mal Herrn Mappus ge- ben? – Abg. Knapp SPD: Damit er es verwässern kann! – Abg. Drexler SPD: Geben Sie das Konzept doch einmal her!)

Das Wort erhält Herr Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde, Herr Finanzminister, Herr Mappus, wenn man einen solch radikalen Wechsel in der ganzen Steuerpolitik vornimmt, wie Sie das gemacht haben, dann ist man dafür eine Begründung schuldig. Denn das hat mit dem, was Sie sieben Jahre lang in der Opposition erzählt haben, schlichtweg nichts zu tun. Das habe ich ja in der ersten Runde schon gesagt.

Ich finde, Herr Kollege Mappus, Sie haben sich in erhebliche Widersprüche verwickelt. Sie müssen doch einmal erklären, was schlecht daran sein soll, wenn man die indirekte Steuer Ökosteuer zur Senkung der Lohnnebenkosten einsetzt. Das ist fast vollständig geschehen, und zwar mit 1,7 %. Ein relativ geringer Teil ist direkt für ökologische Innovationen eingesetzt worden – in der Größenordnung von 300 Millionen €. Das sind die Größenverhältnisse.

Jetzt müssen Sie doch einmal erklären, warum es falsch ist, die indirekte Steuer Ökosteuer zur Senkung der Lohnnebenkosten einzusetzen, und warum es dagegen richtig sein soll, die Mehrwertsteuer zu erhöhen und diese Einnahmen zur Senkung der Lohnnebenkosten einzusetzen.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Das macht doch überhaupt keinen Sinn.

Zweitens: Natürlich hat alles auf der Welt Vor- und Nachteile. Sicher hat die Ökosteuer auch negative Effekte, etwa bezüglich des Tanktourismus, gehabt. Das kann man nicht bestreiten. Sie können nichts auf der Welt machen, ohne dass es irgendwo auch negative Folgen hat.

(Abg. Drexler SPD: Bei offenen Grenzen ist das so!)

Aber ich finde, dass diese gegenüber dem Gesamtlenkungseffekt, den die Ökosteuer hat, verschwindend gering sind.

Jetzt müssen Sie doch einmal sehen: Sie polemisieren sieben Jahre lang – und jetzt auch wieder – gegen eine Steuer, der die Menschen, die sich ökologisch verhalten, zum Beispiel indem sie einen Spritsparkurs belegen und danach weniger Sprit verbrauchen, ausweichen können. Ihrer Mehrwertsteuererhöhung kann man natürlich nicht ausweichen, es sei denn, man konsumiert einfach nicht mehr. Ich finde, diesen Widerspruch können Sie nicht auflösen.

Drittens: Man muss doch, wenn man so etwas macht, die richtige Reihenfolge einhalten. Die richtige Reihenfolge heißt, man baut erst einmal ökologisch schädliche Subventionen ab, man sorgt für ein effektives Steuersystem und man bekämpft den Steuerbetrug. Wir haben schätzungsweise – das war allerdings in der letzten Finanzausschusssitzung umstritten – allein einen Umsatzsteuerbetrug mit einem Volumen von wahrscheinlich 20 Milliarden €. Das sind natürlich Schätzungen, vielleicht ist der Betrag auch niedriger. Aber wir müssen doch erst einmal etwas dafür tun, dass die Mehrwertsteuersätze, die wir haben, auch gezahlt werden.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das hätten Sie aber schon machen können! Mehrwertsteuerbetrug hät- ten Sie schon bekämpfen können!)

Wir müssen effektiv etwas dafür tun, dass sich nicht ein riesiger Teil der Steuerpflichtigen mit Kreislaufgeschäften und Ähnlichem der Mehrwertsteuer entzieht. Das ist die richtige Reihenfolge. Wenn man das alles machen und dann mittelfristig eine Mehrwertsteuererhöhung vollständig zur Senkung der Lohnnebenkosten einsetzen würde, könnte man darüber reden. Aber das machen Sie nicht. Sie wollen einen Teil der Mehreinnahmen zur Haushaltssanierung einsetzen. Wenn Sie dies in der gegenwärtigen konjunkturellen Lage tun, drückt dies weiter auf die Konjunktur. Das kann niemand bestreiten. Nur wenn Sie die Mehreinnahmen im Verhältnis 1 : 1 zur Senkung der Lohnnebenkosten einsetzten, wäre es konjunkturneutral. Aber sobald Sie das nicht mehr machen, ist dies nicht der Fall.

(Glocke des Präsidenten)

Darum ist eine Mehrwertsteuererhöhung, wie Sie sie konzipiert haben, in Bezug auf den Verwendungszweck falsch; falsch ist aber auch der Zeitpunkt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Herr Kollege Kretschmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mappus?

Herr Kollege Kretschmann, könnten Sie bitte, wenn die von uns vorgeschlagenen Konzepte katastrophal falsch sind, dem hohen Haus erklären, warum führende Bundespolitiker der Grünen, namentlich auch ihr Spitzenkandidat, Bundesaußenminister Fischer, gleichfalls bereit sind, im Bereich der Mehrwertsteuer Erhöhungen vorzunehmen?

Das ist mir neu.

(Lachen bei der CDU – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das stand in allen Zeitungen! – Abg. Mappus CDU: Lesen Sie ab und zu mal Zeitungen!)

Dass Bundesaußenminister Fischer die Mehrwertsteuer erhöhen will, ist mir neu. Er hat den Vorschlag gemacht, einen dritten Satz, nämlich einen Luxussteuersatz, einzuführen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Aber dann höher!)

Dabei glaube ich persönlich, dass dies nicht EU-konform ist. Wir waren gerade mit dem Finanzausschuss in Österreich, das seinen Luxussteuersatz bei der Mehrwertsteuer abschaffen musste, weil ein solcher Satz nicht EU-kompatibel ist.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Da ist es aber nicht schlimm, wenn einer Zickzack fährt!)

Deswegen möchte ich zum Schluss nochmals Folgendes sagen: Worin liegt die Herausforderung? Die Herausforderung liegt genau im Niedriglohnbereich. Im Niedriglohnbereich haben wir Arbeitslosenquoten von 18 %, während andere Länder wie Frankreich mit 12 %, die USA mit 10 %, Großbritannien mit 7 % und sogar Irland mit etwas über 6 % wesentlich geringere Arbeitslosenquoten im Niedriglohnbereich verzeichnen.

(Zuruf von der FDP/DVP: Genügsam!)

Wenn wir also am Arbeitsmarkt etwas tun wollen, ist es nur sinnvoll, in diesem Bereich die Lohnnebenkosten massiv zu senken. Dies ist das Gebot der Stunde. Denn für die großen Unternehmen im gewerblichen Bereich, die ihre Lohnstückkosten drastisch gesenkt haben, wirkt sich dies faktisch gar nicht aus, das spielt für sie gar keine Rolle. Wenn also die Mehrwertsteuer schon bei der Erhebung nicht lenkt, muss man sehen, dass sie bei dem Zweck lenkt, für den man sie erhöht. Das heißt: Einsatz für eine Lohnnebenkostensenkung im Niedriglohnbereich; nur dann können Effekte am Arbeitsmarkt erzielt werden. Wenn wir dies machen und die anderen Hausaufgaben gemacht haben, können wir mittelfristig etwa über das schwedische Modell einer stärkeren Erhöhung der Mehrwertsteuer und über den Einsatz dieses Mehrbetrags zur Senkung der Lohnnebenkosten reden.

Aber zum jetzigen Zeitpunkt muss Ihre Konzeption, nach der die Mehrwertsteuererhöhung nicht im Verhältnis 1 : 1 zur Senkung der Lohnnebenkosten im Niedriglohnbereich verwendet wird, strikt abgelehnt werden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Das hat jetzt kei- ne Konsequenzen!)

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes und des Landesbesoldungsgesetzes – Drucksache 13/4431

Für die Aussprache nach der Begründung durch die Regierung hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Das Wort zur Begründung erhält Herr Staatssekretär Rau.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist kein spektakulärer Gesetzentwurf, sondern es steht ein Entwurf zur Änderung des Schulgesetzes und des Landesbesoldungsgesetzes an. Wir wollen ein paar nicht unwichtige Dinge anpassen, und dazu brauchen wir ein Gesetzgebungsverfahren. Deswegen glaube ich, dass wir es kurz machen können.

Es geht darum, Arbeitsabläufe zu vereinfachen und die Effizienz der Schulverwaltung zu steigern. Es geht darum, dass wir eine zentrale Schülerindividualdatei einrichten können, es geht um die Modernisierung des Verfahrens zur Schulstatistik sowie um ein paar kleinere Anpassungen im beruflichen Schulwesen.

Bei der Änderung des Landesbesoldungsgesetzes geht es um die angemessene Finanzierung, Dotierung der Stelle der Schulleitung am Gymnasium für Hochbegabte in Schwäbisch Gmünd. Die Nachfrage nach dieser neuen Einrichtung zeigt, dass wir den Bedarf gesehen und hierauf angemessen reagiert haben. Das Gymnasium für Hochbegabte in Schwäbisch Gmünd ist bereits derzeit ein Erfolg. Es wird sicherlich unbestritten sein, dass die Schulleitung dieser besonderen Einrichtung unabhängig von der Größe der Einrichtung

(Staatssekretär Rau)

so besoldet werden muss wie die Schulleitungen anderer Gymnasien.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Ich möchte ein paar Aussagen zur Veränderung der Schulstatistik treffen. Schulstatistik muss verlässlich und in vielerlei Hinsicht aussagekräftig sein. Mit guten Datengrundlagen können wir sicher steuern. Es kommt alles darauf an, dass die verantwortlichen Stellen über die notwendigen Informationen verfügen. Das bisherige Verfahren der amtlichen Schulstatistik ist umständlich. Es verzichtet auf die Anwendung der Möglichkeiten moderner Technik. Es wird vom Computer auf Papier und vom Papier wieder auf Computer übertragen, weil wir das nicht anders regeln dürfen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Das ist ein Unsinn, das müssen wir dringend ändern.