Protocol of the Session on July 28, 2005

Ich will jetzt in der ersten Runde nicht auf Einzelmaßnahmen eingehen, insbesondere nicht auf solche, mit denen das Land über die Vorgaben des Terrorismusbekämpfungsgesetzes des Bundes hinausgeht, das auch wir – wenn auch, was die Einschränkung der Bürgerrechte angeht, mit Bauchschmerzen – aufgrund der terroristischen Bedrohung in Europa mitgetragen haben. Wir haben ja in der Zwischenzeit auch erlebt, dass diese Bedrohung in vielen Ländern ganz real ist.

Dass wir uns aber im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens über bestimmte Fragestellungen werden unterhalten müssen, erleben wir gerade dadurch, dass unser Rechtsstaat auch funktioniert. So hält das Bundesverfassungsgericht die Bürgerrechte gerade an den Stellen und in den Bereichen hoch, wo es zum Beispiel um zusätzliche Abhörmaßnahmen, um den großen Lauschangriff auf Wohnungen oder um das Abhören von Berufsgeheimnisträgern geht.

Ich erinnere an die gestrige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht hat klare Grenzen gezogen und gesagt: Präventive polizeiliche Ab

hörmaßnahmen sind in einem Rechtsstaat in der Form, wie es in dem Landesgesetz geregelt war, einfach nicht zulässig. Auch aus unserer Sicht sind sie nicht zulässig.

Insofern bewegen wir uns dort an der Grenze dessen, was der Rechtsstaat als Verteidigungsmöglichkeiten gegen terroristische Angriffe bietet. Prophylaktische Maßnahmen – Herr Kollege Hofer, Herr Kollege Braun, alle Kollegen haben das angesprochen –: Wir müssen im Vorfeld arbeiten.

Da darf ich doch an einen Fakt erinnern: Es war eine ganz richtige politische Entscheidung, dass sich die Bundesrepublik Deutschland an dem unsäglichen Krieg im Irak nicht beteiligt hat.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Auch dies war meines Erachtens ein klarer Beitrag dazu, dass wir von diesen terroristischen Bedrohungen jedenfalls nicht in dem Maße betroffen sind wie die Länder, die sich an dem Krieg beteiligt haben. Meine Damen und Herren, wir sehen es jetzt in der Praxis: Dieser Krieg wird mit Gewalt nicht zu gewinnen sein. Wir müssen die friedensstiftenden Maßnahmen mit den Muslimen in dieser Welt in den Vordergrund stellen. Das geht nicht mit Waffen, sondern nur mit dem Kopf. Das geht nur mit Austausch und Völkerverständigung. Insofern sind solche prophylaktischen Maßnahmen, die wir zu ergreifen haben, nicht zu vergessen.

(Beifall bei den Grünen)

Ich will in der verbleibenden Zeit noch zwei Punkte benennen, auf die der Herr Innenminister bisher eine Antwort schuldig geblieben ist.

Es gibt eine Verfassungsgerichtsentscheidung – und ich muss sagen, das hat mich sehr gefreut –, die bezüglich des großen Lauschangriffs in der Intensität, wie er in der Gesetzgebung umgesetzt worden war – auch gegen den Widerstand der Grünen-Fraktion im Bundestag und natürlich auch hier –, besagt, dass dort andere Mechanismen im Sinne der Verhältnismäßigkeit eingezogen werden müssen.

Seit 1. Juli dieses Jahres gibt es ein neues Gesetz. In dem Gesetzesvorhaben, das jetzt hier auf dem Tisch des Hauses liegt, führen Sie aus, man habe diesen Punkt zurückgestellt, um abzuwarten, bis entschieden wird, was auf Bundesebene passiert. Meine Frage lautet einfach – das können wir dann gerne auch im Ausschuss diskutieren –,

(Abg. Hofer FDP/DVP: Wie man das einbauen soll!)

wie das Land gedenkt, diese Regularien der Wohnraumüberwachung gegebenenfalls im Landesrecht und auch in dieses Verfassungsschutzgesetz aufzunehmen.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- zeigt.)

Wir müssen einfach sehen, dass es mehrere Möglichkeiten zum Abhören von Wohnungen gibt – ich komme bald zum Ende, Frau Präsidentin –, nicht nur auf der Grundlage des Verfassungsschutzgesetzes, sondern auch auf der Grundlage des Polizeigesetzes und der Strafprozessordnung. Des

wegen schon jetzt die Frage und den Appell an den Innenminister, hier darzutun, wann er gedenkt, mit dem Gesetz auch in Baden-Württemberg Praxis zu üben.

Ein Letztes – zwei Gedanken muss ich noch äußern, Frau Präsidentin, bei allem Leuchten der Lampe.

(Heiterkeit der Abg. Carla Bregenzer SPD – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Zwei! – Abg. Blenke CDU: Gibt es nicht eine Hupe für besonders Hart- näckige?)

Erstens: Auch wir werden im Kern die Umsetzung dessen, was der Bund vorschlägt und auch in sein Gesetzesvorhaben eingegossen hat, was die Sicherheit anbelangt, mittragen. Über die Fragen, bei denen Sie darüber hinausgehen – die Speicherung von Daten von 14-Jährigen auf lange Jahre hinaus –, werden wir im Ausschuss diskutieren müssen.

Ein Weiteres, was ich schon jetzt für unsere Fraktion anregen möchte: Alle Gesetzesvorhaben, die Bürgerrechte einschränken, müssen nach der gestrigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dem Zitiergebot genügen. Deshalb sollte man den Gesetzentwurf auch hierauf einmal überprüfen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte fassen Sie sich kurz.

Und ein Letztes – und dann komme ich wirklich zum Schluss, Frau Präsidentin –:

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und der SPD – Abg. Blenke CDU: Er kann sich nicht tren- nen!)

Es wäre auch einmal daran zu denken, eine Befristung in das Gesetz aufzunehmen. Wenn wir sehen, dass die terroristische Bedrohung in dieser Form nicht mehr vorhanden ist, können wir einmal darüber nachdenken, ob wir solche einschränkenden, Bürgerrechte beschränkenden Gesetze noch brauchen.

(Abg. Blenke CDU: Glauben Sie, dass das einmal kommen wird?)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit – und für die Redezeitverlängerung.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Innenminister Rech.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Jetzt mögen die Auguren denken, was sie wollen, und mögen hineininterpretieren, was immer ihnen beliebt, aber das, was Herr Kollege Oelmayer eben vorgetragen hat, verstehe ich unter konstruktiv-kritischer parlamentarischer Auseinandersetzung.

(Beifall des Abg. Blenke CDU)

Deswegen bin ich gern bereit, in den Ausschüssen darauf einzugehen.

(Minister Rech)

Es sind hier auch konkrete Fragen gestellt worden, die ich, soweit ich das kann, jetzt beantworten möchte.

Herr Kollege Oelmayer, die Bundesrepublik ist Gott sei Dank nicht von Anschlägen betroffen, aber bedroht sind wir gleichwohl. Die Bedrohung hat zwischenzeitlich ein Ausmaß angenommen, das uns einfach wachsam auf allen Gebieten machen muss. Ich nenne nur ein Stichwort: Wenn Sie sich im Internet anschauen, was sich da abspielt, wenn Sie sich die Botschaften, soweit sie verifizierbar sind, einmal genau ansehen und analysieren, dann stellen Sie fest, dass wir zu den Kreuzfahrerstaaten gehören. Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass wir uns da etwa heraushalten könnten. Kreuzfahrerstaaten!

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Kreuzritter!)

Na ja, gut. Egal. Wir wissen, was gemeint ist, und diejenigen, die die Botschaften verbreiten, wissen es erst recht.

Eine Antwort auf Ihre Frage zur Verfassungsgerichtsentscheidung zum großen Lauschangriff: Die Verfassungsgerichtsentscheidung führt natürlich das ganze Instrumentarium der Wohnraumüberwachung ad absurdum. Wenn wir in dem Augenblick abschalten müssen, in dem die Privatsphäre berührt ist, heißt das – wir müssen natürlich live abhören, der Dolmetscher muss nebendran sitzen, damit wir diesem Gebot überhaupt entsprechen können –: Das ergibt keinen Sinn. Wir lassen es dann besser gleich bleiben.

Was jetzt vorgelegt wurde, nämlich der neue Entwurf vom 1. Juli dieses Jahres, betrifft ja nur den Bereich der Strafprozessordnung.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Genau!)

Es betrifft nicht den Bereich des Verfassungsschutzes. Deswegen müssen wir erst einmal abwarten, was auf diesem für uns wichtigen Gebiet passiert, bevor wir entscheiden können,

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das stimmt!)

was wir tun, welche Folgerungen wir daraus ziehen. Klar ist: Im Ergebnis muss ein Verfahren – Regularien haben Sie es genannt – auf den Tisch, das die Wohnraumüberwachung als Instrument überhaupt operabel macht.

Jetzt komme ich auch schon zu einem unerfreulicheren Aspekt. Herr Kollege Braun, ich komme nicht um ein klares Wort umhin. Sie rufen nach Integrationsmaßnahmen auf allen Ebenen und klagen uns an – ausgerechnet Baden-Württemberg! –, wir würden da zu wenig tun. Ich komme jetzt um das ernste Wort nicht herum. Haben Sie sich einmal mit den Ergebnissen aus London auseinander gesetzt? Sie brauchen überhaupt nicht in die Tiefe zu gehen. Sie brauchen sich nur einmal die erste Erkenntnis anzugucken, die da heißt: Es waren seit Jahren integrierte britische Staatsbürger, die diese Anschläge verübt haben.

(Abg. Blenke CDU: Genau! – Abg. Röhm CDU: So ist es!)

Da können Sie mir nicht damit kommen, dass mangelnde Integration die Ursache gewesen sei. Es sind teilweise briti

sche Staatsbürger, seit Jahren integrierte Muslime, die diesen Anschlägen unverhohlen Sympathie entgegenbringen.

Meine Damen und Herren, halten wir dies einmal strikt auseinander. Wir können Extremisten oder gar Terroristen nicht integrieren, und wir wollen dies auch nicht, sondern wir wollen das Gegenteil.

(Beifall bei der CDU – Abg. Blenke CDU: Das wollen wir auch nicht! – Abg. Braun SPD: Was soll denn der Unsinn? Sie müssen doch nicht einen Pappkameraden aufbauen!)

Sie können dieses Thema nicht aufziehen mit dem Vorwurf – das war Ihr Aufmacher –, wir täten für die Integration zu wenig. Das ist der bare Unsinn.