Wer im nationalen Vergleich auf Platz 3 zurückfällt, kann sich wahrlich nicht als Sieger fühlen. Es ist also ein gravierender Fehler, sich hier in Selbstgefälligkeit zu hüllen, wie Sie, Herr Wacker, dies gerade gemacht haben.
Geradezu beschämend – dazu haben Sie nichts gesagt; auch das ist bezeichnend – ist es, wenn in dieser Vorstudie festgestellt wird, dass in Baden-Württemberg die Mathematikleistungen der 15-Jährigen stärker als in allen anderen Ländern mit der sozialen Herkunft zusammenhängen. Die soziale Herkunft spielt bei uns eine so große Rolle wie in keinem anderen Land. Das halte ich für beschämend, meine Damen und Herren.
Dass sich in der Lesekompetenz nicht sehr viel getan hat, ist auch kein Ruhmesblatt. Nach wie vor können 20 % der 15-Jährigen in Baden-Württemberg nicht richtig lesen, sie haben beim Lesen enorme Schwierigkeiten. Sie verstehen das, was sie lesen, nicht. Das kann uns doch nicht befriedigen. Auch dazu haben Sie, Herr Wacker, nichts gesagt.
Ich behaupte nämlich: Unsere Kinder sind nicht dümmer als die finnischen oder die kanadischen Kinder,
sondern da stimmt irgendetwas nicht. Sie bekommen, meine Damen und Herren, weniger Förderung und werden in Systeme gepresst, die effektives Lernen verhindern. Dafür gibt es genügend qualifizierte Belege, das wird auch von Wissenschaftlern ausgeführt.
Eliteförderung – das räume ich ein – steht bei Ihnen an oberster Stelle, auch bei der Ministerin; aber Sie vernachlässigen die schwächeren Schüler und insbesondere die Hauptschule.
(Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD: Genau! – Abg. Wacker CDU: Sie machen eine Wahlkam- pagne!)
In Finnland gibt es zwei wichtige Grundsätze: Kein Schüler darf zurückgelassen werden, und kein Schüler darf beschämt werden. Das sind zwei wichtige Grundsätze. Wer aber Fördermaßnahmen im Hauptschulbereich streicht, handelt unverantwortlich,
Ich will Ihnen auch ein aktuelles Beispiel nennen. Sie wissen, dass ich als Kooperationslehrer an einer Hauptschule tätig bin, an einer so genannten Brennpunktschule. An dieser Schule haben von 90 Schülern der Hauptschule gerade einmal vier eine Lehrstelle bekommen.
Die anderen gehen ins BVJ. Innerhalb von fünf Jahren hat sich die Zahl der Schüler im BVJ rasant gesteigert. In den letzten fünf Jahren sind 60 000 Jugendliche ins BVJ gegangen, und die eigenen Aussagen Ihres Ministeriums besagen, dass von diesen BVJ-Schülern gerade einmal 15 % eine entsprechende Ausbildungsstelle bekommen.
(Abg. Wintruff SPD: Das ist die Wahrheit! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Seien wir doch froh, dass wir das BVJ haben!)
Auch dieses halte ich für nicht hinnehmbar. Es ist ein Skandal, wie man hier mit jungen Menschen umgeht.
Ich sage noch einmal: Ihre Leidenschaft gilt der Elite, aber nicht den Schwachen: denen wollen Sie sogar noch die Lernmittelfreiheit nehmen. Das ist das, was Sie vorhaben.
Im Ganztagsschulbereich haben Sie sich aus ideologischen Gründen verrannt. Wir haben gestern darüber debattiert. Sie stützen sich nach wie vor auf die Brennpunktschulen, und Frau Schavan sagt ja auch zum IZBB-Programm, es sei ein Programm für den Bau von Suppenküchen. Und sie ist nicht einmal bereit, das notwendige Personal für Ganztagsschulen zur Verfügung zu stellen. Das ist ihre Aufgabe, nicht die Aufgabe des Bundes.
Auch hier haben Sie versagt. Sie verbieten sogar Schulen, an dem Bundeskongress in Berlin teilzunehmen, sich zu präsentieren. Sie verbieten dies.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das haben wir doch gestern schon debattiert! – Abg. Seimetz CDU: Das haben wir doch gestern gehört! Zeller ist uneinsichtig!)
Das nenne ich einen Maulkorb, meine Damen und Herren. Sie begründen dies mit dem Föderalismus. Gleichzeitig fordern Sie aber neue Mittel, weil die Gelder für Baden-Württemberg nicht ausgereicht haben. Sie fordern auf der einen Seite neue Mittel vom Bund, und auf der anderen Seite wollen Sie mit dem Bund nichts zu tun haben. Entscheiden Sie, auf welchen Weg Sie sich machen wollen.
Ich komme gleich zum Schluss, will Ihnen dies aber noch aus der Presseerklärung des Landeselternbeirats zitieren:
Mit Unverständnis reagiert der Vorstand des Landeselternbeirats auf die Ankündigung von Kultusministerin Annette Schavan, den im September vom Bundesbildungsministerium geplanten Ganztagsschulkongress in Berlin zu boykottieren.
Die vielen Anträge auf Zuschüsse aus dem Bundesförderprogramm IZBB hätten deutlich gezeigt, wie groß die Nachfrage nach Ganztagsschulen auch in BadenWürttemberg sei.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Schmiedel SPD: Volkes Stimme war das! – Gegenruf des Abg. Döpper CDU: Aber schwach!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Zeller, wenn ich gleich zu dem kommen darf, was Sie am Schluss angesprochen haben und was wir gestern beraten haben – Thema Ganztagsschulen –: Wenn Sie sagen, auch heute noch würde ein Antrag auf Einrichtung einer Ganztagsschule nur brennpunktorientiert genehmigt werden, dann frage ich Sie: Ist das Gymnasium am Rosenberg in Oberndorf ein Brennpunktgymnasium? Ist das Gymnasium in Schramberg – da gibt es auch nur eines – eine Brennpunktschule?
Ich kann also diesen Zusammenhang in diesem Punkt gar nicht erkennen. Das nur noch zum Thema Ganztagsschulen.
(Abg. Marianne Wonnay SPD: Es geht um Depu- tatszuweisungen! – Abg. Schmiedel SPD: Der Zug steht und steht! – Weitere Zurufe von der SPD, u. a. des Abg. Wintruff – Heiterkeit)