Protocol of the Session on June 29, 2005

Ziel des Entwurfs ist, das Mindestalter für das aktive Wahlrecht bei Landtagswahlen und Kommunalwahlen von 18 auf 16 Jahre zu senken. Ich kann dem schon deshalb nicht zustimmen, weil darin ein offensichtlicher Wertungswiderspruch enthalten ist.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Es lässt sich nicht begründen, weshalb ein Jugendlicher mit 16 Jahren das aktive Wahlrecht haben soll, die Volljährigkeit und damit die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit aber erst mit 18 Jahren eintritt.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Es wäre in der Tat widersprüchlich, wenn man Jugendlichen einerseits die Möglichkeit einräumen würde, durch die Teilnahme an Wahlen über die grundsätzlichen politischen Entwicklungen auf Landes- und kommunaler Ebene zu entscheiden, es ihnen aber andererseits mangels Volljährigkeit verwehrt wäre, über ihre eigenen Belange ohne Zustimmung der Eltern zu bestimmen.

An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, meine Damen und Herren Kollegen, dass die Absenkung des Wahlalters von 21 auf 18 Jahre in den Siebzigerjahren in engem Zu

sammenhang mit der entsprechenden Absenkung des Volljährigkeitsalters erfolgte.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es, ja!)

Damals hat man den Zusammenhang zwischen Volljährigkeit und Wahlalter klar erkannt und auch zutreffend definiert. Dieser Zusammenhang muss bestehen bleiben.

(Beifall der Abg. Herrmann CDU und Kleinmann FDP/DVP)

Ich halte es vor allem auch für ein falsches politisches Signal, das Mindestwahlalter bei Landtags- und Kommunalwahlen auf 16 Jahre zu senken, während das Mindestalter bei Bundestagswahlen aber weiterhin bei 18 Jahren liegt. Auf diese Weise würde man das Signal vermitteln,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Unterschiedliche Wah- len!)

dass es sich bei Landtags- und Kommunalwahlen etwa um Wahlen zweiter Klasse handle,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig! – Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

bei denen dann ruhig schon die 16- und 17-jährigen Jugendlichen mitwählen dürfen, wogegen bei Bundestagswahlen die politische Mündigkeit erst mit 18 Jahren beginnt. Ich glaube, dass wir einer solchen Entwertung der Landtagsund Kommunalwahlen nicht noch Vorschub leisten sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Gall SPD: Das ist doch eine fadenscheinige Argumentation!)

Verschiedene Bundesländer, meine Damen und Herren Kollegen, haben das Mindestalter für eine Beteiligung an Kommunalwahlen auf 16 Jahre reduziert. Nach meinem Eindruck haben sich die damit verknüpften Erwartungen nicht erfüllt. In Hessen zum Beispiel wurde die Absenkung des Wahlalters sogar wieder rückgängig gemacht.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Es wäre nicht gut, wenn man durch die tatsächlichen Entwicklungen dazu gezwungen würde, diese Geschichte wieder rückgängig zu machen. Aus der Sicht Hessens hat sich die Herabsetzung des Wahlalters nicht bewährt.

Im Übrigen will ich darauf hinweisen, dass die SPD-Fraktion ihrem eigenen Antrag und dem Anliegen nicht ohne Skepsis gegenübersteht. Laut Gesetzentwurf soll nämlich für das passive Wahlrecht das bisherige Mindestalter von 18 Jahren beibehalten werden. Im Gesetzentwurf findet sich für die Differenzierung des Mindestalters beim aktiven und passiven Wahlrecht keinerlei Begründung: kein Wort, weshalb man zwischen aktivem und passivem Wahlrecht differenziert. Da herrscht, wie ich finde, beredtes Schweigen.

Gegen eine solche Differenzierung spricht auch, dass man sie den 16- und 17-jährigen Jugendlichen kaum vermitteln kann. Wie will man den Jugendlichen verständlich machen, dass sie ihre Stimme selbstverantwortlich abgeben können, dass sie aber andererseits nicht für fähig gehalten werden,

(Minister Rech)

sich dann etwa in einen Gemeinderat oder Kreistag wählen zu lassen?

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig! – Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Das Ziel, die politische Beteiligung von Jugendlichen zu stärken, könnte mit einer solchen Zweiteilung schlichtweg ins Gegenteil verkehrt werden.

Insgesamt hat sich – man kann sagen, eigentlich seit Jahrzehnten – das Mindestwahlalter von 18 Jahren in der Praxis bewährt. Daran sollte nichts geändert werden.

(Beifall der Abg. Kleinmann und Beate Fauser FDP/DVP)

Dass dies richtig ist, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, meine Damen und Herren – darauf darf ich hinweisen –, dass im Innenausschuss des Deutschen Bundestags 1999 eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Abgelehnt wurde!)

auch mit den Stimmen der SPD und den Stimmen vom Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt wurde. Damals haben diese beiden Fraktionen zwar noch Erfahrungen in den Ländern sammeln und abwarten wollen. Allerdings haben die bisherigen Erfahrungen mit einem abgesenkten Mindestwahlalter gezeigt, dass die Erwartungen letztlich nicht erfüllt werden und man stattdessen erhebliche Wertungswidersprüche und Nachteile in Kauf nehmen muss.

(Abg. Zeller SPD: Das ist Ihre Interpretation!)

Ich halte eine solide politische Bildung und Erziehung der Jugendlichen hin zum Interesse am Gemeinwesen für weitaus wichtiger.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Deshalb halten wir es für richtig und sinnvoll und für besser, Jugendliche durch die Einrichtung von Jugendgemeinderäten dort, wo sie Sinn machen und wo der Beteiligungswille vorhanden ist, durch Jugendforen, Zukunftswerkstätten und vieles andere mehr auf örtlicher Ebene zu beteiligen.

Allerdings halte ich es – das will ich auch sagen – für zu weitgehend, wenn, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, die Einrichtung eines Jugendgemeinderats oder einer anderen Jugendvertretung in Gemeinderäten verbindlich vorgeschrieben wird. Es führt meines Erachtens zu weit, ein verbindlich vorgegebenes Rede-, Vorschlags- und Anhörungsrecht für Mitglieder der Jugendvertretungen in den Sitzungen des Gemeinderats zu verankern.

Die Einrichtung einer Jugendvertretung sollte im Hinblick auf die hohe Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung – dies wurde angesprochen – und wegen der völlig unterschiedlichen Konstellationen in den einzelnen Gemeinden auch künftig im Ermessen der jeweiligen Gemeinde stehen. Jeder Gemeinderat soll meiner Meinung nach auch weiterhin eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls in welcher Form er eine Jugendvertretung einrichtet oder ob er die Jugendlichen in ganz anderer Weise

am politischen Geschehen der Gemeinde beteiligt. Es soll dem Gemeinderat überlassen bleiben, die Einzelheiten angepasst an die jeweilige örtliche Situation und die entsprechenden Bedürfnisse selbst auszugestalten. Detaillierte Vorgaben, meine Damen und Herren, werden weder den Jugendlichen noch den Gemeinden wirklich gerecht.

In der ersten Lesung hat Herr Kollege Staatssekretär Rau auf die Erfahrungen aus dem Modellprojekt „Gelingende Beteiligung vor Ort“ hingewiesen. In ausgewählten Gemeinden wurden Bausteine für eine gelingende Beteiligung entwickelt und erprobt. Dort hat sich im Ergebnis gezeigt, dass man Jugendliche besonders dann zur Mitwirkung motivieren kann, wenn sie durch kompetente Erwachsene begleitet werden und wenn ihre Vorschläge dann auch Berücksichtigung finden.

Dabei muss natürlich – auch das ist jugendtypisch – der zeitliche Aufwand überschaubar bleiben. Ebenso müssen am Ende eines Projekts Erfolge sichtbar werden. Dies und nichts anderes ist Motivation von Jugendlichen. Lang anhaltende zeitliche Verpflichtungen sind von Jugendlichen ja auch sehr viel schwerer zu erfüllen als von Erwachsenen. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung über die Art und Weise der Mitwirkung bei den Gemeinden selbst am besten aufgehoben.

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Rau hat in der ersten Lesung richtigerweise gesagt: „Wahlen sind nicht der Renner.“ Dem kann ich nur zustimmen. Die Jugendlichen müssen für die Demokratie und für die Wahlbeteiligung gewonnen werden; dies muss jedoch durch attraktive Formen der Mitwirkung geschehen. Wenn Sie sich da einmal informieren wollen, kann ich Ihnen nur empfehlen, engen Kontakt mit der Landeszentrale für politische Bildung zu halten,

(Heiterkeit des Abg. Schebesta CDU)

die schon ein ganzes Bündel hoch attraktiver Projekte für Jugendliche erarbeitet und erprobt hat. Dort sollten wir uns beraten lassen, und dort sollten wir uns Anregungen holen.

(Glocke des Präsidenten)

Da werden zeitgemäße Formen – –

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zeller?

Gerne, Herr Kollege Zeller.

Herr Kollege Rech, ich teile Ihre Auffassung bezüglich der Landeszentrale für politische Bildung und frage Sie deshalb: Sind Sie bereit, auch die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit die Landeszentrale für politische Bildung genau die Punkte, die Sie eben beschrieben haben, auch erfüllen kann?

Die Landeszentrale für politische Bildung erfüllt ihre Aufgabe seit Jahren und Jahrzehnten in vorbildlicher Weise.

(Abg. Zeller SPD: Ständig wird gekürzt!)

Deswegen hat sie Vorbildcharakter weit über unser Land und weit über die Bundesrepublik Deutschland hinaus.

(Minister Rech)