Erstens haben Sie und ich uns immer für die Tarifhoheit der Vertragspartner eingesetzt. Einem Eingriff des Gesetzgebers stimmen im Übrigen auch Teile der Gewerkschaften nicht zu. Da sind wir also in guter Gesellschaft.
Wenn man Vergleiche mit anderen Ländern anstellt, in denen gesetzliche Mindestlöhne festgesetzt sind, werden Äpfel mit Birnen verglichen.
In diesen Ländern ist in aller Regel das steuerfinanzierte Grundsicherungssystem nicht oder nur sehr schwach ausgeprägt.
Genau in diese Richtung muss unser Denken gehen: Wir müssen für den Niedriglohnsektor mehr Flexibilität ermöglichen und dort, wo das Arbeitseinkommen zur Existenzsicherung nicht ausreicht,
zum Beispiel über Kombilohnmodelle die Existenzsicherung ermöglichen. Trotzdem müssen wir einen Niedriglohnsektor im Dienstleistungsbereich zulassen; denn für solche Dienstleistungen gibt es keine Nachfrage, wenn Sie sie so verteuern, dass sie sich schlicht und einfach niemand leisten kann.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Zeller SPD: Das war eine Zahnarztrede! – Zuruf der Abg. Ruth We- ckenmann SPD)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ja schon gespenstisch, wie hier über das so wichtige Thema „Druck auf den Arbeitsmarkt in Deutschland“ diskutiert wird.
Und ich möchte die Frage stellen: Wofür steht denn jetzt eigentlich die Union? In der „Frankfurter Allgemeinen“ vom 8. April heißt es:
Stoiber erklärte bei einem Besuch in Brüssel, dass man sich „ernsthaft über einen gesetzlichen Mindestlohn Gedanken machen muss“.
Jetzt kommt die CDU: In der „Bild am Sonntag“ vom 17. April sagte der heutige Ministerpräsident Oettinger:
Wir alle haben den Druck unterschätzt, der sich durch die EU-Osterweiterung ergibt. Deshalb sind Mindestlöhne auf Zeit in bestimmten Branchen nicht völlig abwegig.
(Abg. Schmiedel SPD: Aha! – Abg. Drexler SPD: Also, Herr Lasotta! Bild-Zeitung lesen! – Abg. Zimmermann CDU: Aber das ist doch nicht das Problem! – Weitere Zurufe von der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)
(Abg. Zimmermann CDU: Das ist das Problem! – Abg. Dr. Lasotta CDU: Weil das in dem Antrag der SPD drinsteht!)
Darin steht, dass Sie dafür plädieren, man solle eine Ausweitung des Entsendegesetzes im Bundestag ablehnen.
Laut „Stuttgarter Zeitung“ vom 12. April heißt es hierzu von der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel: Sie „bekräftigte ihre Bereitschaft, das in der Bauwirtschaft geltende Entsendegesetz auf andere Branchen zu übertragen,“
(Abg. Drexler SPD: Mein Gott! – Abg. Schmiedel SPD: Was für ein Durcheinander! – Zuruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD)
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Drex- ler SPD zu den Regierungsfraktionen: Ihr seid doch völlig durcheinander! – Abg. Schmiedel SPD: So ein Chaos! – Abg. Drexler SPD: Ein Chaos in der Programmatik! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Da weiß ja die rechte Hand nicht, was die linke macht! – Abg. Schmiedel SPD: Jetzt, Herr Dr. Noll: Wie stehen Sie dazu? – Gegenruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)
Sie kündigen erst einmal Unterstützung an, Sie plädieren für Mindestlöhne, und dann, wenn es zum Schwur kommt, interessiert Sie das alles überhaupt nicht mehr. Ich kann nur sagen: Verlässliche Politik sieht anders aus.
Die CDU nimmt eine Blockadehaltung ein, will der Gesetzesänderung zur Ausweitung des Entsendegesetzes nicht zustimmen, sagt heute hü und morgen hott.
Da muss ich leider feststellen, Herr Kollege Noll, dass die FDP nicht einmal das Problem versteht, um das es geht.
(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Dann hören Sie das nächste Mal zu!)
Ich würde Ihnen raten: Lesen Sie einmal, was das Wirtschaftsministerium in der Stellungnahme zu diesem Antrag sagt. Das Wirtschaftsministerium behauptet doch tatsächlich,
dass der … Begriff des „Lohndumpings“ irreführend sei. Lohndumping wäre nur dann gegeben, wenn ausländische Arbeitskräfte in Deutschland zu Löhnen arbeiten,
In Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden, ist das wirklich nur zynisch. Herr Wirtschaftsminister, als Regierungsmitglied sind Sie für die Bürgerinnen und Bürger des ganzen Landes verantwortlich und nicht nur für Ihre Wählerklientel.
Die CDU ist sich also nicht einig. Sie weiß nicht, was sie will. Die FDP versteht das Problem nicht.
Und die Landesregierung ist sich auch nicht einig, weil nämlich der Sozialminister etwas ganz anderes sagt als der Wirtschaftsminister. Ich finde, Sie sollten sich jetzt langsam einmal entscheiden, wo es hier langgehen soll.
Nun zum Thema „Bekämpfung illegaler Beschäftigung“. In einzelnen Bereichen gibt es große Probleme; diese sind angesprochen worden. Dabei handelt es sich um illegale Scheinselbstständigkeit, um Schwarzarbeit.
Die Probleme im Fleischereigewerbe kann man hier nicht kleinreden. 67 000 Arbeitsplätze sind in einem Jahr abgebaut worden. Das ist ein Drittel. Da stellen Sie sich hier hin und erzählen uns etwas von Handwerksordnung. Das geht einfach völlig am Problem vorbei.
Die rot-grüne Bundesregierung hat reagiert; das hat der Kollege Schmiedel angesprochen. Die Zollfahndung und die Finanzkontrolle Schwarzarbeit sind personell aufgestockt worden. Erstmals seit 1975 gibt es einen Rückgang der Schwarzarbeit. Was macht die Landesregierung? Sie macht eine Verwaltungsreform. Sie schwächt den Wirtschaftskontrolldienst und die Gewerbeaufsicht und wird damit ihrer Verantwortung nicht mehr gerecht.