Protocol of the Session on June 2, 2005

Vor dem Hintergrund, dass rund zwei Drittel der Verbraucher Gentechnik bei der Nahrungsmittelproduktion ablehnen, kommt die Landesregierung nicht darum herum, zuzugestehen – und ich zitiere weiter aus dem wichtigen Agrarblatt „BW agrar“, Heft 7/2005 –,

dass Landwirte und Verbraucher ohne Bevormundung selbst entscheiden können, ob sie Gentechnik nutzen wollen oder nicht.

Das war ein Zitat von Frau Gurr-Hirsch.

Am Ende des Artikels heißt es,

langfristig müsse die Anwendung der grünen Gentechnik von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen werden.

Dabei ist dann immer wieder die Rede von Information, als wollte man die widerspenstigen Verbraucher in einem langfristigen Umerziehungsprozess an den Genuss gentechnisch erzeugter Produkte heranführen. Ich sage Ihnen aber: Damit werden Sie Schiffbruch erleiden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Denn diese Mehrheit von zwei Dritteln der Verbraucher hat einen feinen Instinkt dafür, was sie für tragbar hält und was nicht. Viele haben Angst vor dem Risiko bei der Bewahrung der Schöpfung; denn sie haben erkannt, dass hier Dinge gemacht werden, die die Natur selbst nie machen würde, dass das also naturfremde Produktionsmethoden sind. Sie fragen sich, wie das in Zukunft weitergehen soll. Sie be

fürchten ferner ein Risiko für die Artenvielfalt und haben gute Gründe dafür. Sie befürchten langfristig ein Risiko für die Gesundheit der Menschen, und sie sehen auch Risiken für die selbstständige Landwirtschaft in unserem Land, nämlich Risiken, dass die Landwirte immer abhängiger von der Agrochemieindustrie werden.

Das sind keine Spinner, wie manche vielleicht meinen mögen, sondern das ist ein breites Bündnis von Organisationen, von einer Stadt/Land-Partnerschaft im Evangelischen Bauernwerk über die Landfrauen in Baden-Württemberg – landesweit –, über die Verbraucherzentrale bis hin zum Verband des katholischen Landvolks Rottenburg-Stuttgart.

(Die Rednerin hält das Informationsblatt „Gentech- nikfreie Lebensmittel“ des Aktionsbündnisses gen- technikfreie Landwirtschaft in Baden-Württemberg hoch.)

Dieses Papier können Sie sich alle einmal zu Gemüte führen.

Also muss gelten, dass Verbraucher die Möglichkeit haben müssen, bei der Auswahl der Produkte zwischen den Produkten, die mit, und den Produkten, die ohne Zuhilfenahme von Gentechnik erzeugt und produziert wurden, zu unterscheiden. Information bedeutet hier wohlgemerkt nicht, von der Ungefährlichkeit der Produktion zu überzeugen, sondern Information bedeutet die Vermittlung harter Fakten.

Da sind selbst nach der neuesten Kennzeichnungsverordnung gravierende Lücken vorhanden, die sich aus der Logik des Verordnungsgebers ergeben haben. Zwar müssen Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, gekennzeichnet werden; aber nicht gekennzeichnet werden müssen Produkte mit GVO-veränderten Zusatzstoffen oder tierische Produkte, die mit gentechnisch veränderten Organismen, zum Beispiel mit entsprechenden Futtermitteln, hergestellt wurden. Selbst das HQZ – und auch darauf hat Herr Walter hingewiesen – hat nur eine fingierte Transparenz, weil nicht sichergestellt ist, dass bei der Erzeugung keine GVOs im Spiel waren.

Aus all dem folgt, dass es notwendig ist, eine Produktionslinie für absolut gentechnikfreie Nahrungsmittel in BadenWürttemberg aufzubauen und nachhaltig zu sichern. Es gilt also, gentechnikfreie Nahrungsmittel – von den Rohstoffen der Erzeugung bis zum Esstisch – sicherzustellen und durch den Staat zu fördern und zu unterstützen. Dies wird umso dringlicher, je mehr sich die grüne Gentechnik international durchsetzt. Das ist machbar. Es gibt in Baden-Württemberg Futtermittelerzeuger, die auf Gentechnik verzichten. Es gibt jede Menge Landwirte, die freiwillig darauf verzichten wollen. Es gibt auch die Möglichkeit, diese Produkte in der Industrie durchgängig gentechnikfrei zu erzeugen und als solche zu kennzeichnen. Auch die Landesregierung weist in ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag Drucksache 13/3980 darauf hin. Die Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung (NLV) ermöglicht es, den Produkten ein Label „ohne Gentechnik“ zu geben, wenn sie denn ganz bestimmte Kriterien erfüllen, nämlich in keiner Weise unter Zuhilfenahme von GVOs erzeugt werden. Dieses wäre der Weg.

Herr Minister, ich bin gespannt, wie Sie diesen Weg künftig sehen, in Baden-Württemberg einerseits das Vertrauen der Verbraucher sicherzustellen, andererseits den Landwirten eine Zukunftschance zu geben, abseits der Gentechnik zu produzieren. Dieses Land eignet sich für diesen Sonderweg, weil der Absatz dieser Produkte garantiert ist. Sie werden in Deutschland auch künftig für gentechnikfreie Produkte Absatz finden, und das ist die Chance für die baden-württembergische Landwirtschaft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kiefl.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die grüne Gentechnik erfährt zurzeit eine erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit, ohne dass wir uns dafür verkämpfen und dafür Heilsversprechen abgeben, lieber Herr Kollege Walter. Wir befinden uns inmitten einer Entwicklung, und das weiß auch die Bevölkerung.

Die Aufmerksamkeit ist aber auch deswegen so hoch,

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

weil die Bevölkerung auch weiß, dass die grüne Gentechnik neben der Mikrotechnologie und der Informationstechnik zu den Zukunftstechnologien des 21. Jahrhunderts zählt.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das glaubt doch kei- ner! Wer glaubt denn das? – Abg. Walter GRÜNE: Jetzt geht es schon wieder los!)

Daher geht es den Menschen darum, die Chancen und Risiken zu erkennen, um dann bewusst eigenständige Entscheidungen treffen zu können, ob sie Ja oder Nein sagen.

Unsere Aufgabe als Politiker ist es, die Interessen der Verbraucher, Landwirte und Lebensmittelproduzenten zu schützen. Aber die Grundlage für unsere Schutzaktionen müssen die wissenschaftlichen Erkenntnisse, Forschungsergebnisse und kritischen Prüfungen der Wissenschaft sein; denn es geht nicht um Ideologie, um ein Abwürgen der Forschung oder ein Abgeben von Heilsversprechen, sondern die wissenschaftlichen Ergebnisse müssen die Grundlage unserer Aktivitäten sein.

Die Menschen haben nicht Angst vor der Gentechnik. Das darf man nicht pauschalieren; darüber gibt es ziemlich genaue Erhebungen. Aber die Menschen müssen und wollen noch viel mehr darüber wissen; das zieht sich durch alle Äußerungen. Ich darf aus einer der letzten Umfragen zunächst in Bezug auf Europa und dann auf Deutschland zitieren: 24 % der Menschen in Europa sagen, sie seien wegen der grünen Gentechnologie verunsichert. Gleichzeitig sagen aber 45 %, sie wüssten zu wenig darüber und müssten mehr Informationen haben. In Deutschland ist mit etwa 30 % die Verunsicherung der Menschen höher. Über 50 % sagen aber, sie bräuchten mehr Informationen und wollten mehr wissen. Daher tun wir alle gut daran, uns diesen Fragestellungen unvoreingenommen zuzuwenden und aufgrund der Ergebnisse zu reagieren.

Beim Stand dieser Entwicklung bedeutet dies für unsere Politik in Baden-Württemberg Folgendes, um auf die vier Anträge einzugehen, die die Grundlage dieser Debatte sind:

Erstens: Lieber Kollege Walter, wir bejahen die Koexistenz, und wir werden alles tun, um sie zu ermöglichen.

(Abg. Walter GRÜNE: Na ja!)

Bis zur Stunde liegen keine ausreichenden Ergebnisse vor. Die Untersuchungen sind nicht abgeschlossen; das ist ganz klar.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: So ist es!)

Umso mehr müssen wir dranbleiben, um zu wissen, wie es funktioniert. Man müsste natürlich zwischen den einzelnen Kulturen differenzieren.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Sollen wir die Pollen anbinden, oder was?)

Sie wissen ganz genau, dass es eine Definition der „ordnungsgemäßen Landwirtschaft“ geben wird. Darin wird der Mais anders behandelt werden als die Kartoffel oder der Reis oder der Raps. Das wissen Sie genau. Man müsste dazu jetzt ins Detail gehen, aber das bringt uns in der jetzigen Debatte nicht weiter. Nur, die Erkenntnisse werden kommen.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Ja wie? Die Bienen programmieren, oder was?)

Wenn Sie die Forschung nicht abwürgen, dann kommen die Ergebnisse. Bis jetzt haben Sie aber immer versucht, die Forschung abzuwürgen, weil Sie im Grunde Angst vor den Forschungsergebnissen haben.

(Zuruf von den Grünen: Quatsch!)

Sie haben Angst, dass die Ergebnisse nicht gegen die Gentechnik gerichtet sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Selbstverständlich – ich sage dies, damit hier kein Missverständnis entsteht – ist es jedem überlassen, freiwillige Vereinbarungen zu treffen; das ist ganz klar.

(Zuruf der Abg. Birgit Kipfer SPD)

Das wird dann auch von uns mit der Beratung unterstützt. Ein freiwilliger Verzicht ist möglich. Das ist selbstverständlich, darauf muss man nicht extra hinweisen.

Zweitens: Wir setzen als Land das EU-Recht und das nationale Recht um – das ist auch selbstverständlich –, aber wir gehen keinesfalls darüber hinaus. Das heißt jetzt konkret – Herr Walter, dies haben Sie angesprochen –: Wir werden die Förderung nicht umstellen – diese Forderung wird in einem Antrag von Ihnen erhoben –, zum Beispiel die Investitionsförderung nicht davon abhängig machen, dass eine Verpflichtung eingegangen wird, auf GVOs zu verzichten. Auch die MEKA-Förderung werden wir nicht umstellen.

Drittens: Wir werden auch die Offizialberatung nicht anweisen, nur in einer Richtung zu beraten. Auch diese Forde

rung wird in einem Antrag erhoben. Da unterscheiden wir uns von Ihnen. Sie würden gerne nur in einer Richtung beraten, nämlich dahin gehend, in jedem Fall auf GVOs zu verzichten. Wir werden das nicht tun, wir werden keine solche Anweisung herausgeben. Die Offizialberatung muss vielmehr objektiv und sachlich im Hinblick auf die Entscheidungsfreiheit der möglichen Nutzer informieren.

Viertens: Selbstverständlich sind wir für eine strikte Pflicht zur Einhaltung der Kennzeichnungsverordnung, Frau Kipfer. Übrigens gilt jetzt das alte Gesetz. Kein Mensch glaubt, dass vor der Bundestagswahl neue Ergebnisse erzielt werden. Das Gesetz befindet sich ja derzeit im Vermittlungsausschuss. Wir müssen deshalb von der Basis des alten Gentechnikgesetzes ausgehen, das zurzeit noch gilt. Also ganz klar: Einhaltung der Kennzeichnungspflicht auf der Basis des Gesetzes.

Wir waren von Anfang an für die Wahlfreiheit. Sonst gäbe dies keinen Sinn, sonst wäre die Geschichte ja unlogisch.

Das heißt aber auch – darauf muss man hinweisen –, dass Fleisch und Fleischerzeugnisse von Tieren, bei deren Fütterung GVOs eingesetzt werden, nicht zu kennzeichnen sind. Auch dies wurde in einem Antrag angesprochen.

Jetzt muss man aber noch dazusagen, warum das so ist: Weil darin weder entsprechende DNAs noch Proteine festgestellt werden können. Das ist ja gerade der Knackpunkt der Geschichte. Sonst dürfte man das ja gar nicht machen. Das ist überhaupt der entscheidende Kern der Gentechnologie.

Frau Kipfer, weil dieses Thema in zwei Anträgen angesprochen wurde, kann ich sagen: Solange dem so ist, kann ich in diesen Fällen auch nicht vom HQZ ausschließen. Ich kann nicht sagen, dass ich in solchen Fällen das HQZ nicht zulassen werde.