Protocol of the Session on June 2, 2005

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, man muss zur Versachlichung der Debatte zunächst noch eine oder zwei Anmerkungen machen.

Herr Justizminister, wenn wir über das Thema Kontenabfragen diskutieren, dann diskutieren wir über das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit. In diesem Gesetz ist zunächst die Steueramnestie für all diejenigen Menschen geregelt, die bis zum 31. März dieses Jahres Geld nicht versteuert hatten. Diese Amnestieregelung ist zum 31. März ausgelaufen.

Genau aus diesem Grund – und das haben Sie bisher mit keinem Wort erwähnt – besteht seit dem 1. April dieses Jahres die Möglichkeit der Kontoabfrage, weil ganz einfach die Kontrollmöglichkeit bestehen muss, ob als Voraussetzung für die Steueramnestie die Legalisierung des Geldes und die Versteuerung des Geldes umgesetzt worden sind. Deswegen ist es eine logische Konsequenz, dass die Einräumung der Möglichkeit der Kontoabfrage jetzt im Anschluss daran erfolgt ist. Das ist e i n Gesetzesguss. Dem hat Ihre Fraktion in namentlicher Abstimmung im Bundestag zugestimmt. Deswegen ist das Bild, das Sie hier abgeben, verheerend und katastrophal. Als Justizminister des Landes schaden Sie damit, glaube ich, nicht nur sich selbst, sondern auch dem Amt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ein weiterer Punkt, den ich noch erläutern möchte – er wurde auch schon kurz in der Debatte angesprochen – ist das Thema Anwendungserlass. Im März dieses Jahres wurde vom Bundesministerium der Finanzen ein Anwendungserlass veröffentlicht, der im Übrigen all die Bedenken aufgreift und ausräumt, die im Vorfeld zu dem Thema Kontoabfrage vorgetragen worden sind. Er gewährleistet erstens die Subsidiarität dieser Kontoabfragen. Es ist selbstverständlich, dass die Steuerpflichtigen zuerst gefragt werden, ob und inwieweit sie zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen wollen. Erst dann, wenn dieser Beitrag nicht oder nicht umfassend erfolgt, ist es möglich, eine Kontoabfrage durchzuführen. Der Herr Finanzminister hat das Notwendige zur Kontoabfrage gesagt. Es ist ein Mensch pro Finanzamt dafür zuständig. Das ist datenschutzrechtlich auch richtig und erforderlich.

Deswegen kann ich Ihren Einwand überhaupt nicht verstehen, das sei sozusagen eine Aushöhlung des Rechtsstaats. Im Gegenteil, wir wollen mit diesen Kontoabfragen den Steuerbetrügern und Sozialbetrügern auf die Spur kommen. Das ist Intention des Gesetzes.

(Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)

Es tut gut, dass es ein solches Gesetz gibt und dass die Möglichkeit der Kontoabfrage seit dem 1. April besteht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Theu- rer FDP/DVP: Das funktioniert ja gar nicht!)

Ein weiterer Punkt, der in diesem Anwendungserlass geregelt wird, ist, dass eine Abfrage nur zielgerichtet und nur bezogen auf einzelne Personen und nicht pauschal, schon gar nicht tausenderweise,

(Abg. Birzele SPD: Und nicht aus persönlichem In- teresse! – Abg. Theurer FDP/DVP: So harmlos ist das aber nicht!)

wie Sie das tatsächlich behauptet haben – in verschiedenen Presseveröffentlichungen war das jedenfalls so dargestellt –, erfolgt.

Wenn Sie hier sich als Sprecher des Bundesverbands der Banken gerieren und sich auf deren Angaben beziehen, Herr Justizminister, dann wäre es Ihnen doch ein Leichtes gewesen, bei Ihrem Kollegen Finanzminister anzufragen, wie viele Abfragen vorgenommen werden. Auch das ist eine Nachlässigkeit, die eines Ministers eigentlich nicht würdig ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Somit fragen wir uns: Warum geht ein Landesjustizminister bar der Rechtskenntnis, die er eigentlich haben müsste, so vor? Die Zwischenfrage von Gustav-Adolf Haas wurde zu Recht gestellt. Warum macht der das?

(Abg. Theurer FDP/DVP: Bleiben Sie mal bei der Wahrheit!)

Ich versuche einmal, eine kleine Eruierung zu machen. Erstens: Er geriert sich so, seit er Spitzenkandidat der FDP/ DVP für die Landtagswahl ist.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Vielleicht lassen sich das Amt des Landesjustizministers und die Position des Spitzenkandidaten nicht vereinbaren, Herr Minister.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Theu- rer FDP/DVP: Das ist doch reine Polemik!)

Vielleicht sollten Sie sich überlegen, Ihre Position als Spitzenkandidat oder Ihr Amt als Justizminister niederzulegen, um weiteren Schaden von diesem Amt abzuwenden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Theu- rer FDP/DVP: Das ist doch reine Polemik, was Sie hier sagen! – Zuruf des Abg. Blenke CDU)

Sie wollen sich jetzt als Retter des Bankgeheimnisses aufspielen. Auch hier – das kommt ja nicht so oft vor – kann ich den Finanzminister des Landes nur unterstützen:

(Abg. Birzele SPD: Sehr richtig! – Beifall des Abg. Birzele SPD)

Die Möglichkeiten der Recherche für die Finanzämter, bezogen auf Banken, sind schon jetzt in der Abgabenordnung geregelt.

(Abg. Drexler SPD: Nichts Neues! – Abg. Theurer FDP/DVP: Früher war das auch ausreichend!)

Deshalb bringt die Kontoabfrage im Prinzip nur eine kleine Einschränkung des Bankgeheimnisses mit sich. Insofern kann ich das, was Sie hier vortragen, auch aus Rechtsgründen nicht verstehen.

Zu guter Letzt: Das Bundesverfassungsgericht hat über die Frage entschieden und der Bevölkerung kundgetan, dass das, was die Bundesregierung, unterstützt von allen Fraktionen im Bundestag mit Ausnahme der zwei PDS-Abgeordneten, beschlossen hat, rechtmäßig ist. Dass Sie da offensichtlich gar nicht aufgepasst oder nicht zugehört oder nicht richtig recherchiert haben,

(Abg. Haller SPD: Oder es nicht verstanden ha- ben!)

kann nicht zulasten der Rechtskultur in diesem Land gehen.

Deswegen kann ich nur sagen: Herr Minister, hören Sie auf mit dieser Polemisierung in dieser Frage und in anderen Fragen! Das schadet der Justiz im Land und dem Amt des Landesjustizministers.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

(Abg. Birzele SPD: Jetzt sind wir gespannt!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde auch, wir sollten versuchen, mit Begriffen, die hier genannt worden sind, sachlich umzugehen. Herr Drexler hat mich massiv angegangen und davon gesprochen, wir hätten über Terrorismus geredet.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das habt ihr nun mal!)

Zu Recht haben wir über Terrorismus geredet. Wenn Sie dem Justizminister einmal zugehört hätten, dann hätten Sie vernommen,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wir haben ihm ge- nau zugehört!)

dass er gesagt hat: Anlässlich des 11. September 2001 hat man diese sensible Datei zur Terrorismusbekämpfung herangezogen. Dazu stehen wir.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Aber jetzt kommt doch der entscheidende Punkt. Dann muss ich doch aufpassen. Immer, wenn es einerseits um Sicherheit

(Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

vor Verbrechen und andererseits um Sicherheit vor dem Staat geht, muss ich sensibel aufpassen, wo sich Maßnahmen, die zu Recht gegen Terrorismus ergriffen worden sind, plötzlich schleichend

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

gegen die Bürgerrechte auswirken.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zurufe von der SPD)

Deswegen bin ich stolz darauf, dass sich unser künftiger Spitzenkandidat und Justizminister dieses Landes in einer so sensiblen Frage der Bürgerrechte,

(Abg. Drexler SPD: Jetzt hören Sie doch auf!)

die jeden hier in diesem Land betreffen, so klar und eindeutig zu Wort gemeldet hat. Ich möchte fast sagen: Dass die FDP/DVP hier heute ein bisschen stärker unter Beschuss gekommen ist,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Zu Recht!)

macht mich beinahe ein wenig stolz. Denn ich fand es ursprünglich einmal beschämend, dass es der ehemalige Direktor einer kleinen Volksbank war, der als Erster gesagt hat: „Da mache ich eine Verfassungsklage“, bevor die Politik überhaupt, auch die FDP/DVP,