Protocol of the Session on June 1, 2005

Ich mache Ihnen das an zwei Beispielen deutlich, nämlich am Orientierungsplan für frühkindliche Bildung und Erziehung und an der Sprachförderung.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Sie wissen, wir sind mit Hamburg, Hessen und Sachsen unter den letzten vier Bundesländern, die noch keinen Orientierungsplan vorgelegt haben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Alle CDU-regiert! Kein Wunder!)

Im Mai sollte er endlich kommen, und ich frage Sie, Frau Schavan und Herr Renner: Wo ist denn nun dieser Orientierungsplan?

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Zwischen den Mi- nisterien verloren gegangen!)

Wir sind da hinten dran. Aber was machen Sie? Der Implementierungsprozess soll jetzt über fünf Jahre hingezogen werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein solches Dahinschleichen in dieser wesentlichen Bildungsfrage können wir uns schlichtweg nicht leisten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Ursula Haußmann SPD: Und die Frau Scha- van geht nun lieber nach Berlin!)

Bei der Implementierung war angekündigt, dass sich das Land mit 50 % beteiligen werde. Das war eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür, Partner auf diesem Reformweg zu gewinnen. Nun aber sagt die Landesregierung: Die Träger sollen sich um die 40 000 Erzieherinnen kümmern, und wir als Land kümmern uns um die 80 Kooperationsbeauftragten.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das machen wir ja sowieso schon!)

So sieht eine partnerschaftliche Aufgabenwahrnehmung wahrhaftig nicht aus.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Der zweite Bereich ist die Sprachförderung. Sie haben sich ja, nachdem Sie bei den Haushaltsberatungen unseren Antrag auf ein umfassendes Sprachförderkonzept noch abgelehnt hatten, nun endlich dazu aufgerafft – viel zu langsam und viel zu spät –, zumindest den Teil, der die ehrenamtlichen Sprachhelferinnen und Sprachhelfer betrifft, umzusetzen. Aber, meine Damen und Herren, eines geht nicht, auch wenn es beim Ministerpräsidenten, wenn man sich seine Aussagen zur Ganztagsschule anschaut, offenbar schon System hat. Es geht nicht an, zu sagen: „Wir setzen auf das Ehrenamt“ – das ist okay; das teilen wir auch –, dann aber nur auf dem ehrenamtlichen Sektor etwas zu machen und gleichzeitig im wichtigen Bereich der Hauptamtlichen, nämlich bei der Fortbildung der Erzieherinnen und Erzieher, zu kneifen. Das kann nicht sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das tun wir doch nicht! Sowohl als auch!)

Nein, Sie tun es bisher nicht, Herr Kollege Noll. Es wäre ja schön, wenn Sie es täten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte zu dem, was notwendig wäre, die beiden Geschäftsführer der konfessionellen Trägerverbände für Kindertageseinrichtungen in Württemberg zitieren. Sie sagen, das Konzept Günther Oettingers zum „Schulreifen Kind“ sei eine abgespeckte Version zum Kindergartenpflichtjahr, indem einseitig nur die Kinder im letzten Kindergartenjahr gefördert würden. Weiter äußern sie:

Statt immer neuer Einzelmaßnahmen von der soeben noch beschlossenen ehrenamtlichen Sprachförderung bis zur besonderen Förderung von Kindern vor der Einschulung brauchen wir endlich ein Gesamtkonzept, das pädagogisch und strukturell allen Kindergartenkindern und den Familien gleichermaßen zugute kommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist die Messlatte. Bisher reißen Sie diese gewaltig.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Klenk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Wonnay, Sie tun gerade so, als ob in Baden-Württemberg erst jetzt eine Zeit anbrechen würde, die Sie schon lange fordern.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: So ist es! Genau so ist es!)

Deswegen sind wir Ihnen für Ihre Anfrage auch dankbar. Insbesondere hinsichtlich der aktuellen Entwicklung zeigt die Antwort zu dieser Großen Anfrage, dass die Landesregierung selbst in Zeiten leerer Kassen zu ihren Aussagen für ein kinderfreundliches Baden-Württemberg steht

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Sie müssen auch et- was tun!)

und dass man sich in diesem Land auch in finanziell schwierigen Zeiten auf die Politik verlassen kann.

Nehmen wir im Gegensatz dazu doch nur einmal das Tagesbetreuungsausbaugesetz der Bundesregierung. Die jährlichen Belastungen in Höhe von 1,5 Milliarden € sollen durch Entlastungen bei Harz IV kompensiert werden. Meine Damen und Herren, das ist illusorisch,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Heiße Luft!)

da die Entlastung in der Fläche, also bei den Kommunen, nicht in gleicher Höhe wie die Belastung ausfällt.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Sie haben das kas- siert! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Dann muss das Land das Geld an die Kommunen weiterge- ben!)

Dann kommen Sie in der Begründung Ihrer Anfrage daher und sagen, dass Sie sich dafür einsetzen wollen, dass die Landesregierung endlich ihrer familienpolitischen Verant

wortung gerecht werde und nicht weiterhin alle Verantwortung und alle finanziellen Lasten auf die Kommunen und auf die Familien abwälze, und dies bei jährlichen Gesamtausgaben des Landes einschließlich der FAG-Zuweisungen in Höhe von über 400 Millionen € allein für Betreuungsangebote. Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Wir nehmen unsere politische Aussage „kinderfreundliches Baden-Württemberg“ sehr ernst.

Wer die bereits bestehenden Angebote an Kinderkrippen, in der Tagespflege, in Kindergärten und im schulischen Bereich – Ganztagsschulen, die verlässliche Grundschule, flexible Nachmittagsbetreuung – sowie an Horten betrachtet, der stellt doch heute schon fest, dass wir auf dem richtigen Weg sind und diesen auch in finanziell schwierigen Zeiten – ich kann es nur noch einmal wiederholen – konsequent weitergehen wollen.

Hätten Sie vorhin zu Frau Ministerin Schavan hinübergeschaut, dann hätten Sie gesehen, dass sie den Orientierungsplan zur frühkindlichen Bildung hochgehalten hat. Er wird nach der Sommerpause eingebracht werden.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Er war aber für Mai angekündigt! – Gegenruf des Abg. Wacker CDU – Unruhe)

Übrigens gibt es dazu inzwischen Konsens bei allen Beteiligten. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir lassen uns dieses Thema nicht von Ihnen kaputtmachen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das machen wir auch nicht!)

Wir sagen andererseits aber auch nicht, dass schon alles perfekt wäre. So wollen wir insbesondere die Bereiche Bildung und Betreuung stärker miteinander verknüpfen. Eine zentrale Rolle wird dabei auch die Sprachförderung spielen. Wir wollen ein in jeglicher Hinsicht flächendeckendes, aber bedarfsorientiertes Angebot.

(Abg. Fleischer CDU: Sehr gut!)

Wer aber glaubt – lassen Sie sich dies auch gesagt sein –, allein durch eine bessere Betreuungsstruktur und finanzielle Entlastung von Familien könnte man der demografischen Entwicklung entgegentreten,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das sagt doch gar niemand! Bauen Sie doch nicht Ihre eigenen Wahr- heiten!)

der wird sehr schnell feststellen, dass dies, isoliert betrachtet, nahezu wirkungslos sein wird. Die Politik kann hier nur Rahmenbedingungen setzen und verändern. Die Bewältigung der Herausforderungen ist aber vor allem jenseits staatlicher Maßnahmen zu suchen. Deshalb greifen unsere politischen Debatten zu diesem Thema leider oft zu kurz. Was junge Familien ganz dringend brauchen, ist unter anderem auch Planungssicherheit.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Stimmt!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eines sagen: Es ist der CDU – auch wenn Sie uns das unterstellen – alles

andere als suspekt, wenn ein Teil der Erziehung der Kinder außerhalb der Familie stattfindet.

(Lachen der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Es gibt auch überhaupt keinen ideologischen Gegensatz zwischen der Erziehung in der Familie und der Erziehung außerhalb. Aber den Fokus allein auf die externe Betreuung zu lenken

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das macht doch niemand!)

und zu meinen, damit wären alle Probleme gelöst, ist zu kurz gedacht.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Macht doch über- haupt niemand! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das sagt niemand! Was Sie hier machen, sind Aus- flüchte und Tricksereien und Herumgeeiere! Das ist unglaublich! – Zuruf der Abg. Marianne Wonnay SPD)

Nein, nein. – Ich sage nur: Wer das Familienbild der Erziehung in der Familie als nicht sehr innovativ und als bürgerlich bezeichnet wie die Landesvorsitzende der Grünen, Kotting-Uhl, der widerspricht sich selbst. Wenn wir sonst immer in unserer durchrationalisierten Berufswelt mangelnde Nähe, Wärme, Freude und persönliche Anerkennung beklagen und wenn wir immer vom kinderfreundlichen Land reden, dann dürfen wir dabei eines nicht vergessen: die Kinder selber.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)