In keiner Weise sind wir mit dem befasst, was Sie hier gesagt haben. Es ist eine Debatte, in der jetzt jeder auf den anderen eindreschen kann und sagen kann, was ihm gerade zur Politik und zum nun beginnenden Wahlkampf so einfällt.
(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Die Leute wollen jetzt auch von Ihnen wissen, was Sie machen wollen! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Aber nicht von euch!)
Dabei sind Sie hier im Land in einer Situation, in der Sie nicht imstande sind, Ihre Aufgaben sachgerecht zu erfüllen. Sie entmachten durch Haushaltssperren das Parlament. Statt hier Dinge auf die Tagesordnung zu setzen, für die wir zuständig sind und die wir lösen müssen, organisiert die CDU hier eine reine Klamaukdebatte.
Statt dass Sie angesichts der Situation, die hier entstanden ist, einmal versuchen, Klarheit in Ihre Reihen zu bringen, damit wir auch wissen, wo wir Sie angreifen sollen und wo nicht, produzieren Sie zum Beispiel beim Thema Steuerpolitik eine vollkommene Kakophonie. Stratthaus fängt an und sagt, eine Mehrwertsteuererhöhung sei nötig. Oettinger pfeift ihn am nächsten Tag im Fernsehen zurück und sagt auf der Pressekonferenz Nein zu einer Mehrwertsteuererhöhung, schließt sie jedoch für einen etwas späteren Zeitpunkt wiederum nicht aus. Was soll denn das für eine Aufstellung sein? Was wollen Sie überhaupt?
Überdies sehen Sie die durch eine Mehrwertsteuererhöhung zu erzielenden Mehreinnahmen für die Finanzierung ganz unterschiedlicher Bereiche vor: zum einen für die von Ihnen gewollte Kopfpauschale, zum anderen für die Haushaltssanierung. Was sollen denn diese Debatten? Was wollen Sie jetzt eigentlich?
Jetzt stehen wir vor Neuwahlen. Da haben unsere Wählerinnen und Wähler, da hat die Bürgerschaft doch das Recht, zumindest einigermaßen grob zu wissen, wohin es gehen soll.
Aber noch nicht einmal das wissen Sie. Man muss von der Union doch wenigstens einmal erfahren können: Ist sie jetzt insgesamt für eine Steuersenkung, oder ist sie aufgrund der Haushaltslage für eine aufkommensneutrale Steuerreform? Selbst in dieser grundlegenden Frage haben Sie kein einheitliches und klares Konzept.
Und jetzt produzieren Sie hier eine solche Veranstaltung. Was sollen denn die Bürger von uns denken, wenn wir solche Debatten führen, wie Sie sie hier anzetteln?
Jetzt frage ich Sie einmal: Wie soll das bei dem, was Sie hier im Land veranstaltet haben, passieren? 2 Milliarden € Schulden im letzten Jahr; im neuen Doppelhaushalt wieder 2 Milliarden € Schulden. Sie wissen nicht, wie Sie mit den Steuerausfällen zurande kommen sollen. Bei der Haushaltssperre machen Sie eine winzige Ausnahme und verkünden den Leuten großspurig: „Wir tun etwas für Kinderbetreuung“.
Sie haben kein Konzept. Sie sagen nicht, wo die Prioritäten liegen sollen, und Sie sagen nicht, wo die Posterioritäten liegen sollen, also wo man streichen soll, aber Sie eröffnen hier eine wirre Debatte. Bringen Sie doch einmal Klarheit in die Debatte und sagen Sie, was Sie wirklich wollen,
ein Hauch von Stringenz sollte in Ihrer Argumentation in Zukunft aber wenigstens noch gewährleistet sein. Sie können nicht einerseits sagen, dass die Menschen Klarheit brauchen – worin ich Ihnen voll und ganz zustimme –, und andererseits fordern, wir sollen bitte keine Debatten im Landtag von Baden-Württemberg über Themen, die Ihnen nicht gefallen, führen.
(Beifall bei der CDU – Abg. Boris Palmer GRÜ- NE: Meinen Sie, Frau Merkel interessiert, was Sie hier erzählen?)
Es freut mich, dass auch Sie sich für Frau Merkel begeistern können, Herr Palmer. Das lässt ja hoffen.
Beginnen wir bei der Finanzpolitik, meine Damen und Herren. Sie wissen ganz genau, dass die Länder kein eigenes Steuerfindungsrecht haben – da sind wir uns vielleicht noch einig. Also ist klar, dass die Länder elementar auf das angewiesen sind, was der Bund im Finanzbereich ordnungspolitisch produziert.
Jetzt schauen Sie sich einmal an, was Rot-Grün produziert hat. Mich stört auch diese ständige Neiddebatte, die Sie immer wieder anstoßen und die jetzt schon wieder durchgeklungen ist – nach dem Motto „Die Einschnitte macht ihr; wir besorgen das Positive,“ – so war es 1998 auch – „und jetzt könnt ihr euch entscheiden: Wählt ihr die böse CDU oder die wohlwollende rot-grüne Regierung?“ Sie beginnen immer mit dieser Neiddebatte: Die Reichen werden belohnt, die Armen werden immer weiter belastet.
Körperschaftsteuer zahlen keine Privatpersonen, sondern im Regelfall große Konzerne. Darin stimmen Sie mir vielleicht noch zu. Die Einnahmen des Landes Baden-Württemberg aus dem Bereich der Körperschaftsteuer haben sich wie folgt entwickelt: im Jahr 2000 1,8 Milliarden €, im Jahr 2001 0,4 Milliarden € und im Jahr 2002 0,1 Milliarden €. Meine Damen und Herren, Sie waren es doch,
die mit einer handwerklich katastrophal gestalteten Körperschaftsteuerreform Großunternehmen, die es gar nicht nötig hatten, gnadenlos entlasten haben.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Bo- ris Palmer GRÜNE: Und das werden Sie korrigie- ren? – Abg. Drexler SPD: Das korrigieren Sie jetzt?)
Ich kann Sie nur warnen. Wenn Sie glauben, dass der Bundestagswahlkampf so zu führen ist, dass Sie sich wieder als die Hüter der Interessen der kleinen Leute aufführen, empfehle ich Ihnen: Analysieren Sie einmal das Wahlergebnis von Nordrhein-Westfalen. Wenn die Arbeitslosen, die Kumpel, die Arbeiter dort mit großer Mehrheit CDU wählen, dann können Sie doch nicht allen Ernstes glauben, dass Sie mit Ihrer Neiddebatte –
nachdem Sie schon 1998 die Menschen angelogen haben – nochmals irgendeinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken. Das werden Sie nicht schaffen.
Jetzt zum Thema Mehrwertsteuer. Meine Damen und Herren, ich zitiere aus einer dpa-Meldung von heute, 1. Juni, 8:56 Uhr:
Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner fordert eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf bis zu 20 %.