Protocol of the Session on June 1, 2005

(Abg. Mappus CDU: Ich auch!)

Sie wollen die Pendlerpauschale streichen – das trifft kleine Leute –, Sie wollen die Nacht- und die Sonntagszuschläge streichen – das trifft die Beschäftigten in Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen sowie die Polizisten. Die alle bluten, damit Sie den Spitzensteuersatz von 42 auf 36 oder 39 % reduzieren können.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf von der CDU)

Ja natürlich. Da bin ich einmal gespannt.

(Abg. Fleischer CDU: Schon beginnt er mit der Neiddebatte! – Abg. Mappus CDU: Alte Neidde- batte!)

Ich freue mich auf die Auseinandersetzung, weil Sie endlich sagen müssen, wie Sie das Ganze finanzieren wollen.

(Abg. Fleischer CDU: Sehnsucht nach der Opposi- tion!)

Sie müssen sagen, wen Sie belasten. Die Deutschen wollen nicht, dass die kleinen Leute bezahlen, wenn der Spitzensteuersatz gesenkt wird. Das wollen die Deutschen nicht!

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen bloß wissen, dass Sie das tun wollen.

Noch einmal ein Beispiel zur Gesundheitsreform, Herr Mappus: Herr Seehofer sagt, Sie müssten ja Zuschüsse für die Leute zahlen, die die Pauschale nicht zahlen können. Herr Seehofer sagt weiter, Sie müssten bei einem Drittel, bei fast 30 Millionen Personen, überprüfen, ob sie die Pauschale zahlen können. Wollen Sie ein Drittel unserer Bevölkerung bei den Krankenversicherungskosten als, sage ich einmal, hilfsbedürftig einstufen? Deswegen hat Herr Seehofer auch gesagt: „Diesen Murks vertrete ich nicht.“ Und da hat er Recht.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Über solche Murksgeschichten werden wir uns mit Ihnen unterhalten. Darauf freue ich mich. Denn endlich können Sie nicht immer nur über Berlin jammern, sondern müssen

Sie sagen, was Sie machen wollen. Ihre Konzepte sind extrem feindlich gegenüber den kleinen Leuten, sowohl bei der Steuer als auch bei der Kopfpauschale und bei anderen Dingen. Deswegen wird das eine schöne Auseinandersetzung. Warten Sie ab! Der Kanzler kriegt das am 1. Juli hin. Am 18. September haben wir dann die Wahl. Vorher machen wir Wahlkampf. Sie werden uns endlich erzählen müssen, wie Sie das finanzieren wollen, und wir werden dann mit der Bevölkerung reden und fragen: Wollt ihr das, oder wollt ihr das andere? Ich bin sicher, dass sie unsere und nicht Ihre Konzepte wollen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Lachen bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

(Abg. Capezzuto SPD: Das ist gut! Dann wird es noch schlimmer!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat eröffnet sich aufgrund der Entwicklungen vom vorvergangenen Sonntag die historische Chance, sieben verlorene Jahre für Deutschland

(Oh-Rufe von der SPD)

und damit auch sieben verlorene Jahre für Baden-Württemberg ein Stück weit aufzuholen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Es eröffnet sich die Chance, Blockadepolitik zu beenden, aber nicht Blockade durch den Bundesrat, sondern Blockade durch die rot-grüne Bundesregierung, die den Riesen Deutschland – immerhin die dritte volkswirtschaftliche Macht auf der Welt – gefesselt hat,

(Abg. Fischer SPD: Jetzt hör doch mit diesem Schauspiel auf! – Abg. Drexler SPD: Gefesselt!)

die die Potenziale, die in unseren Menschen und in unserer Wirtschaft stecken, blockiert und behindert hat.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Drexler SPD: Behindert! Eingesperrt! Gefesselt!)

Das ist doch die große Chance, die Blockade endlich zu lösen und die Potenziale, die vorhanden sind, wieder frei zu machen.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Birzele SPD: Herr Kollege, der Justizminister ist doch für die Fußfessel! – Abg. Drexler SPD: Wir sind doch gar nicht für die Fußfesseln!)

Ich denke, der Herr Bundeskanzler hat das in der Tat erkannt. Dass er sein Versprechen realisiert, sich daran messen zu lassen, in welchem Maße er zur Bekämpfung der Arbeitslosenzahlen beigetragen hat, und, weil er gesehen hat, er kriegt dieses Problem nicht mehr in den Griff, deswegen jetzt überstürzt sozusagen die Flucht aus der Verantwortung angetreten hat, das ist ein gutes Signal für BadenWürttemberg und für Deutschland.

(Abg. Drexler SPD: Wieso für Baden-Württem- berg?)

Lieber Herr Drexler, Sie haben von den kleinen Leuten gesprochen. Wir werden Konzepte vorlegen, die zeigen, dass wir gerade die kleinen Leute in den Blick nehmen.

(Abg. Drexler SPD: Mit der Abschaffung der ge- setzlichen Krankenversicherung!)

Es ist doch ein Treppenwitz der Geschichte, dass Sie Ihren Bundeskanzler nachhaltig zum „Genossen der Bosse“ hochstilisieren konnten.

(Abg. Drexler SPD: Wer? – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Wer hat das gemacht?)

Die SPD. – Er hat es ermöglicht, dass Großkonzerne über Jahre hinweg keine Steuern mehr gezahlt haben. Aber der Mittelstand, die Handwerker, die Freiberufler

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Drexler: Das ist doch Ihr Steuerkonzept!)

und die kleinen Leute haben mehr Steuern gezahlt.

Ich will Ihnen einmal ein konkretes Beispiel dafür nennen, wie perfide Sie die kleinen Leute abkassiert haben.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Was machen Sie denn? – Zuruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD)

Ich will es Ihnen am Beispiel Gesundheitsreform aufzeigen. Da hat man jetzt zum 1. Juli – die Leute werden das merken – für alle, auch für die Rentner, die Beitragssätze zur Krankenversicherung um 0,9 Prozentpunkte erhöht.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Wer hat denn die Gesundheitsreform beschlossen?)

Ursprünglich war die Idee, durch Ausgliederung der Leistungen für Krankengeld und Zahnersatz die Lohnnebenkosten zu senken. Es war ja im Prinzip gar nicht so völlig falsch, das zu überlegen.

(Abg. Drexler SPD: Ach!)

Jetzt hat man aber gemerkt: Hoppla, da klagen dann die Rentner; denn die bekommen gar kein Krankengeld mehr. Und was macht Rot-Grün in Berlin? Rot-Grün nimmt flugs eine Änderung vor und sagt: Wir beziehen das nicht mehr auf den Zahnersatz und das Krankengeld, sondern wir erhöhen einfach den Anteil des Versicherten gegenüber dem Anteil des Arbeitgebers um 0,9 Prozentpunkte.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Weil alles andere viel zu bürokratisch war! – Abg. Drexler SPD: Al- les andere wäre noch viel bürokratischer gewesen!)

Es macht doch gerade die Verdrossenheit auch der kleinen Leute aus, dass sie Stück für Stück von Ihnen abkassiert worden sind,

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sie kassieren doch ab, nicht Rot-Grün!)

ohne dass ihnen ein klares Konzept aufgezeigt worden wäre, wohin denn die Reise geht.

(Abg. Drexler SPD: Ah ja! – Glocke des Präsiden- ten)

Herr Abg. Dr. Noll, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Birzele?

(Abg. Drexler SPD: Zur Fußfessel!)