Protocol of the Session on June 1, 2005

Wenn man die Rede des Kollegen Lasotta nähme und ein paar Dinge umstellte, dann käme man da sogar zu einer sehr großen Schnittmenge. Ich stimme Ihnen zu: Wir brauchen einen handlungsfähigen, starken Staat. Wie wir in den letzten Jahren gesehen haben, bekommen wir über die Verwaltungsreform, über die Einführung von EDV, über die Public Private Partnership und über die zunehmenden Privatisierungstendenzen in den einzelnen Bereichen – ich will das jetzt nicht inhaltlich bewerten – eine Auflösung der Grenzen zwischen dem öffentlichen und dem nichtöffentlichen Bereich. Die Folgen sind unabsehbar, und es wäre richtig und gut, wenn wir dem Vorschlag der SPD-Fraktion folgen würden und uns ernsthaft überlegen würden – und hier könnten wir auch Ihr Argument aufnehmen, Herr Kollege Lasotta –, diese beiden Bereiche zusammenzulegen. Denn nur dann wäre das gewährleistet, was der moderne Datenschutz leisten muss, nämlich vorausschauend zu arbeiten, sich den Problemen zu stellen und Eingriffe schon im Vorfeld vorzunehmen,

(Abg. Blenke CDU: Das war ja auch schon so eine Sache mit dem Murmeltier!)

damit man im Nachhinein nicht mühsam reparieren muss. Ich weiß, dass vonseiten der Landesregierung hier kein Handlungsbedarf gesehen wird. Wir kommen jetzt aber auch mit dem neuen Ministerpräsidenten – wenn ich allein

schon sehe, was im Bereich der Landesimmobilien und der Betreibung einer Gesellschaft, die aus öffentlichen und nichtöffentlichen Segmenten besteht, geplant ist – um eine Zusammenlegung nicht herum. Es ist bedauerlich, dass das im Zuge der Verwaltungsreform nicht gemacht wurde, da dadurch sehr viele Effizienz- und Effektivitätsreserven nicht gehoben werden können. Ich denke, man muss in diesem Punkt – auch wenn es mühsam ist und man sich jedes Jahr wieder dem gleichen Ritual stellen muss – hart bleiben und immer wieder versuchen, da den Finger in die Wunde zu legen.

Ich hatte es schon erwähnt: Die Personalausstattung ist beim Landesbeauftragten für den Datenschutz äußerst knapp. Er kann die vielen Aufgaben, die er zu bewältigen hat, nur noch unzureichend wahrnehmen. Beim Lesen des Datenschutzberichts ist mir aufgefallen, dass die Anzahl der Stichprobenkontrollen zurückgeht, da aufgrund der Tatsache, dass der Datenschutzbeauftragte in vorausschauender Weise immer mehr beratend tätig wird, ein echtes Kapazitätsproblem besteht. In der Folge aber könnte das geschehen, was auch schon der Kollege Lasotta angedeutet hat, dass dann nämlich tatsächlich der Skandal oder der GAU passiert, der das Vertrauen der Bürger in ihre Verwaltung nachhaltig schädigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der öffentliche und der nichtöffentliche Bereich im Datenschutz wachsen technisch und inhaltlich zusammen. Es wäre gut, wenn wir daraus Konsequenzen ziehen und uns überlegen würden, wie man in Baden-Württemberg einen modernen Datenschutz ausgestalten kann. Es wäre gut, wenn Baden-Württemberg seine Schlusslichtposition an dieser Stelle aufgeben würde. Das würde unserer Industrie und auch unserer Kultur gut tun. Das gäbe auch einen nachhaltigen Schub für die Dienstleistungsgesellschaft, in der wir uns alle befinden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Theurer.

(Abg. Dr. Repnik CDU: Aber der Kollege Theurer hat eine schöne Krawatte an! – Gegenruf des Abg. Oelmayer GRÜNE: Wenn er so spricht, wie die Krawatte aussieht, wird es topp! – Heiterkeit)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um Ihnen, Herr Zimmermann, sowie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Namen der Fraktion der FDP/ DVP für Ihre Arbeit im letzten Berichtszeitraum zu danken. Wir als FDP/DVP halten den Datenschutz für eine wichtige Aufgabe. Meine Damen und Herren, das böse Wort vom „Datenschutz gleich Täterschutz“ muss umgekehrt werden, denn Datenschutz ist Opferschutz.

Wenn Sie in die heutige Zeitung hineinschauen – „Stuttgarter Zeitung“, aber auch „Schwarzwälder Bote“ oder „Stuttgarter Nachrichten“ –, dann finden Sie einen besonders krassen Fall von Ausspähung privater Daten, der jetzt staatsanwaltschaftlich verfolgt wird. Dort heißt es –

ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten die „Stuttgarter Zeitung“ –:

Mit Trojanerviren Firmen ausspioniert

Bei einer Durchsuchung der Wohnung des 41-Jährigen stellten die Ermittler unter anderem Datenträger mit einem Volumen von 560 Gigabyte sicher.

Weiter heißt es:

Nach vorläufigen Erkenntnissen betrieb der Computerspezialist sein dunkles Geschäft auf folgende Weise: Im Auftrag von Privatdetektiven, die für ihre Kunden die Konkurrenz ausspähen sollten, schickte er mit Viren infizierte CDs an Firmen. (Zuruf der Abg. Inge Utzt SPD)

Das betrifft den privaten Bereich, ist natürlich strafrechtlich bewehrt und kann durch die Staatsanwaltschaft verfolgt werden.

Es gibt aber natürlich auch minder schwere Fälle. Im Zeitalter der Informationsverarbeitung haben wir viele Daten.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Das ist ja kriminell!)

Sie werden gespeichert und zusammengeführt. Sie können ausgespäht und missbraucht werden. Genauso wichtig, wie die Privatsphäre im Bereich der Wohnung zu schützen, ist es auch, die Privatsphäre bei den Daten der Menschen zu schützen.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Ihr wollt doch den gro- ßen Lauschangriff!)

Das ist immer ein Anliegen der FDP/DVP-Landtagsfraktion gewesen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wer dagegen verstößt, handelt kriminell. Das muss verfolgt werden. – Das ist der Bereich des privaten Datenschutzes.

Der Bereich, über den wir heute sprechen, ist der öffentliche Datenschutz. Er betrifft den Bereich, in dem öffentliche Institutionen, Behörden, Ministerien, Kommunalverwaltungen, aber auch Krankenkassen Daten sammeln und verwerten. Dieser Bereich, meine Damen und Herren, ist glücklicherweise – das zeigt der hier vorgelegte Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten – so weit in Ordnung, dass es keine großen Probleme gegeben hat.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das ist alles relativ!)

Ich denke, das ist auch eine Erfolgsbilanz nach 25 Jahren Datenschutz. Es ist im Berichtszeitraum eben nicht zum Daten-GAU gekommen, und die Landesregierung hat die aufgedeckten Mängel behoben bzw. hat daran gearbeitet.

Im Übrigen begrüße ich es, dass der Landesbeauftragte für den Datenschutz zunehmend auch beratend, also präventiv tätig wird, um eventuellen Verstößen gegen den Datenschutz vorzubeugen. Auch dies zeigt die Wertschätzung dieser Einrichtung, meine Damen und Herren. Der Datenschutzbeauftragte wird zunehmend nicht als Gegner, sondern als Partner gesehen.

Der Bericht zeigt, dass Behörden auf ihn zugegangen sind, wenn Fragen oder Probleme aufgetaucht sind, die es zu lösen galt. Positiv ist auch, dass der Landesbeauftragte bei Bürgern unzutreffende Vorstellungen zurechtrücken und Verständnis für das Vorgehen der Behörden wecken konnte.

Nach wie vor wurde dem Landesbeauftragten für den Datenschutz noch nicht die Beratung und Kontrolle für den nichtöffentlichen Bereich übertragen,

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das hättet ihr doch schon lange machen können!)

aus dem ich gerade einen besonders krassen Fall geschildert habe. Wir als FDP/DVP-Fraktion würden es begrüßen, wenn man öffentlichen und privaten Datenschutz bei e i n e r Stelle, nämlich bei dem Landesbeauftragten für den Datenschutz, zusammenführen würde.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Wieso macht ihr es denn nicht? Ihr regiert doch!)

Meine Damen und Herren, die zunehmende Verflechtung der staatlichen und privaten Datenverarbeitung erschwert die bestehende, gesetzlich vorgesehene Trennung der Kontrollräume immer mehr. Deshalb plädiere ich noch einmal nachhaltig für diesen Vorschlag.

Meine Damen und Herren, ich sehe die Entwicklung des Datenschutzes mit einer gewissen Sorge. Wir haben auf Bundesebene die Einführung der Kontenabfrage. Ich halte es für äußerst gefährlich, dass hier das Bankgeheimnis zunehmend ausgehöhlt wird.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das machen wir mor- gen! – Abg. Stickelberger SPD: Das machen wir morgen ausführlich!)

Wir haben durch Schily II das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten verwischt.

(Abg. Wieser CDU: Wenn sie die Leute abhören würden, würde die Bundesregierung ihre Politik ändern! Die Leute sind so arm geworden!)

Rot-Grün stimmt außerdem der Weitergabe einer Vielzahl von personenbezogenen Passagierdaten an die USA zu, ohne dass der Flugpassagier davon etwas mitbekommt. Meine Damen und Herren, ein Berufungsgericht in Minnesota hat eine Einschätzung der Vorinstanz bestätigt, nach der die Existenz eines Verschlüsselungsprogramms auf einem Computer

(Abg. Capezzuto SPD: So ein Geschwätz!)

eines Angeklagten als ein Indiz für eine kriminelle Absicht gedeutet werden kann. Schlussendlich hat ein Staatssekretär im hessischen Innenministerium sich öffentlich darüber aufgeregt, dass das Bundeswirtschaftsministerium die Entwicklung einer Anonymisierungssoftware staatlich fördert. Ich meine, so weit darf es in Deutschland nicht kommen, dass allein schon die Existenz eines Anonymisierungsprogramms auf einem privaten Rechner dazu führt, dass der private Bürger, der das macht, kriminalisiert wird.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das war aber kein Rot- Grüner!)

Die FDP steht für den Schutz der Privatsphäre. Es gilt, dass wir unsere politischen Kräfte bündeln, um zu erreichen, dass auch in Zukunft die Privatsphäre geschützt wird, dass die persönlichen, die sensiblen Daten der einzelnen Menschen eben nicht einem unbegrenzten, ungehemmten und vor allem missbräuchlichen Zugriff von Behörden, aber auch von Privaten unterworfen sind. Das ist das entscheidende Anliegen des Datenschutzes, und dieses Anliegen ist aktueller denn je.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Oelmayer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! 25 Jahre Datenschutz in Baden-Württemberg. Ich darf vorweg den Dank unserer Fraktion an den Landesdatenschutzbeauftragten richten, dass er diesen hundertseitigen Bericht wieder mit seinen Mitarbeitern erarbeitet hat, dass er uns zwar nicht die großen Skandale geliefert hat,

(Abg. Stickelberger SPD: Sind Sie enttäuscht?)

aber doch auf hundert Seiten dargetan hat, dass auch im Land Baden-Württemberg im öffentlichen Bereich immer wieder Verstöße gegen den Datenschutz geschehen. Insofern ist diese Arbeit für uns sehr wertvoll und sehr wichtig, weil wir diese Arbeit als Kontrollmechanismus für das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung im Land brauchen.

Ich schicke den Dank deswegen vorweg, weil 25 Jahre Datenschutz bedeutet, dass vor 25 Jahren diese Institution im Land gegründet worden ist. Ich darf einmal ein paar Zahlen, die auch schon in der Presse veröffentlicht waren, nennen, um Ihnen darzutun – –

(Glocke des Präsidenten)