Protocol of the Session on June 1, 2005

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir von der Grünen-Fraktion unterstützen den Gesetzentwurf der SPD und sprechen uns für die Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre bei Jugendlichen aus. Denjenigen, die eine Ausbildung absolvieren oder arbeiten gehen, die als ehrenamtliche Jugendleiter bei Zeltlagern Verantwortung übernehmen oder beim freiwilligen sozialen Jahr für alte Menschen in der Pflege da sind, das Wahlrecht zu verweigern, das ist völlig absurd.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Es ist natürlich völlig richtig, dass wir, wenn wir über den demografischen Wandel sprechen, darüber reden müssen, wie wir die Beteiligungsrechte von Jugendlichen stärken können. Die junge Generation, von der wir sagen, sie sei ganz wichtig für Wohlstand und Innovation, muss mehr Mitspracherechte erhalten. Dies wird in der Enquetekommission noch Thema sein. Ich bin gespannt, wie sich die Fraktionen von CDU und FDP da verhalten werden.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: DVP bitte!)

Jugendliche müssen ernst genommen werden und dürfen nicht länger als unmündige und unwissende Mitbürgerinnen und Mitbürger behandelt werden.

(Zuruf von der CDU)

Wenn wir sagen, es gebe bei Jugendlichen eine Legitimationskrise der Politik und die Wahlbeteiligung bei Jungwählern sei nicht sehr hoch, spricht das nicht gegen eine Absenkung des Wahlalters, sondern im Gegenteil dafür, dass ein ganzes Bündel an Maßnahmen notwendig ist, um die Mitbestimmungsrechte und das Engagement der Jugendlichen tatsächlich zu stärken.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Klar ist, dass die ritualisierte Politik, wie wir sie betreiben, bei den Jugendlichen nicht besonders gut ankommt. Wir wissen aber aus Umfragen, dass sich Jugendliche sehr wohl für politische Themen interessieren. Insofern kommt es darauf an, welche Formen und welche Foren man den Jugendlichen bieten kann, um sich mit politischen Themen intensiv zu beschäftigen. Ich finde, all das sind ausreichend gute Argumente, um einer Absenkung des Wahlalters zuzustimmen.

Herr Kollege Schebesta, Sie haben bei dem Thema „Rechte und Pflichten“ sehr formal argumentiert, wobei auch das Jugendstrafrecht eine Rolle gespielt hat. Ich möchte an die 44 Seiten umfassende Regierungserklärung des neuen Ministerpräsidenten erinnern, in der er nur in einem Absatz über Jugendliche gesprochen hat, und in diesem einen Absatz ging es um die Verschärfung des Strafrechts.

(Abg. Schebesta CDU: Das kann ja nicht wahr sein! – Abg. Wacker CDU: Das war eine Regie- rungserklärung!)

Ansonsten hat sich der Ministerpräsident zur Jugendpolitik in keiner Weise geäußert.

(Zurufe von der CDU)

Ich finde, da hätten Sie heute ein anderes Signal setzen müssen. Sie argumentieren, die Wahlbeteiligung gehe zurück. Deshalb geht es darum, die Beteiligungsrechte in vielerlei Hinsicht zu stärken.

Herr Kollege Bayer hat ausgeführt, dass es darum gehe, die Position der Jugendgemeinderäte in den Kommunen zu stärken und die Jugendlichen an Planungsvorhaben mehr zu beteiligen. Das ist ein wichtiger und richtiger Weg.

Wir brauchen aber auch mehr Beteiligungsmöglichkeiten und neue Formen der Beteiligung an den Schulen. Dazu haben wir schon vor zwei Jahren einen Antrag eingebracht, in dem gefordert wird, die Schülerinnen und Schüler an der Formulierung des Schulprogramms, an der Erstellung von Stundenplänen, an der Mitbestimmung über Unterrichtsformen und an der Evaluation der Unterrichtsqualität stärker zu beteiligen. Das fordern wir nach wie vor.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Stärkung des Gemeinschaftskundeunterrichts.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Das Interesse Jugendlicher an politischen Themen ist, wie gesagt, vorhanden, wie man aus Umfragen weiß. Insofern geht es darum, dies aufzugreifen, zu stärken, dies früher zu tun als bisher und neue Formen zu finden.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Pauli CDU: Wir re- den nicht, wir machen es!)

Was die Stärkung der Jugendgemeinderäte und § 41 a der Gemeindeordnung, den Sie zitiert haben, betrifft, wurden die Worte „sollen eingerichtet werden“ eingeführt. Nur bei der Beteiligung von Jugendlichen an Planungsvorhaben in angemessener Weise heißt es „müssen“. Alles andere sind Sollvorschriften.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Nicht muss!)

Insofern haben Sie da etwas herbeigeredet, was so nicht stimmt.

Unser Fazit ist: Zustimmung zu den vorgelegten Vorschlägen.

Ich appelliere an Sie von der CDU und der FDP/DVP, es sich bis zur zweiten Lesung noch einmal gut zu überlegen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erhält Herr Staatssekretär Rau.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Er spricht ein klären- des Wort hier im Haus! – Abg. Pauli CDU: Der ju- gendliche Staatssekretär! – Unruhe)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Entscheidungen, die ihre Lebenswelt betreffen, ist für die Landesregierung ein wichtiges gesellschafts-, bildungsund sozialpolitisches Anliegen.

(Abg. Wacker CDU: So ist es!)

Sie hält allerdings den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Absenkung des Wahlalters hierfür für ungeeignet.

Ich finde, dass dieser immer wiederkehrende Antrag eher eine Showeinlage ist.

(Abg. Schebesta CDU: So ist es! – Widerspruch bei der SPD)

Es stünde uns viel eher an, hier über ernsthafte Beteiligungskonzepte zu sprechen und dabei etwas zu entwickeln, was auch den Anliegen der Jugendlichen wirklich gerecht werden kann.

(Zuruf des Abg. Braun SPD)

Mit dem Wahlrecht spielt man nicht, Herr Kollege Braun.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Junginger SPD: Unqualifiziert!)

Wenn Jugendliche Mitsprache in der Politik fordern, dann geht es in Wirklichkeit um die konkrete Gestaltung der erfahrbaren Umwelt. Nach der Shell-Studie beteiligen sich Jungwähler im Vergleich zur Gesamtbevölkerung schon seit längerem unterdurchschnittlich an Wahlen. So lag die Beteiligung der 18- bis 24-jährigen Wahlberechtigten in Deutschland zuletzt im Schnitt um fast ein Viertel unter der Gesamtwahlbeteiligung.

(Abg. Capezzuto SPD: Resignieren die? – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Nur 35 % der Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren gaben an, sich ganz sicher an der nächsten Bundestagswahl zu beteiligen, wenn sie denn das Wahlrecht hätten. Je jünger die Jugendlichen sind, desto geringer ist ihre Bereitschaft, sich daran zu beteiligen.

Wahlen sind bei der Jugend also kein Renner – Entschuldigung, Herr Sozialminister!

(Heiterkeit)

(Staatssekretär Rau)

Aber der Renner ist dafür ein Renner für die Jugend. Das ist schon okay.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Aha! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Ich dachte, Sie sind für Jugend jetzt zuständig!)

Viele Jugendliche müssen für die Demokratie über für sie attraktive Formen der Mitwirkung erst gewonnen werden, bevor sie bereit sind, sich in Wahlen einzubringen. Verschiedene andere Bundesländer haben das Mindestalter für die Beteiligung an Kommunalwahlen auf 16 Jahre reduziert. Die Erwartungen, die sie darin gesetzt haben, haben sich nicht erfüllt. In Hessen wurde die Absenkung des Wahlalters deshalb sogar wieder rückgängig gemacht,

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Nicht deshalb! We- gen Kochs Ideologie! – Abg. Capezzuto SPD: Die CDU ist drangekommen, dann hat man es abge- setzt!)

nachdem sich das nicht bewährt hatte.

(Unruhe)

Weitaus sinnvoller ist für uns die Unterstützung aller Wege, die auf die Stärkung von Mitverantwortung und Mitarbeit der Jugendlichen ausgerichtet sind.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)