Im Übrigen – das darf man nicht vergessen – werden in diesem Zusammenhang auch das Gesetz über die Planung, Organisation und Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs und das Straßengesetz geändert. Nicht zu vergessen ist die Novellierung der Landesbauordnung, mit der bereits 1996 ein wichtiger Schritt zur gleichberechtigten Teilnahme von Menschen mit Behinderungen am öffentlichen Leben geleistet wurde.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Interesse des hohen Hauses an diesem Thema scheint nicht besonders groß zu sein. Ich halte das für nicht ganz angemessen.
Nach mehrjähriger Vorlaufzeit haben Sie es zum Schluss nun eilig, dieses Landes-Behindertengleichstellungsgesetz zu verabschieden.
Dabei bleibt der vorliegende Gesetzentwurf weit hinter den Erwartungen der Betroffenen, der Selbsthilfeorganisationen und der Verbände zurück.
Die Landesregierung ist bei ihrem Minimalentwurf geblieben, aus dem nicht nur der Geist der absoluten Kostenvermeidung spricht, sondern auch ein Maß an Desinteresse an der Sache deutlich wird, das im krassen Widerspruch zu den schönen Sonntagsreden bei Besuchen bei Behindertenverbänden, VdK und anderen Organisationen, steht. Sie von den Regierungsfraktionen tragen das mit. Sie haben es nicht für nötig befunden, in einem öffentlichen Anhörungsverfahren auf die Vorschläge der Verbände einzugehen. Dabei ist gerade Öffentlichkeit für die Belange von Menschen mit Behinderungen wichtig, um aufzuklären, um Interesse und Verständnis zu erreichen, damit die Barrieren in den Köpfen verschwinden.
Sie haben keinen wichtigen Punkt in Ihren Entwurf eingearbeitet. Sie haben im Sozialausschuss alle unsere diesbezüglichen Anträge abgelehnt.
(Abg. Alfred Haas CDU: Die waren ja abgeschrie- ben, Entschuldigung! – Gegenruf des Abg. Fischer SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Natürlich! Kein einziger Antrag, der nicht Wort für Wort abge- schrieben war!)
Dies zeigt, welchen Stellenwert Sie dem Gesetz geben und wie Sie die engagierte Mitarbeit der Experten in eigener Sache schätzen. Damit haben Sie im Vorfeld eigentlich gegen die Ziele Ihres eigenen Gesetzentwurfs verstoßen, wonach eine verbesserte Teilhabe der Menschen mit Behinderungen am öffentlichen Leben zu schaffen ist.
Wir begrüßen ganz besonders die Bestimmungen, die Sie aus dem Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes für die Landesverwaltung und die landesunmittelbaren Körperschaften übernommen haben. Das betrifft die Paragrafen zur Barrierefreiheit, zur Benachteiligung, zu Frauen mit Behinderung, zur Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen sowie zum Schriftverkehr mit den öffentlichen Verwaltungen. Dies reicht allerdings nicht aus.
Sie hätten sich am bayerischen Gesetz orientieren können. Dort sind die Kommunen mit einbezogen und sind kommunale Behindertenbeauftragte vorgesehen.
Sie machen auch keine Ausführungen zur Sicherung der Teilhabe am öffentlichen Leben und sprechen den Bereich der Integration überhaupt nicht an.
(Abg. Alfred Haas CDU: Da sind wir genau auf der Linie des Bundesgesetzgebers! Exakt auf der Bun- desebene!)
Der viel beschworene und notwendige Paradigmenwechsel „Weg von der Fürsorge und Betreuung, hin zu mehr selbstbestimmter Teilhabe“ hätte mit solchen inhaltlichen Ausgestaltungen Gewicht und Wirkung bekommen.
Um den Belangen der Menschen mit Behinderungen gerecht zu werden, beantragen wir zu Ihrem Gesetzentwurf zwei Ergänzungen.
Erstens beantragen wir die Aufnahme des Amts eines oder einer Landesbehindertenbeauftragten, von der Landesregierung bestellt, mit einer Berichtspflicht gegenüber dem Landtag und mit der erforderlichen Personal- und Sachausstattung.
Zweitens fordern wir die Bestellung von Beauftragten auf kommunaler Ebene für die Belange von Menschen mit Behinderungen.
Die Erfahrungen zeigen, dass das für alle Seiten effektiv ist und Fehlplanungen, Ärger, Benachteiligungen und Kosten spart.
Uns sind einige wenige positive Beispiele einfach zu wenig. Es genügt nicht, darauf zu verweisen. Wir wollen eine höhere Verbindlichkeit, auch mit dem Ziel einer größeren Bürgernähe.
Ich bitte Sie daher, den Anträgen der SPD-Landtagsfraktion zuzustimmen. Sollten Sie dies wider Erwarten nicht tun,
dann sähe sich die SPD-Landtagsfraktion nicht in der Lage, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, sondern würde sich der Stimme enthalten,
weil wir das Ziel des Gesetzentwurfs natürlich als richtig ansehen. Er geht einen kleinen Schritt in die richtige Richtung, ist aber in seinen weiteren Ausführungen aus unserer Sicht unzureichend.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU: Eine dürftige Begründung Ihrer Ablehnung!)
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns mit dem Ende eines Gesetzgebungsverfahrens und der Verabschiedung des Gesetzes nicht am eigentlichen Ziel, nämlich den Menschen mit Behinderungen die tatsächliche selbstbestimmte Teilhabe am öffentlichen Leben in diesem Land und ein frei bestimmtes, selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Dies ist und bleibt völlig unabhängig von dem vorliegenden Gesetzentwurf eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe,
zu der wir uns – ich meine, das darf ich sagen – alle hier in diesem hohen Haus selbstverständlich bekennen.
(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Ur- sula Haußmann SPD: Aber nicht nur in Sonntagsre- den!)
Liebe Frau Haußmann, wir befinden uns am Ende eines langen Gesetzgebungsverfahrens – es war zugegebenermaßen sehr lang –, denn Demokratie – das wissen Sie alle – lebt vom Kompromiss, von der Diskussion. Wir haben im Sozialausschuss ausführlich auch über die Änderungsanträge diskutiert. Nehmen Sie es mir bitte ab, dass wir die Frage, ob wir das Fass nicht möglicherweise wieder aufmachen, und zwar bei der berechtigten Diskussion, ob wir in Zeiten, in denen wir uns alle über eine zu hohe Regelungsdichte, über das Überstülpen von Aufgaben, deren Wahrnehmung dann andere finanzieren sollen, unterhalten – – Diese Argumente müssen wir in der ganzen Diskussion natürlich sehr ernst nehmen, gerade im Interesse der Betroffenen. Scheinlösungen, Placebos in Gesetzen, die vor Ort schließlich gar nicht umgesetzt werden können, lehnen wir ab, denn das dient letztlich nicht dem eigentlichen Ziel.
Dennoch ist die Frage zu stellen, ob dieses Gesetz zur Erreichung des Ziels hilfreich ist. Lassen Sie mich klar sagen: Es ist hilfreich, weil ein Gesetz natürlich immer auch bewusstseinsbildend in die Bevölkerung, in die Gesellschaft hineinwirkt. Andererseits muss bei denen, die das Gesetz schließlich umsetzen sollen, auch ein Stück weit Akzeptanz vorhanden sein.
Lassen Sie mich da konkret den Punkt „Beauftragter“ nennen. Sie fordern sowohl für das Land als auch für die Kommunen verpflichtend die Beauftragten. Nun mag sich mancher daran erinnern, dass wir uns hier an dieser Stelle schon häufiger auch über das „Beauftragtenunwesen“ ausgelassen haben.
Aber ich will ernsthaft fragen, ob Sie nicht mit mir der Meinung sind, dass manchmal die Tendenz besteht, dass dann, wenn in einer Verwaltung ein Beauftragter für bestimmte Bereiche vorhanden ist, ein Sachbearbeiter sagt, wenn etwas konkret bei ihm landet: „Das geht mich nichts an. Wenden Sie sich an den Beauftragten.“ Das ist gerade kontraproduktiv gegenüber dem Umstand, dass in allen Bereichen der Verwaltung des öffentlichen Lebens diese Aufgabe selbstverständlich ernst genommen werden muss.