Protocol of the Session on April 20, 2005

(Heiterkeit – Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Bei den Universitäten haben wir insgesamt einen Sanierungsrückstand von – man höre! – 2,4 Milliarden €, und das in einer Situation, in der Hochschulen mit der Standortfaktor für Baden-Württemberg sind, in der wir im Ranking der besten zwölf Hochschulen mit sieben Hochschulen vertreten sind. Und in einer solchen Situation muss festgestellt werden, dass wir allein im Baubestand einen Sanierungsrückstand von 2,4 Milliarden € haben.

Der Finanzminister hat sich mit den Steuerausfällen der letzten fünf Jahre herausgeredet. Es glaubt ja wohl niemand im Ernst,

(Abg. Moser SPD: Doch, er!)

dass in fünf Jahren ein Sanierungsrückstand mit einem Volumen von 2,4 Milliarden € auflaufen kann.

(Abg. Fischer SPD: Nein, 20 Jahre!)

Das geht auf Blindheit und Versäumnisse zurück. Mindestens 15 Jahre haben Sie geschlafen und unter den Teppich gekehrt.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Jetzt sind Sie nicht in der Lage, darzustellen, woher diese Mittel kommen sollen.

(Abg. Junginger SPD: Armutszeugnis!)

Da kann ich nur noch einmal an Sie appellieren. Hier geht es um Kernkompetenzen, um Kernaufgaben des Landes Baden-Württemberg. Sie wollen für das Projekt Stuttgart 21 unter Vorfinanzierung der Neubaustrecke jetzt wieder etwa 500 Millionen € ausgeben, und zwar allein für das Vergraben des Bahnhofs. Das Geld haben Sie nicht. Ich will nur einmal die Größenordnung nennen: Das bedeutet schließlich, dass Sie 80 Millionen € pro Jahr aufbringen müssen.

Wenn wir den Sanierungsrückstand abbauen wollen, brauchen wir mindestens 135 Millionen € pro Jahr. Ich frage Sie: Woher wollen Sie die Mittel für diesen Kernbereich bekommen, wenn Sie weiterhin Geld in solch fragwürdige Projekte stecken? Diese Frage müssen Sie hier einmal beantworten. Ich finde, das ist kein Beispiel für das, was alle angemahnt haben, nämlich Aufgabenanalyse, Aufgabenkritik und Aufgabenreduktion vorzunehmen, zu fragen, was die Kernaufgaben des Staates sind, und dort zu investieren. Dieses Bewusstsein ist überhaupt nicht vorhanden. Man macht immer neue Subventions- und Schuldenlöcher auf.

Wir erwarten also von der Landesregierung, dass sie ausweist, wie sie in zehn Jahren den Gebäudebestand hier in einem tragenden Bereich der Landespolitik sanieren will.

Ich will zum Schluss kommen und vor allem dem Rechnungshof danken. Herr Präsident Frank, ich danke Ihnen, dem ganzen Leitungsteam Ihres Hauses, allen Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die engagierte Arbeit, die aufschlussreichen Ergebnisse und die wertvollen Hinweise für ein besseres Verwaltungsmanagement unseres Landes. Es bleibt zu hoffen, dass in den kommenden Jahren vieles zügiger und konsequenter umgesetzt wird als in der Vergangenheit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Professor Reinhart.

(Abg. Capezzuto SPD: Das wird schwer für den Staatssekretär!)

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Zunächst möchte ich mich all den Fraktionen anschließen, die ihren Dank gegenüber dem Herrn Präsidenten ausgesprochen haben.

(Abg. Fischer SPD: Aber alle!)

Alle haben den Dank ausgesprochen, Herr Kollege Fischer. Das ist richtig.

Ich denke, der Präsident ist mit Dank unbegrenzt belastbar. Dank ist ja bekanntlich die schärfste Form der Bitte. Insoweit haben wir die Bitte an ihn, auch in der Zukunft sehr wichtige Hinweise zu geben, was die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung des Landes angeht. Für solche Hinweise sind wir Ihnen sehr dankbar und verbunden.

Ich möchte mich ausdrücklich auch vielen Ausführungen anschließen, die die Kollegen Scheffold und Theurer sowie die Redner von SPD und Grünen gemacht haben.

Ich darf mit Ihren Ausführungen beginnen, Herr Kretschmann. Sie haben im Grunde genommen das gesagt, was Kollege Theurer angesprochen hat: Wir müssen Aufgaben und Bürokratie abbauen. Da geben wir Ihnen Recht. Das ist eine wichtige Aufgabe. Das heißt in Deutschland, dass die Staatsquote zurückgeführt werden muss.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wir haben eine Staatsquote von über 48 %. Das ist einfach zu hoch. Das betrifft alle Ebenen: Dazu gehört das Land, dazu gehören aber auch der Bund, Europa und die kommunale Ebene.

Wir haben eine Sozialquote von über 32 %. Ich will Ihnen einmal Vergleichsquoten nennen: USA 19 %, Europa im Durchschnitt 25 %. Auch diese Quote ist in Deutschland zu hoch. Das ist das Problem der Wettbewerbsfaktoren des Standorts.

Wir müssen in Deutschland Reformen umsetzen, damit wir bei der wichtigsten Quote, die auch uns hier interessiert, nämlich der Steuerquote, wieder einen Zuwachs erzielen. Bei den Einnahmen haben wir einen Stand, der unter dem des Jahres 1999 liegt, haben aber die Ausgaben des Jahres 2005. Das ist die Realität. Wir haben eine Steuerquote von etwa 20,3 %; das ist eine der niedrigsten Steuerquoten, die wir in Deutschland in der Nachkriegszeit haben. Auch was die jetzige Prognose von 0,8 % Wachstum im laufenden Jahr angeht: Bei einer solchen konjunkturellen Situation werden die Einnahmen nicht steigen. Das ist unser Problem. Deutschland braucht Veränderung, Deutschland braucht Bewegung, Deutschland braucht Reformen, meine Damen und Herren.

(Beifall der Abg. Hauk und Dr. Scheffold CDU so- wie bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Kretschmann GRÜNE: Dann reformiert mal schön! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Wir warten! – Zu- ruf des Abg. Moser SPD)

Zum Bürokratie- und Aufgabenabbau will ich Ihnen, Herr Kollege Moser – Sie sind ja Weinkenner –,

(Abg. Moser SPD: Nicht nur! Das wäre ein biss- chen wenig!)

ein Bild mit auf den Weg geben.

(Abg. Kiefl CDU: Lieber eine Flasche, kein Bild!)

Wenn Sie, Herr Kollege Moser, im Frühling in den Weinberg gehen, dann sehen Sie, dass der Rebstock sehr, sehr dicht getrieben hat und Sie ein Dickicht vor sich haben, das nur dann wieder zu neuen Erträgen und zur Blüte führt, wenn Sie es zurückschneiden, wenn Sie lichten und lüften, damit die Fruchtrute wieder neu trägt.

(Abg. Moser SPD: Ja!)

So betreiben wir in Baden-Württemberg Bürokratieabbau, meine Damen und Herren.

(Oh-Rufe von der SPD und Abgeordneten der Grü- nen – Lachen bei der SPD und den Grünen – Bei- fall des Abg. Dr. Scheffold CDU – Abg. Dr. Schef- fold CDU: Sehr schönes Bild! – Abg. Fischer SPD: Glauben Sie das selber? Das darf doch nicht wahr sein! – Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE – Unruhe)

(Staatssekretär Dr. Reinhart)

Denn in Baden-Württemberg haben wir es geschafft – und der agrarpolitische Sprecher wird mir zustimmen –, Verwaltungsvorschriften – –

(Lebhafte Zurufe von der SPD – Abg. Theurer FDP/DVP: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Re- ben“! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Seit wann schneidet man die Rebstöcke im Frühjahr? – Zuru- fe der Abg. Kretschmann und Brigitte Lösch GRÜ- NE – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Staatssekretär.

Ich lade Sie gerne einmal ein. Ich sehe, ich habe hier lauter Sachverständige. Aber wichtig ist mir, dass ich Erfolg gehabt zu haben scheine: Sie haben das Bild verstanden.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Fischer SPD: Das Bild haben wir ver- standen, nur stimmt es nicht! – Anhaltende Unruhe)

Herr Kollege Fischer, auch in der Bibel kommt das Wort „Wein“ übrigens öfter vor als das Wort „Herrgott“; und auch dort wird in Gleichnissen gesprochen.

Jetzt will ich Ihnen aber etwas sagen, was den Vergleich der Länder anbelangt. Das Land Baden-Württemberg hat eine Entbürokratisierungsoffensive begonnen. Wir haben jetzt ein kommunales Entlastungspaket vorgelegt. Wir haben die Verwaltungsvorschriften bereits von 4 500 auf 2 100 reduziert. Wir haben auch in den Bundesrat eine Initiative eingebracht, die mit Mehrheit beschlossen und dem Bundestag vorgelegt wurde – nur hat Rot-Grün das abgelehnt.

(Oh-Rufe von der SPD – Zuruf des Abg. Capezzu- to SPD)

Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung. Sprechen Sie mit Ihren Freunden in Berlin, damit der Bürokratieabbau dort mit unterstützt wird. Ich füge hinzu: Dazu gehört auch die europäische Ebene.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Mittlerweile sind über 60 % der Vorschriften europäisches Recht. Auch dort müssen wir beginnen, wenn wir Vorschriften und Bürokratie zurückschneiden wollen. Nur dann werden wir in einem schlankeren Staat die verbliebenen Aufgaben auch mit weniger Personal erledigen können. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.

(Abg. Capezzuto SPD: Herr Staatssekretär, in Brüssel gibt es aber gar keine Weinberge! Das ist das Problem! – Zuruf des Abg. Moser SPD – Unru- he)

Lieber Herr Kollege Capezzuto, Sie sollten eigentlich wissen, dass die wichtigsten weinerzeugenden Länder in Europa neben Deutschland Italien, Frankreich und Spanien sind.