Wie schwer Sie es noch heute mit dem Thema Ganztagsschulen haben, Frau Fauser, wird an vier Punkten deutlich:
Diese Schulen sind für Sie Schulen – um nicht zu sagen: Halbtagsschulen – mit ganztägiger Betreuung. Sie gehen weiterhin von Halbtagsschulen mit nachmittäglicher Betreuung aus.
Ganztagsschulen aber, meine Damen und Herren, sind etwas anderes als Halbtagsschulen mit Betreuung oder zweimal Halbtagsschulen.
Sehr geehrter Herr Zeller, geben Sie mir Recht, dass die Ganztagsschule automatisch kommen muss, weil die Lehrpläne, beispielsweise an den Gymnasien, aber auch in anderen Bereichen, einfach so viele Stunden vorsehen, dass Ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, als Ganztagsschulen zu schaffen?
(Abg. Röhm CDU: Oh Frau Fauser! – Abg. Dr. Ca- roli SPD: Es gibt gar keine Lehrpläne mehr! Die heißen jetzt Bildungspläne! – Abg. Wintruff SPD: Ich habe Ihnen gesagt, kümmern Sie sich um Calw! – Weitere Zurufe von der SPD)
Frau Fauser, ich darf Sie darauf hinweisen, dass Grundschulen, von denen wir in Baden-Württemberg gerade einmal 17 als Ganztagsschulen haben, je nach Klassenstufe eine Wochenstundenzahl von 24 bis 26 Stunden haben und dass dies bei weitem nicht ausreicht, um einen qualifizierten Ganztagsbetrieb zu garantieren.
Zweitens, meine Damen und Herren: Wie wenig Interesse Sie am Gelingen der IZBB-Schulen haben, wird dadurch deutlich, dass Sie diese Schulen weitgehend alleine lassen. Zwar gibt es vonseiten der Oberschulämter, vor allem hinsichtlich der baulichen Beratung, Unterstützung. Ich möchte vor allem das Oberschulamt Tübingen hier ausdrücklich besonders hervorheben. Aber Sie lassen die einzelnen Schulen, vor allem im pädagogischen Bereich, allein. Das Begleitprogramm des Bundes „Ideen für mehr! Ganztägig lernen“, vertreten durch die unabhängige Deutsche Kinderund Jugendstiftung, wird von Ihnen boykottiert. Neben dem Saarland sind wir das einzige Bundesland, das keine Serviceagenturen für Schulen zur Verfügung stellt,
die auf dem Weg zur Ganztagsschule unterstützend tätig sind. Das Programm „Ganztägig lernen“ unterstützt die Schulen in ihrem Reformprozess, indem Beispiele guter Schulpraxis, Erfahrungsaustausch, Beratung, Vermittlung von Experten und Fortbildung angeboten werden.
Meine Damen und Herren, nennen Sie mir einen Grund, weshalb Sie nicht an diesem Begleitprogramm teilnehmen.
Sie werden sehen: Es gibt kein ernst zu nehmendes Argument, nicht daran teilzunehmen, und kein Argument für Ihre Untätigkeit. Hier sollten Sie den anderen Bundesländern nacheifern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Wintruff SPD: Ja! Bei 105 Indikatoren Spitzenpositionen! Wo bleibt das?)
Sie weigern sich, diesen Schulen zusätzliches Personal zu geben. Ich verweise nochmals auf den Gemeindetag und den Städtetag.
Bei den Haushaltsberatungen haben wir gesehen, wie wenig Ihre Ankündigungen beim Schaulaufen mit Herrn Oettinger wert sind. Vor Ort den bedarfsgerechten Ausbau von Ganztagsschulen zu fordern und dann im Parlament das dafür notwendige Personal abzulehnen, das passt nicht zusammen.
In der Föderalismuskommission bestanden übrigens Ihre Parteikollegen darauf, dass Bildung ausschließlich in die Hände der Länder gehört.
Dann machen Sie es doch! Machen Sie endlich den Weg frei, das dringend erforderliche pädagogische Personal für unsere Ganztagsschulen bereitzustellen.
Doch hier heißt es wieder, die Kommunen seien in der Pflicht. Das ist Ihre Antwort. Wenn Sie es wirklich mit der Forderung ernst meinen, Bildung müsse Ländersache sein, müssen Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen, meine Damen und Herren. Wir sagen klipp und klar: Die personelle Ausstattung von Schulen ist Sache des Landes und nicht Sache der Kommunen oder des Bundes.
Ehrenamtlichkeit in allen Ehren, aber allein damit können keine Ganztagsschulen verantwortungsvoll betrieben werden. Geben Sie den Schulen – wie wir das wollen – Gelder, damit passgenau das notwendige Personal eingestellt werden kann.
Viertens: Jede Schule, die sich zu einer Ganztagsschule weiterentwickeln will, braucht nach § 22 des Schulgesetzes bislang eine Genehmigung. Das heißt, jedes Mal muss ein eigener Antrag für einen Schulversuch beim Kultusministerium gestellt werden. Viele fragen sich, wie viele Schulversuche diese Landesregierung eigentlich denn noch braucht, um zu kapieren, dass Ganztagsschulen nicht auf Brennpunktschulen reduziert werden können und dürfen, sondern für alle Schulformen gleichermaßen möglich sein sollen.
Andere Bundesländer – auch hier erinnere ich wieder an positive Beispiele wie Rheinland-Pfalz – haben Ganztagsschulen längst im Schulgesetz verankert und eine besondere Förderung hierfür festgeschrieben. Dies wollen wir mit unserem Gesetzentwurf erreichen: Auch in Baden-Württemberg soll die Ganztagsschule nicht mehr die ministeriell zu genehmigende Ausnahme sein, sondern eine moderne Schulform mit einem Anspruch auf Mittel für zusätzliches Personal.
Viele Schulen, meine Damen und Herren, sind erfreulicherweise auf dem Weg in diese Richtung und haben es verdient, unterstützt zu werden.
(Beifall bei der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE – Abg. Wintruff SPD: Da kann man nichts dagegen sagen!)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ganztagsschulen sind keine Erfindung der Bundesregierung, und Ganztagsschulen sind auch keine Erfindung der SPD.
Ganztagsschulen sind kein pädagogisches Allheilmittel. Schon oft haben wir darüber diskutiert, welche Stärken, aber auch welche Schwächen Ganztagsschulen haben können. Wir müssten uns auch darüber einig sein, dass längere Lernzeiten, die sich über den ganzen Tag erstrecken, nicht automatisch zu besserer Bildung und zu besserem Unterricht führen.
Dennoch sind wir der Auffassung, dass wir Ganztagsschulen bedarfsgerecht ausbauen müssen, und zwar im Rahmen des Finanzierbaren und im Rahmen unserer gesamten haushaltspolitischen Verantwortung.
Meine Damen und Herren, wir brauchen keinen Wettbewerb in der Quantität, und es darf auch nicht nach dem Motto laufen: „Je mehr Ganztagsschulen in Deutschland entstehen, desto besser wird die Bildungslandschaft.“ Eine solche Debatte – und da erlauben Sie mir bitte den folgenden Vergleich – haben wir schon einmal in den Siebzigerjahren geführt, als es hieß, wer mehr Gesamtschulen errichte, habe eine bessere Bildungslandschaft.
(Abg. Zeller SPD: Das ist ein schlechtes Beispiel! Gesamtschulen sind doch etwas ganz anderes als Ganztagsschulen! – Abg. Rückert CDU: Das ist ein sehr gutes Beispiel!)