Protocol of the Session on March 17, 2005

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Eine mehrjährige Betrachtungsweise ist mit Unsicherheiten versehen, vor allem auf der Einnahmeseite.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Die geschätzten Einnahmen sind selten die tatsächlichen Einnahmen. Deshalb ist der Grünen-Vorschlag verbal radikal, aber in der Durchsetzung etwas schwierig und wird wahrscheinlich nicht viel besser funktionieren als die mittelfristige Finanzplanung.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es! – Abg. Ho- fer FDP/DVP: Sehr vornehm ausgedrückt!)

Der zukünftige Konjunkturzyklus ist schwer vorhersehbar.

(Zuruf des Abg. Pauli CDU)

Außerdem hat das Land keine eigenen Möglichkeiten, die Einnahmeseite zu verbessern – leider. Es ist Aufgabe der Föderalismusreform, dies zu erreichen. Außerdem ist der Grünen-Vorschlag angesichts einer mittelfristigen Deckungslücke von 3 Milliarden € auch unrealistisch. Man legt die Latte sehr hoch.

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Deshalb würde ich vorschlagen, anderen Vorschlägen näher zu treten. Man könnte zum Beispiel anknüpfend an den Gedanken von Maastricht vorsehen, dass die Verschuldung des Landes pro Jahr zumindest nicht stärker steigen soll als das Bruttosozialprodukt. Dies würde für Baden-Württemberg einen sehr ehrgeizigen Ansatz bedeuten: Wenn wir von einem nominalen Wachstum von 3 % ausgehen und die Landesschulden ausgehend vom bestehenden Schuldenberg demnach nur um 3 % ansteigen dürften, würde das bei einem Schuldenstand von 40 Milliarden € Ende 2004 einen maximalen Schuldenanstieg von 1,2 Milliarden € pro Jahr bedeuten. Das wäre wesentlich weniger, als die Landesregierung im Doppelhaushalt vorgesehen hat. Dort ist, wenn man die Verschleierungstricks hinzuzählt, mehr als das Doppelte vorgesehen. Das heißt, allein die Stabilisierung des Schuldenstands durch eine analoge Anwendung des Maastricht-Kriteriums auf den Landesschuldenberg wäre ein sehr ehrgeiziges Ziel, das uns zwar nicht ganz aus der Klemme befreien würde, aber zumindest überlegenswert wäre.

Ein weiterer Vorschlag, ebenfalls an der jährlichen Kreditaufnahme anzusetzen, wäre eine Verschärfung des Kreditlimits zum Beispiel durch die Vorgabe, die Verschleierung der Verschuldung durch Leasing oder durch die Auslagerung auf Finanzierungsgesellschaften wie die Baufinanz aufzugeben. Man könnte auch einmalige Geldschöpfungen wie den Verkauf von Landesvermögen nicht als normale Einnahmen verbuchen,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

wie es Maastricht schon vorsieht. Man könnte bei der Investitionsgrenze auf die tatsächlichen Investitionsausgaben abstellen und nicht nur auf die Sollausgaben. Schließlich könnte man überlegen, ob über diese verschärften Grenzen hinausgehende Kreditaufnahmen an eine Zweidrittelmehrheit im Landtag gebunden werden könnten, um so eine zusätzliche Bremse einzubauen.

Ich denke, wir haben eine Bandbreite an Möglichkeiten, die Kreditaufnahme Jahr für Jahr schärfer an die Kandare zu nehmen. Wir sollten diese Möglichkeiten insgesamt betrachten und nicht einseitig auf den Vorschlag der Grünen abstellen. Es bleibt unsere Aufgabe, die Staatsverschuldung zu beschränken. Die Verfassung kann helfen; entscheidend ist aber der politische Wille, meine Damen und Herren.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Kleinmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal Gratulation zu dieser Rede, Herr Schmid. Ich bin völlig damit einverstanden.

(Zuruf des Abg. Stickelberger SPD)

Die Grünen fordern in ihrem Gesetzentwurf

(Unruhe)

darf ich jetzt einmal fortfahren? –, dass sich die zulässigen Höchstausgaben nach den geschätzten Einnahmen zu richten haben.

Erstens, Kollege Kretschmann, setzt das voraus – es wird ja von geschätzten Einnahmen gesprochen –, dass die Schätzungen richtig sind. Aber die Steuerschätzungen sind nun leider falsch, und zwar deshalb, weil einer der Parameter das vom Bundeswirtschaftsministerium prognostizierte Wirtschaftswachstum ist, das als solches, wie es dort geschätzt und vorgegeben wird, als Parameter eingebunden werden muss. Jeder Wirtschaftsminister versucht natürlich – da braucht man gar nicht auf die Fraktionen oder die Parteien zu schauen –, das Wachstum möglichst hoch anzusetzen. Daher ist der Ansatz in der Regel falsch. Damit ist natürlich auch die Schätzung falsch. Infolgedessen müsste man die Prognose um 5 oder 10 % nach unten korrigieren, wenn man hier überhaupt zu Potte kommen will.

Das Zweite – Kollege Schmid hat schon darauf hingewiesen –: Wir wissen ja, wenn Sie von der mittelfristigen Nachhaltigkeitsplanung sprechen, welcher Wert einer Mifrifi zukommt, nämlich dass sie oft nicht einmal das Papier wert ist, auf dem sie geschrieben ist. Welche Bedeutung kommt dann einer mittelfristigen Nachhaltigkeitsplanung zu?

(Abg. Fischer SPD: Herr Kollege, glauben Sie das nicht, was von Ihrer Regierung vorgelegt wurde?)

Freundlicherweise verzichten Sie auf eine Angabe, wann das Gesetz in Kraft treten soll. Damit zeigt sich schon das Dilemma eines solchen Gesetzentwurfs. Er kann an der Re

alität nichts ändern. Die mittelfristige Nachhaltigkeitsplanung, die dieser Gesetzentwurf postuliert, wird in ihren Einnahmeansätzen genauso von einer Projektion der wirtschaftlichen Entwicklung der nächsten Jahre abhängen, wie dies bisher bei den großen Steuerschätzungen und der mittelfristigen Finanzplanung der Fall ist.

Unser Problem war nicht in erster Linie, dass wir die Ausgaben nicht steuern und begrenzen können, sondern war, dass die Einnahmen seit dem Jahr 2000 weit unter den geschätzten Ansätzen liegen, weil die wirtschaftliche Entwicklung wesentlich negativer verlaufen ist als angenommen.

Daraus ergibt sich ein weiteres Problem, nämlich dass wir die Ausgaben nicht rasch genug an die gesunkenen Einnahmeerwartungen haben anpassen können. Ein vereinfachtes Beispiel soll dies deutlich machen: Bei einem Nettosteueraufkommen von 16 Milliarden €, aus dem der Zuschussbedarf aller Ressorts abgedeckt werden muss, und einer Nettokreditaufnahme von 2 Milliarden € dauert es vier Jahre, um einen ausgeglichenen Haushalt ohne Nettokreditneuaufnahme vorlegen zu können, falls a) das Nettosteueraufkommen kontinuierlich um 4 % wächst und b) das Ausgabenwachstum, genauer der Zuschussbedarf der jeweiligen Ressorts, strikt auf 1 % beschränkt wird. Bei einem auf 2 % reduzierten Anstieg des Nettosteueraufkommens wächst dieses innerhalb von sechs Jahren von 16 auf 18 Milliarden €. Sie könnten also einen ausgeglichenen Haushalt ohne Nettokreditaufnahme innerhalb dieses Zeitraums nur erreichen, wenn das Ausgabenwachstum konstant bei null läge.

Nun kennen wir alle die spezifischen Probleme, die mit der Belastung des Haushalts durch steigende Pensionsausgaben und durch eine ansteigende Zinsbelastung verbunden sind. Wir wissen, wie viel zur Begrenzung der Personalausgaben im Landeshaushalt getan werden muss, um diese zusätzlichen Belastungen auffangen zu können. Wir haben es im Rahmen der Haushaltsberatungen wiederholt angesprochen.

Diese Probleme müssen wir lösen, aber wir lösen sie nicht mit einem Papier, das mit freundlichen und gut klingenden Formulierungen daherkommt, reale Lösungsansätze aber nicht enthält.

Ich plädiere stattdessen dafür, dass wir uns ernsthaft der Frage widmen, die Haushaltswirtschaft des Landes so umzugestalten, dass wir einen vollständigen Überblick – Kollege Schmid, da sind wir uns einig – über den Vermögensstatus des Landes haben, damit wir genau wissen, welchem Vermögen wie viele Schulden gegenüberstehen, und dass wir darüber hinaus die auf die Zukunft verlagerten Belastungen und den Werteverzehr im Haushalt erfassen, dass wir mit Rückstellungen und Abschreibungen arbeiten, um uns auch hier ehrlich zu machen, was zum Beispiel die ständig steigenden Versorgungsausgaben und die Aufwendungen zum Erhalt der Vermögenswerte betrifft.

Diese Gesichtspunkte sprechen deutlich für die Anwendung kaufmännischer Methoden bei der Haushaltsaufstellung und der Haushaltsbewirtschaftung. Ganz zentral dabei ist die jährliche Aufstellung einer Vermögensrechnung, also einer Bilanz, die ausweist, welches Vermögen vorhanden ist und für die Gestaltung der Zukunft genutzt werden kann und

welche Verpflichtungen bestehen, die das Land jetzt und in Zukunft einzulösen hat.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth und Hofer FDP/DVP)

Das wäre ein wesentlich sinnvollerer Schritt hin zu einer Generationenbilanz, anhand deren die langfristige Tragfähigkeit öffentlicher Haushalte besser und ganz anders beurteilt werden könnte, als dies heute der Fall ist.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Finanzminister Stratthaus.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Vorschlag der Grünen ist es sicher wert, dass man sich ernsthaft damit beschäftigt, dass man sich ernsthaft damit auseinander setzt. Dennoch möchte ich gleich das Ergebnis vorwegnehmen: Zum derzeitigen Zeitpunkt, in der derzeitigen Situation können wir eine Übertragung der so genannten Schweizer Schuldengrenze auf das Land Baden-Württemberg auf keinen Fall zulassen.

Ich darf vielleicht doch einmal einiges von dem, was heute in der Diskussion gesagt worden ist, aufgreifen und die Situation beschreiben, um dann zu sagen, wo die Lösung liegt.

Wir haben uns im Jahr 2000 vorgenommen, bis zum Jahre 2006 die Nullnettoneuverschuldung zu erreichen. Das haben wir uns vor fünf Jahren vorgenommen.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Wir haben damals auf der einen Seite auf der Steuerschätzung aufgebaut und auf der anderen Seite auf unserer mittelfristigen Ausgabenplanung. Wir haben in diesen fünf Jahren tatsächlich sehr viel eingespart. Wir geben in den Jahren 2005 und 2006 weniger aus, als wir damals im Jahr 2000 für die entsprechenden Jahre geplant hatten.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Wir sind allerdings auch von Einnahmen ausgegangen, wie sie die Steuerschätzung prognostiziert hat. Aber diese Einnahmen sind halt total zusammengebrochen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Es ist schon x-mal gesagt worden: Wir werden im Jahr 2005 500 Millionen € weniger Steuereinnahmen haben als im Jahr 1999. In der Zwischenzeit sind natürlich die Ausgaben, auch die, die wir nicht beeinflussen können, dramatisch gestiegen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Zum Beispiel sind die Personalausgaben um 15 % gestiegen – nicht, weil wir mehr Personal eingestellt hätten, sondern aus Gründen der Erhöhung der Tarife und der Umsetzung der Tarife auf die Beamten. Sie müssen wissen, dass 42 % unseres Haushalts – in Wirklichkeit sogar noch mehr, wenn Sie die indirekten Kosten hinzunehmen – aus Perso

nalkosten bestehen. Das sind Fakten, die man nicht wegdiskutieren kann. Die Steuern sind total zusammengebrochen, und im Augenblick ist nirgendwo am Horizont ein Lichtschein zu sehen.