Insofern ist es, denke ich, ganz entscheidend, wie man mit der Frage umgeht. Zum einen: Was will Frau Zypries? Eine Strafbewehrung von heimlichen Vaterschaftstests halten wir für falsch.
Da werden Väter kriminalisiert, die im Endeffekt ihr Recht durchsetzen wollen und müssen und die fragen, ob sie nun der leibliche Vater sind oder nicht.
Es geht vor allem um eine weitere Frage, Herr Theurer, nämlich die Frage: Wie geht man vor Gericht damit um? Wie wird der Anfangsverdacht vor Gericht begründet? Da haben wir nämlich die entscheidenden Fragen. Auch heute reicht das Ergebnis eines heimlichen Vaterschaftstests nicht aus, um einen Anfangsverdacht zu begründen – das hat der BGH bestätigt –, mit dem die Vaterschaft angezweifelt werden kann. Ich glaube, im Interesse der Familien und der Väter müssen wir vor allem die Frage diskutieren, wie wir die gerichtlichen Verfahren erleichtern, damit die Väter die Anerkennung der Vaterschaft oder Nichtvaterschaft durchsetzen können. Denn das ist der nächste Schritt.
Daher brauchen wir, denke ich, eine Entkriminalisierung der Väter und keine Strafbewehrung, wie sie die Bundesregierung will, vor allem aber eine Diskussion, wie wir durchsetzen können, dass vor den Gerichten vernünftige Verfahren geführt werden können.
Wir halten es für richtig, wenn die Landesregierung in ihrem Gesetzentwurf, den sie im Bundesrat einbringen will, enge Maßstäbe setzt, indem sie nämlich den Personenkreis derjenigen, die Vaterschaftstests machen dürfen, auf die betroffenen Eltern oder die mutmaßlichen Eltern oder die Kinder einengt und die Schwiegermutter und den Nachbarn ausschließt, denn auch denen ein solches Recht einzuräumen, das würde zu weit gehen.
Eine Anmerkung in dieser ersten Runde ganz zum Schluss: Ich glaube, es muss auch im Interesse des Kindes sein, zu wissen: Wer ist mein Vater? Es soll zu einem frühen Zeitpunkt Klarheit darüber bestehen, damit sich eine ordentliche Beziehung aufbauen und damit ein vernünftiges Leben in der Familie stattfinden kann.
In der zweiten Runde möchte ich auf das Gendiagnostikgesetz der Bundesregierung eingehen. Hier sind viele Fragen im Umlauf, die man klarstellen sollte.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema „Heimliche Vaterschaftstests“ ist ein sensibles Thema. Herr Dr. Lasotta, Sie haben zutreffend darauf hingewiesen und haben angemahnt, dass wir den politischen Schlagabtausch gering halten. Dem kann ich mich nur anschließen, weil es hier nicht um populistische Forderungen geht, die Medienwirksamkeit erlangen, sondern um Grundrechte, um schutzwürdige Positionen von Vätern, Müttern und Kindern. Ich habe bei Ihnen, Herr Theurer, die Kinder und die Mütter vermisst, und von rechtsstaatlichen Prinzipien, Grundrechten und grundrechtlich geschützten Positionen haben Sie überhaupt nicht gesprochen.
Das ist ein Feld, das man insgesamt sehen muss. Vor diesem Hintergrund scheint mir der Titel der heutigen Debatte „Statt der Wahrheit – Strafe!“ doch außerordentlich reißerisch zu sein und dem Thema in keiner Weise gerecht zu werden.
Das Thema eignet sich nach meiner Meinung nicht für Profilierung in der Öffentlichkeit, für Populismus. Dafür stehen zu wichtige Rechtsgüter auf der Tagesordnung.
(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das interessiert aber das Volk – „populus“! – Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Das ist auch nicht populistisch!)
Meine Damen und Herren, wir haben hier Zielkonflikte, die zu lösen sind. Die Konfliktlage ist beschrieben worden, sie ist allseits bekannt. Herr Dr. Noll, sie interessiert natürlich die Öffentlichkeit sehr stark. Es ist nur die Frage, ob man in dieser populistischen Weise wie bereits geschehen darauf eine Antwort gibt.
Wir haben das Problem, dass wir die Eingriffe in die Familie möglichst gering halten müssen, dass wir Sicherheit schaffen müssen für zweifelnde Väter, aber auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Kinder und die schutzwürdigen Positionen der Mutter wahren müssen.
Die Stoßrichtung Ihrer Aktuellen Debatte, Herr Theurer, ging in erster Linie gegen die Bundesregierung und die dort in den Raum gestellte Strafbarkeit heimlicher Vaterschaftstests. Das sollte man um einiges tiefer hängen. Die Regelung in diesem Bereich war Bestandteil der Überlegungen zu einem Gentechnikgesetz, das Sie, Herr Dr. Lasotta, auch schon erwähnt haben. Eine eigene Strafbarkeit, eine Sonderregelung für heimliche Vaterschaftstests war in diesem Zusammenhang nicht vorgesehen. Es gibt auch noch eine entsprechende Arbeitsgruppe, die dies vertiefen wird.
Was stellen wir uns denn statt heimlicher Vaterschaftstests vor? Es gibt ja bisher die Möglichkeit der Vaterschaftsfeststellung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Sie ist sehr umständlich und teuer, ein justizförmiges Verfahren, das, glaube ich, dem gesellschaftlichen Problem, das wir alle sehen, und den Interessen der Väter sicher nicht gerecht wird.
Sie, Herr Dr. Goll, haben nun einen Vorschlag gemacht, der vorsieht, heimliche Vaterschaftstests zuzulassen, aber den
Personenkreis derer, die ein berechtigtes Interesse an solchen Tests geltend machen können sollen, sehr stark einzuschränken. Wir würden einen anderen Weg gehen. Wir meinen, man muss ein Verfahren wählen, das niederschwellig ist, das also eine erleichterte Feststellung der Vaterschaft ermöglicht und gleichzeitig die Rechtspositionen der übrigen Beteiligten wahrt. Dazu gehört, dass die Mutter darüber Bescheid weiß.
Wir, Herr Justizminister, können uns nicht mit einem Gesetzentwurf anfreunden, der im Wesentlichen eine Feststellung zum Inhalt und zur Grundlage hat, die im Grunde die Mutter austrickst. Das kann nicht Grundlage einer rechtsstaatlichen Regelung sein.
Deshalb sind wir für ein einfaches, niederschwelliges Verfahren, das die Feststellung der Vaterschaft schnell und leicht ermöglicht.
Über eine Strafbewehrung kann man diskutieren. Der Bundesgerichtshof hat sich eindeutig positioniert. Insofern verstehe ich Ihre Urteilsschelte, Herr Kollege Theurer, nicht ganz. Es handelt sich immerhin um das oberste Bundesgericht, das für diesen Bereich zuständig ist.
Dieses Gericht hat eine klare Aussage getroffen. Es hat im Gegensatz zu Ihnen sehr wohl eine Güterabwägung zwischen den berührten rechtlich geschützten Belangen von Mutter, Vater und Kind getroffen.
Ein letzter Aspekt, der mir in diesem Zusammenhang wichtig erscheint: Heimliche Vaterschaftstests sind ja, vor allem auch im Ausland, sehr günstig und preiswert zu erhalten. Um diesem Tourismus vorzubeugen, sind, glaube ich, EUweite Regelungen wahrscheinlich unerlässlich. Eine Lösung des Problems auf nationaler Ebene halten wir im Ergebnis für möglicherweise nicht ausreichend. Was wir aber unbedingt verlangen, sind rechtsstaatliche Prinzipien: Wahrung der Grundrechte aller Beteiligten und ein offenes, transparentes Verfahren, wie es sich für einen Rechtsstaat gehört.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei dem Thema „Heimliche Vaterschaftstests“ haben wir es mit einem Thema zu tun, das sehr sensibel ist und das in die Familien und in die Integrität von Menschen eingreift. Deswegen glaube ich, dass der plakative Titel dieser Aktuellen Debatte „Statt der Wahrheit – Strafe!“ diesem
Thema nicht angemessen ist. Da kann ich mich den Ausführungen des Kollegen Dr. Lasotta nur anschließen.
Worum geht es, liebe Kolleginnen und Kollegen? Es geht um die Frage, ob Kinder – 2003 waren es immerhin noch 730 000 an der Zahl, die in unserem Land geboren wurden – in Familien hineingeboren werden, in der sie Heimstatt, Aufnahme, Zuneigung und Liebe finden, oder ob sie in Familien hineingeboren werden, in der ihnen Misstrauen entgegengebracht wird, in der Heimlichkeit an der Tagesordnung ist, vor allem dann, wenn es darum geht, die biologische Herkunft der Kinder festzustellen.
Dazu möchte ich zunächst einmal sagen: Zuerst einmal gilt es abzuwägen zwischen den Grundrechtspositionen des Vaters und des Kindes. In diesem Fall würde ich die Grundrechtspositionen des Kindes in den Vordergrund stellen, weil das Kind sein Leben noch vor sich hat. Der Justizminister hat überhaupt nicht Recht, wenn er argumentiert, es gehe um den Familienfrieden.
In einer Familie, in der das Misstrauen des Vaters entsteht, ob er vielleicht gar nicht der Vater des Kindes ist, ist es mit dem Familienfrieden und mit dem Vertrauen, das überhaupt erst die Basis für familiäre Verhältnisse darstellt, nicht mehr weit her.
Da ist der Familienfrieden auch mit Vaterschaftstests nicht mehr zu retten, schon gar nicht mit heimlichen.