Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Erfreulicherweise ist es gelungen, hier keinen Wettbewerb darüber auszuloben, wer am meisten helfen will, sondern diesen Wettbewerb konstruktiv zu nutzen. Übrigens ist Wettbewerb um Hilfsbereitschaft besser als Wettbewerb um Rüstung. Deshalb denke ich, wir sind an einem Punkt, an dem wir einen gemeinsamen Antrag vorlegen können.
Ich finde, bei allem Schrecken und Elend, die mit dieser Welle über die Menschen gekommen sind, ist es positiv, dass es in deren Gefolge eine Welle der Solidarität, der Mitmenschlichkeit und der Hilfsbereitschaft in der ganzen Bundesrepublik und insbesondere natürlich auch in BadenWürttemberg gegeben hat. Dafür möchte ich all denen, die sich, auch im privaten Bereich, engagiert haben, ganz herzlichen Dank sagen.
In der Folge hat man ja gemerkt, dass durchaus auch einzelne Städte und Gemeinden – in meinem Wahlkreis zum Beispiel war es die Gemeinde Aichtal – sofort die Idee der Patenschaft und der Partnerschaft aufgegriffen haben. Häufig scheitert so etwas tatsächlich jedoch daran, dass man gar nicht weiß, bei welchen Projekten und auf welche Weise man vor Ort sinnvollerweise helfen soll. Daher halten wir es für richtig, dies über eine Anlauf- und Koordinierungsstelle zu tun, die nicht nur für staatliche, sondern auch für private Initiativen zuständig ist.
Wir sind sehr froh, dass wir darin übereinkommen konnten, dies beim Wirtschaftsministerium, das die wirtschaftliche Zusammenarbeit ja schon bisher mit großem Know-how befördert hat, anzudocken. Denn es soll ja nicht so weit kommen, dass wir womöglich noch eine Koordination der Koordinierungsstellen brauchen, sondern wir sollten selbstverständlich auf Vorhandenes zurückgreifen.
Es ist auch anzumerken, dass infolge dieser Katastrophe die Betroffenheit, die gerade auch dadurch entstand, dass es auch um baden-württembergische Bürgerinnen und Bürger ging, denen wir durch Soforthilfe beigestanden sind, groß war. Damit verbunden kam es auch zu einer großen Spendenbereitschaft.
Zu Recht sind in dem vorliegenden Antrag jedoch auch die so genannten „vergessenen Katastrophen“ genannt. Diese sind hier bereits mehrfach erwähnt worden, und es ist, denke ich, auch die Intention, den Bürgerinnen und Bürgern klar zu machen, dass wir trotz aller aktuellen persönlichen Betroffenheit nicht die anderen Regionen der Welt – da ist ja Afrika als der „vergessene Kontinent“ in den Mittelpunkt zu rücken – aus dem Blickfeld verschwinden lassen dürfen. Deswegen sind wir sehr froh über den Antrag.
Wir hatten ja schon einmal eine Partnerschaft mit Burundi. Ob man sie zukünftig wieder aufleben lassen kann, hängt von den Verhältnissen ab. Aber die Intention, einmal gemeinsam zu überlegen, ob wir nicht nur mit den von der Flutkatastrophe betroffenen Gebieten, sondern auch in Afrika eine solche Partnerschaft begründen, halte ich für sehr sinnvoll.
In diesem Sinne denke ich, dass wir auch als Landtag von Baden-Württemberg nicht nur ein Zeichen des Dankes an die Mitbürgerinnen und Mitbürger, ein Zeichen der Trauer und des Mitgefühls geben sollten – ein solches Zeichen haben wir ja bereits auf der zentralen Gedenkfeier gesetzt –, sondern dass wir tatsächlich ein Signal dafür setzen sollten, dass wir es mit der Nachhaltigkeit und der Dauerhaftigkeit ernst meinen. Wir wollen den Ländern Hilfe zur Selbsthilfe geben – und zwar nicht nur den aktuell betroffenen, sondern allen in dieser Welt betroffenen Regionen –, so gut wie wir es können. Dabei wollen wir sowohl das private Engagement als auch staatliche Hilfen bündeln.
Wenn wir das an der Stelle, an der das erforderliche Knowhow vorhanden ist, machen, dann, denke ich, sind wir auf einem guten Weg, nicht nur gut Gemeintes, sondern wirklich Gutes zu erreichen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Auch für die Fraktion GRÜNE möchte ich einen herzlichen Dank an alle Spender, an die vielen Einzelpersonen und Initiativen, an Unternehmen und Vereine, Gemeinden und andere sagen, die Hilfe für die Flutopfer geleistet haben. Auch von unserer Seite also ein herzliches Dankeschön.
Auch wir Grünen trauern mit den Angehörigen der Opfer. Sie haben ein schweres Los. Wir haben gerne im Haushalt 1 Million € bewilligt, um diesen Menschen zumindest eine materielle Hilfe zukommen zu lassen.
Unser Dank geht an alle bei den Hilfswerken, bei der Polizei und im Lagezentrum, die in den letzten Wochen einen überdurchschnittlich hohen Einsatz zur Bewältigung der Folgen des Seebebens leisten mussten. Sie verdienen unsere Anerkennung.
Meine Damen und Herren, wir haben derzeit die besondere Situation, dass nicht Spenden eingeworben werden müssen, sondern dass in vielfältiger Weise aus vielen Initiativen Spenden zusammengetragen werden. In dieser Situation ist es wichtig, dass eine Koordination erfolgt, damit diese Spendengelder auch wirklich sinnvollen Zwecken zugeführt werden.
Der Bund hat daher im Entwicklungsministerium bei der Servicestelle „Kommunen in der einen Welt“ eine Koordinierungszentrale „Wiederaufbau Asien“ geschaffen, die speziell die Hilfen, die aus den Kommunen erbracht werden, koordinieren soll. Das ist sicherlich eine sinnvolle Maßnahme.
Jetzt soll auf Landesebene noch ein Koordinierungszentrum geschaffen werden. Das findet auch unsere Unterstützung. Wir begrüßen es, dass die SEZ, die Stiftung Entwicklungs
Zusammenarbeit, bei der ja Sachverstand vorhanden ist, einbezogen wird. Ich möchte an dieser Stelle den Wunsch ausdrücken, dass diese Koordinierungsstelle nicht nur mit den großen Hilfsorganisationen zusammenarbeitet, sondern dass sie auch die kleinen Initiativen berücksichtigt, die teilweise sehr gezielt und punktuell helfen, aber sehr sinnvolle Aktionen durchführen.
Ich möchte das an einem Beispiel erläutern. Frauenorganisationen berichten, dass in Flüchtlingslagern sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen stattfanden. Die Frauen, die gerade noch sich und ihre Kinder retten konnten, wurden angegriffen und vergewaltigt. So etwas kann dort stattfinden, wo die öffentliche Ordnung zusammenbricht. Die Hilfsorganisation medica mondiale ruft daher zu Spenden auf, um besonders diesen Frauen zu helfen. Das ist zwar eine kleine Organisation, und es sind keine großen Beträge, aber ich meine, wir sollten auch solche Projekte im Blick haben. Ich rege an, dass die Koordinierungsstelle auf Landesebene auch solche Gruppen – ich will jetzt nicht nur für diese eine Werbung machen –, solche kleinen Initiativen, die da helfen wollen, an den Spendengeldern partizipieren lässt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Gedanken bringen. Auch wir Grünen unterstützen es natürlich, dass jetzt nachhaltig geholfen wird, dass wir nicht nur die aktuellen Schäden durch das Seebeben beheben, sondern dass wir versuchen, langfristige Hilfe zu leisten. Deshalb ist es gut, dass in der Resolution, die hier verabschiedet werden soll, unter Ziffer 5 das Motto ausgegeben wird: „Baden-Württemberg hilft weiter“. Ich glaube, das ist eine gute Leitlinie für eine solche nachhaltige Hilfe.
Ich möchte hier aber noch einen Gedanken vorbringen, auch wenn dieser vielleicht etwas ketzerisch klingen mag. Wir haben die Situation, dass Hilfswerke teilweise nicht mehr wissen, wohin sie das viele Spendengeld geben sollen. Die Opfer der Flutkatastrophe verdienen Hilfe; das ist ganz klar. Aber wenn man jetzt so viel Spendengeld hat, dass man es nicht sinnvoll für diese Menschen verwenden kann, dann sollte man auch den Gedanken in Erwägung ziehen, dieses Geld im Einklang mit den Spendern umzuwidmen und zu sagen: Es gibt viele Projekte in anderen Bereichen der Welt, in Afrika, in Lateinamerika, wo dieses Geld sinnvoll eingesetzt werden kann. Vielleicht sollte auch die Verwendung des Geldes, das die Landesstiftung Baden-Württemberg zur Verfügung stellt, unter diesem Aspekt geprüft werden, und vielleicht sollte auch die Koordinierungsstelle diesen Gedanken potenziellen Spendern nahe legen: Nicht alles Geld muss zu den Opfern der Flutkatastrophe, sondern es gibt auch noch viele andere Menschen, die der Hilfe bedürfen.
Meine Damen und Herren, mit diesen Anregungen möchte ich schließen. Wir Grünen tragen diese gemeinsame Resolution, diese gemeinsame Entschließung gerne mit.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kommt nicht oft vor, dass der Landtag eine interfraktionelle Initiative ergreift und einen Beschluss fasst, der durchaus auch Inhalt und Substanz hat. Das ist hier erfreulicherweise gelungen. Damit haben wir im Prinzip eigentlich schon eine der Konsequenzen selbst gezogen, die wir uns insgesamt, der Gesellschaft, unserem Land Baden-Württemberg empfehlen, nämlich unter dem Eindruck dieser Katastrophe mehr an Verständnis, mehr an Zusammenrücken, mehr an Verantwortung zu spüren – generell gegenüber den Ländern der Dritten Welt. Ich glaube, dass wir damit eine richtige grundsätzliche Erkenntnis aus einem ganz aktuellen Anlass gezogen haben. Ich freue mich, dass dieser Antrag zustande gekommen ist. Ich durfte daran etwas moderierend mitwirken.
Diese Verantwortung für die eine Welt heißt, dass wir uns in Zukunft selber vornehmen müssen und unsere Gesellschaft, Hilfsorganisationen, Kommunen und Unternehmen dazu motivieren sollen, auf Dauer mehr zu tun, um unserer Verantwortung gerecht zu werden, und dass diese Fragen – ich glaube, das kann man erfreulicherweise schon sehen – aus dem innenpolitischen Streit weithin herausgehalten werden. Das gilt übrigens grundsätzlich auch für die Entwicklungspolitik auf Bundesebene.
Die Landesregierung hat bei diesem dramatischen Ereignis – wie jeder in dieser Situation – aus dem Stegreif handeln müssen. Wir haben im Rahmen unserer Möglichkeiten das Nötige getan, ob es die personelle Seite ist mit der Polizei, die wirklich großartige Arbeit geleistet hat und bei der Identifizierung der Opfer noch leisten muss, oder ob das die 1 Million € ist, die wir für die eigenen betroffenen Bürger vorsorglich zur Verfügung gestellt haben; da gibt es erste Fälle, die wir bereits abwickeln. Wir können schon heute abschätzen, dass wir diese Million glücklicherweise bei weitem nicht brauchen werden. Aber wir wollten handlungsfähig sein. Ich bin dem Landtag auch dafür dankbar, dass wir sofort die Zustimmung bekommen haben, als wir diesen Nachschiebeantrag eingebracht haben.
Etliche Mitglieder des Aufsichtsrats der Landesstiftung – ich bin mir sicher, das wird letztlich bei allen Mitgliedern der Fall sein – haben bereits signalisiert, dass Gelder der Landesstiftung – zunächst einmal 1 Million € – zur Verfügung stehen sollen, und zwar in der Tat in dem Sinne, wie Sie, Herr Dr. Witzel, es angesprochen haben: Nicht noch einmal 1 Million € zusätzlich zu dem, was schon da ist, sondern ganz bewusst für längerfristige Projekte, möglicherweise auch für solche, die mit der Flutkatastrophe gar nichts mehr zu tun haben. Denn das ist, wie gesagt, die Lehre aus diesem Ereignis. Denn ansonsten ist es für uns etwas schwieriger, handlungsfähig zu sein, weil die Spendenbereitschaft nicht so vorhanden ist. Deshalb ist es richtig, wenn jetzt noch zusätzliche Gelder kommen oder vom Land bzw. der Landesstiftung etwas kommt, dass man sich betont dieser Aufgabe zuwendet.
Ich habe selber zwei Koordinierungssitzungen durchgeführt. Ich werde noch eine dritte machen, bevor wir diese Aufgabe, dem interfraktionellen Antrag entsprechend, an das Wirtschaftsministerium abgeben. Die Koordinierung in dieser Situation ist ungemein schwierig, weil es ein ungewöhnlich hohes, ein einmalig hohes Maß an Hilfsbereitschaft gibt. Und diese Hilfsbereitschaft ist im Prinzip durch die Vorstellung gekennzeichnet: „Ich möchte ein ganz konkretes Projekt. Es soll schnell gehen, und es soll ein eigenes Projekt sein, mit dem ich mich identifizieren kann.“ Es ist verständlich, dass das jeder Spender oder jeder, der etwas tun will, gerne hat, dass das Geld also nicht in einen großen Topf geht und man nur hoffen kann, dass es an die richtige Stelle kommen wird. Man sucht vielmehr einen konkreten Punkt.
Das ist verständlich, und es ist von hier aus gedacht. Es ist nicht unbedingt von der konkreten Situation vor Ort her gedacht, wo man eigentlich sagen muss: Es muss das Notwendigste, das Dringendste geschehen. Und das darf nicht von dem Maß der Hilfe, sondern muss von dem Maß der Notwendigkeit bestimmt sein. In diesem Dilemma stehen wir jetzt.
In dem Dilemma stehen auch die Hilfsorganisationen, die in der Tat für die kurzfristige und wahrscheinlich sogar für einen Teil der mittelfristigen Hilfe relativ viele Spenden bekommen haben. Aber die Hilfsorganisationen sind bislang selber nicht in der Lage – das ist auch nicht verwunderlich: das Land ist verwüstet, es hat nicht die Verwaltung, die wir in Mitteleuropa gewöhnt sind –, so schnell genau die Projekte zu identifizieren, auf die die Hilfsbereiten warten. Man kann nur hoffen, dass erstens die Geduld und die Hilfsbereitschaft erhalten bleiben, selbst wenn man die Projekte noch nicht identifizieren kann. Das ist übrigens ein Problem, das der Bund und die anderen Länder auch haben. Das liegt in der Natur der Sache.
Zum Zweiten finde ich den Gedanken der Umwidmung von Spenden nicht ketzerisch. Das muss natürlich in Rücksprache mit den Spendern geschehen – das haben auch alle Hilfsorganisationen so gesagt –, das darf nie still und heimlich erfolgen. Gerade bei größeren Spenden kommt sozusagen die Rückfrage: Können wir das jetzt nicht auch für vielleicht diese Länder, aber möglicherweise nicht mehr für eine ganz kurzfristige Hilfe geben oder möglicherweise sogar für irgendeine andere Hilfe im Bereich der Entwicklungsländer? Ich glaube also, das ist in Rücksprache mit den Spendern eine Lösungsmöglichkeit, neben dem Bemühen, wie gesagt, in gewisser Weise um Geduld zu werben und dieses – wie soll man sagen? – besondere Maß an Hilfsbereitschaft zu kanalisieren, bis die Projekte tatsächlich gefunden sind.
Ich weiß zum Beispiel aus Gesprächen mit dem Roten Kreuz – unser Kollege Heinz ist ja Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes in Baden-Württemberg –, dass dort die Philosophie vorherrscht, die ich ein Stück nachvollziehen kann: Wir koordinieren innerhalb der RoteKreuz-Welt. Also: Da gibt es das Rote Kreuz vor Ort, da gibt es das Internationale Rote Kreuz, und da gibt es die Vereinten Nationen. Wenn wir Projekte da richtig identifi
ziert haben, können wir uns – sagt das Rote Kreuz – um andere Dinge nicht mehr kümmern, aber das Unsrige machen wir sozusagen in sich solide.
Was machen wir mit den vielen örtlichen Initiativen, den Kirchengemeinden und all denen, die es da gibt? Ich kann nur darum bitten, die Koordinierungsstelle einzuschalten, und ich kann nur um ein bisschen Geduld bitten, sodass wir möglichst viel dabei identifizieren können. Die Hereinnahme der Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit und für die langfristige Aufgabe auch die Hereinnahme des DEAB ist, glaube ich, ein richtiger gesellschaftspolitischer Ansatz, weil damit auch deutlich wird, dass die Aufgabe, die vor uns steht, nicht nur – eigentlich fast zum geringsten Teil – eine landespolitische und eine landeshaushaltspolitische Aufgabe ist, sondern eine Aufgabe für uns alle sein wird.
Insofern: Ich glaube, wir haben unter dem Eindruck eines dramatischen Ereignisses vernünftig, längerfristig, kooperativ und verantwortungsvoll gehandelt. Jetzt müssen diesem Impuls und diesem Anlass entsprechend auch längerfristig Taten folgen. Der heutige Tag ist dazu ein guter Start.
Ich lasse über den Antrag der vier Fraktionen, Drucksache 13/4085, abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Einstimmig so beschlossen.
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt und Verkehr zu der Mitteilung der Landesregierung vom 14. September 2004 – Bericht der Landesregierung zu einem Beschluss des Landtags – Unterrichtung des Landtags in EU-Angelegenheiten; hier: Vorschlagspaket zur Neuausrichtung des europäischen Chemikalienrechts – Drucksachen 13/3550, 13/3830