Protocol of the Session on February 23, 2005

Dies gilt auch bei den Abgeordneten. Dort haben Sie genauso argumentiert und haben unseren Vorschlag abgelehnt.

(Unruhe)

Wir argumentieren an dieser Stelle konsequent. Ich habe das Protokoll da. Kollege Drexler, Sie haben gesagt, für die 13. Wahlperiode könnten keine Veränderungen vorgenommen werden,

(Abg. Drexler SPD: Ja!)

wegen des Bestands- und Vertrauensschutzes.

(Abg. Drexler SPD: Ja!)

Das muss natürlich in der Konsequenz, Kollege Drexler, auch für die Minister gelten. Deswegen müssen wir gemeinsam eine Lösung suchen.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Da hätte ich eigentlich vom Führer,

(Zurufe von der CDU: Führer?)

vom Leiter dieser Regierungsfraktion, vom Vorsitzenden – Entschuldigung – der Regierungsfraktion mehr erwartet als nur Polemik gegenüber der Opposition. Das ist, glaube ich, ein Armutszeugnis,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück!)

vor allem dann, wenn Sie in Zukunft die Regierung in diesem Land – jetzt stimmt es – führen wollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, die SPD hat noch Redezeit. Wünschen Sie noch das Wort? – Dann erteile ich das Wort Herrn Minister Müller.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das international bekannte Meinungsforschungsinstitut Gallup hat im Jahr 2004 eine weltweite Umfrage gemacht, in der es in 60 verschiedenen Län

dern bei 50 000 Menschen um die Beurteilung der politischen Führung des jeweils eigenen Landes ging. Ergebnis für Deutschland in Bezug auf die politische Führung: 76 % der Deutschen halten die Politiker generell für unredlich. 76 %! Das heißt nicht, dass Politiker das Richtige oder das Falsche tun, sondern das ist eine moralische Kategorie, die es Politikern eigentlich unmöglich macht, überhaupt noch etwas zu sagen, denn einem Unredlichen kann man nichts zutrauen.

Es ist übrigens auch nach der Legitimität und Redlichkeit der wirtschaftlichen Führung gefragt worden. Die Zahlen waren da nicht viel anders.

Interessant ist, dass dieselbe Frage in anderen Ländern zu einem anderen Ergebnis geführt hat. Weltweit, im Durchschnitt aller Länder, war das Urteil von 63 % der Befragten, Politiker seien unredlich, im europäischen Durchschnitt von 46 %.

(Zuruf von der SPD: 16 Jahre Kohl!)

Jetzt muss man zunächst einmal sagen, dass das Urteil, das über Politiker in Bezug auf ihr Verhältnis zu Geld gefällt wird, tatsächlich objektiv mit individuellem Fehlverhalten oder mit generellen Fehlentwicklungen zusammenhängen kann. Dann ist das aufzudecken, zu kritisieren, zu sanktionieren und abzustellen. Da kommt den Medien eine Rolle zu, und da kommt uns selber als selbstkritische Politiker auch eine Rolle zu. Das ist die eine Erklärung: Es kann dafür objektive Gründe geben.

Aber es muss uns doch zu denken geben, meine Damen und Herren, dass der Anteil derer, die Politiker als unredlich einschätzen, bei uns fast doppelt so hoch ist wie im europäischen Schnitt. Ich glaube nicht, dass der deutsche Politiker doppelt so unredlich ist wie der Schnitt der europäischen Politiker.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Da sind halt in der Vergangenheit zu viele schwarze Koffer herumge- standen!)

Deswegen vermute ich einmal, dass das Urteil über die Politik auch mit Wahrnehmungen zu tun hat, mit Bildern, mit Maßstäben, sozusagen mit Folien, mit Vergleichsmaßstäben. Ich möchte einmal einige aus unserer Diskussion aufgreifen. Gemessen an diesen Maßstäben ist dann allerdings alles, was mit dem Thema Politikerbezahlung und -versorgung bei den Abgeordneten wie bei den Ministern zu tun hat, natürlich ein Defizit.

Wir haben bei uns in der öffentlichen Diskussion die Vorstellung, dass der Politiker im Prinzip so viel verdienen und auch eine Altersversorgung haben soll wie der Durchschnitt seiner Wähler. Das sieht man in der Diskussion: Alter 65, Vergleich mit dem Eckrentner, der Normalrentner müsste soundso viele Jahrzehnte tätig sein, Diätenhöhe an die durchschnittliche Entwicklung anpassen.

Ich glaube, man muss dem zunächst einmal schlicht entgegenstellen, dass dies die falsche Messlatte ist. Politiker sind in einer Führungsverantwortung und haben sich deswegen auch an dem zu orientieren, was Führungskräfte in anderen Teilen der Gesellschaft bekommen.

(Minister Müller)

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Oel- mayer GRÜNE: In anderen Bundesländern stimmt die Messlatte doch auch, Herr Minister!)

Zweitens: In der öffentlichen Diskussion, gerade bei uns in Deutschland, wird verkannt, dass Politiker – und zwar meine ich damit speziell Minister, nicht Abgeordnete – beim Eintritt in ihr Amt alle beruflichen Brücken hinter sich abbrechen müssen. Das ist auch richtig. Sie sollen kein anderes besoldetes, bezahltes Amt haben.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Manche mehr, manche weniger!)

Dies ist rechtlich in allen Bundesländern und im Bund so geregelt. Das ist auch völlig korrekt. Aber das bedeutet für die berufliche Laufbahn eines Politikers natürlich etwas, wenn er anschließend aus diesem Amt ausscheidet. Deswegen wird er im Prinzip alimentiert wie ein Beamter – freilich mit einem feinen Unterschied. Und das ist das dritte Problem: Bei einem Politiker wird eine beamtenähnliche Versorgung – das heißt eine solche, bei der er nicht selbst eigene Beiträge zu seiner Altersversorgung geleistet hat – mittlerweile als etwas moralisch Verwerfliches, als ein Privileg angesehen.

Millionen von Beamten leisten für ihre eigene Altersversorgung nichts. Aber es gibt zugleich einen Unterschied zwischen einem Politiker – vor allem einem Minister – und einem Beamten: Für den einen gilt das Lebenszeitprinzip – und das ist die vierte Fehlwahrnehmung –, und der andere ist täglich ohne Angabe von Gründen und ohne Kündigungsschutz kündbar. Und auch das ist gut so – dass er kündbar ist –; davon lebt die Demokratie.

Aber dieses erhöhte Risiko und die Schwierigkeiten des Wiedereinstiegs sowie die Tatsache, dass Minister – rein statistisch betrachtet – über alle Bundesländer und den Bund hinweg eine relativ kurze Amtszeit haben – wenige Jahre – und dass sie in der Regel im mittleren oder im höheren Alter wieder ausscheiden, alle diese Faktoren müssen bei der Ministerversorgung umgekehrt kompensatorisch berücksichtigt werden.

Es ist interessant: Alle paar Jahre gibt es einen Bericht des Bundesinnenministeriums über die Ministerversorgung in allen Bundesländern und beim Bund. Genau diese Elemente, die ich gerade beschrieben habe, werden dort als selbstverständlich, normal und richtig definiert und vor dem Hintergrund der Situation gesehen, in der sich Minister befinden. Deswegen ist auch die Altersversorgung – von bestimmten Zahlen abgesehen: Einstiegshöhe, Dynamisierungsrate, bis wohin usw. – zwar von Land zu Land vielleicht etwas unterschiedlich, was diese Einzelheiten anbelangt, aber in den Strukturen überall gleich.

Ich will noch einmal zu der Frage zurückkehren, meine Damen und Herren, womit das vernichtend schlechte Urteil über die Politiker denn noch zusammenhängen könnte. Ich habe die Sorge, dass es damit zusammenhängt, dass Politiker untereinander und übereinander mit überzogenen, mit falschen, mit populistischen und mit maßlosen Vorwürfen herziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Dann dürfen wir uns nicht wundern. Das konnten wir in den letzten Wochen in diesem Lande erleben. Aber, meine Damen und Herren von der Opposition – da meine ich weniger die Grünen, um es ganz deutlich zu sagen, sondern ich meine speziell die SPD –,

(Zuruf von der SPD: Das ist unglaublich!)

wer diesen Stein aufhebt, dem fällt er auf die eigenen Füße.

(Zurufe der Abg. Drexler SPD und Dr. Noll FDP/ DVP)

Denn da wird nicht zwischen CDU- und SPD-Politikern unterschieden oder zwischen FDP und Grünen, sondern dann heißt es: „Die taugen alle nichts,

(Abg. Drexler SPD: Ja natürlich, das wissen wir!)

das sind alles Halunken.“ Das ist das Urteil, das Sie damit selbst auslösen. Sie werden genauso das Opfer der Vorurteile, die Sie schüren.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen will ich an dieser Stelle auch eine Bemerkung zur Verantwortung der Presse machen. Freiheit und Verantwortung sind zwei Seiten derselben Medaille.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Heide- rose Berroth FDP/DVP: Wie wahr!)

Beispielsweise hat es in den letzten Wochen gegenüber Christoph Palmer – bei weitem nicht in allen Presseorganen, aber bei einem bestimmten – einen Vernichtungsfeldzug gegeben.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Machen wir jetzt Medienschelte? Kommen Sie doch einmal zur Sa- che! – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Fischer: Jetzt hören Sie doch auf! – Unruhe)

Ja, das war so. Das ist von Ihnen ausgelöst worden.