Protocol of the Session on February 18, 2005

Die Botschaft ist klar: Ausgaben senken, Einnahmen stabilisieren, sonst rutscht der Haushalt noch weiter ab.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Es gibt kaum ein Land, das besser ist als wir!)

Zu den Ausgaben habe ich in meinen vorhergehenden Reden sehr viel gesagt. Ich will jetzt einige Bemerkungen zur Einnahmeseite machen.

Es gibt in Ihrer schriftlich vorgelegten Rede, mit der Sie den Haushalt eingebracht haben, einige interessante Passagen bezüglich der Analyse der Einnahmeseite. Ich darf zitieren:

Anfang 2005 tritt eine spürbare Senkung der Einkommensteuer in Kraft.... Angesichts der finanziellen Lage sehe ich aber nicht, dass die öffentlichen Haushalte noch weiter in Vorleistung treten könnten.

So weit ein Zitat aus Ihrer Einbringungsrede.

Nur: Vor wenigen Tagen las ich in der „Financial Times“ ein Interview mit Ihnen, Herr Minister Stratthaus, in dem Sie für eine weitere Entlastung bei der Unternehmensbesteuerung eintreten, ohne von Aufkommensneutralität zu sprechen. Nun bin ich zwar nicht dagegen, das eine oder andere Detail bei der Unternehmensbesteuerung nachzujustieren. Darüber könnte man mit uns immer reden. Aber wer von Entlastung spricht, muss im gleichen Satz auch von der Gegenfinanzierung reden. Alles andere, Herr Minister, ist Populismus und führt dann über Erwartungen, die nicht zu erfüllen sind, in das Ventil der weiteren Staatsverschuldung.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Und wenn es Arbeits- plätze schafft? Dann bringt es auch finanzielle Ent- lastung!)

Das machen wir nicht mit. Ich würde mich freuen, Herr Stratthaus, wenn Sie als derjenige, der das Land finanzpolitisch repräsentiert, auch weiterhin auf der Linie Ihrer Einbringungsrede bleiben würden, eine Steuerreform auf absehbare Zeit nur bei Aufkommensneutralität vorzusehen.

Zweitens ist zur Einnahmeseite zu sagen: Sie haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Steuern, die der Staat festsetzt, auch eingetrieben werden. Wir haben dazu Vorschläge unterbreitet, etwa den, dass man die Einkommensteuererklärung nur alle zwei Jahre machen muss und dass Sie da initiativ werden.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sie können doch da auch initiativ werden!)

Dadurch könnten wir sehr viele Finanzbeamte einsparen und zusätzlich noch 500 Betriebsprüfer freisetzen, um die Einnahmeseite zu verbessern. Der Rechnungshof hat uns da ja die entsprechenden Hinweise gegeben. Dieser Linie folgen Sie leider nicht, sondern Sie sehen ein solches Vorgehen offensichtlich als eine heimliche Steuerentlastung für die Bürgerschaft und die Unternehmen an. Ich finde, das geht nicht. Das untergräbt die Steuermoral, und es untergräbt vor allem unseren Haushalt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Zu Herrn Kollegen Seimetz und zu meinen Vorrednern möchte ich noch etwas sagen, um der Bildung der Legende zu begegnen, Schuld an der Situation und der Verschuldung des Landes sei die rot-grüne Bundesregierung. Zunächst einmal teile ich diese Art der Argumentation grundsätzlich nicht; denn jeder ist für seinen Haushalt verantwortlich.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Nein, bei der Gemein- schaftssteuer nicht! Wie denn? – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wir leben nicht auf einer Insel! – Wei- tere Zurufe)

Was Sie hier zeigen, ist keine wirklich unternehmerische Haltung und Einstellung. Es geht nicht an, Haushaltspolitik nicht auf der Grundlage der bestehenden Fakten zu machen, sondern auf der Grundlage irgendwelcher Wünsche, die Sie haben.

Jetzt nehmen wir aber einmal Ihre Argumentation und vergleichen die Entwicklung der Verschuldung unseres Bundeslandes in der Ära Kohl, das heißt von 1982 bis 1997, mit der Entwicklung in der Ära Schröder, also von 1998 bis 2004. Dabei werden Sie sehen, dass von 1982 bis 1996 die Verschuldung in Baden-Württemberg jährlich um durchschnittlich 7,7 % gestiegen ist, in der Zeit von 1998 bis heute jedoch nur um 4,6 % jährlich.

(Abg. Rückert CDU: Das liegt an der Einnahmeent- wicklung!)

Wenn man also Ihrer Argumentation folgt, dann ergibt sich daraus, dass Sie Ihre Agitation einmal beiseite lassen sollten und sich die Zahlen anschauen sollten. Sie werden dann sehen, dass die Ära Schröder, bezogen auf die Schulden des Landes, geradezu eine Schuldenbremse war gegenüber der Ära Kohl.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Döpper CDU: Fasching ist vor- bei!)

Die Zahlen habe ich genannt, Herr Kollege Döpper. Ich weiß, Sie sind ein netter Kollege; aber wie gut Sie rechnen können, weiß ich natürlich nicht.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Aber er kann Äpfel und Birnen auseinander halten!)

Erinnern Sie sich immer an Franz Josef Strauß: Man kann Generale anschnauzen, aber nicht Zahlen.

(Abg. Sieber CDU: Das ist von Churchill!)

Ich komme jetzt noch zum Punkt Verwaltung. Es ist in letzter Zeit – verspätet, aber immerhin – in Sachen Verwaltungsreform und Vermehrung der wirtschaftlichen Strukturen bei der Verwaltung Bewegung entstanden. Im Geschäftsbereich des Finanzministeriums wurden Aufgaben neu gebündelt und in marktnähere Rechtsformen überführt – Landesbetrieb Vermögen und Bau. Ich denke, das ist richtig. Wir haben ja im Vorfeld mehrfach auf das Beispiel anderer Bundesländer wie Hessen hingewiesen. Nur darf das kein Verschiebebahnhof bleiben, sondern muss auch zu Ergebnissen führen.

Wir haben daher im Finanzausschuss beantragt, dass den Betrieben, die in eine neue Rechtsform überführt wurden – die SPD hat jetzt zum Vermessungsbetrieb einen Antrag vorgelegt, den wir unterstützen –, die gleiche Effizienzrendite vorgegeben werden soll, die das Land den Kommunen bei der Übernahme von Aufgaben vorgegeben hat, nämlich 3 % pro Jahr. Dies wurde – überraschend für uns – im

Finanzausschuss abgelehnt. Ich finde, es passt nicht zusammen, dass man eine Verwaltungsreform kreiert, bei der man den Kommunen diese Effizienzrendite aufbürdet, aber dort, wo man selber die Reform durchführt, diese Vorgabe nicht macht und Anträge in ähnlicher Größenordnung ablehnt. Das zeigt, dass Sie sich das, was Sie den Kommunen zutrauen, selber nicht zutrauen.

(Abg. Zeller SPD: So ist es, genau!)

Jetzt komme ich noch zum letzten Punkt meiner Rede, den Kommunen.

(Abg. Pauli CDU: Die Kommunen sind eindeutig besser! – Abg. Kübler CDU: Jetzt bin ich ge- spannt!)

Sie greifen den Kommunen in ganz dramatischer Weise in die Tasche – 350 Millionen €. Ich muss noch einmal darauf hinweisen: Wenn wir die kommunale Finanzausstattung weiterhin zum Steinbruch für die Sanierung des Landeshaushalts machen, dann hat das auf die Lebenswelt der Menschen ganz konkrete Auswirkungen. Das, was wir hier machen, hat Auswirkungen auf Kinder, Jugendliche, hilfsbedürftige Menschen. Es hat ganz konkrete Auswirkungen auf ihre Lebensumstände, ihre Lebenswege und sogar ihre Lebensschicksale. Man darf das hier nicht einfach machen und glauben, da passiere nichts Wesentliches. Die Konsequenz aus den Ergebnissen der PISA-Studie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, heißt ja nicht nur in der Schule lernen, sondern auch Nachmittagsbetreuung an der Schule, ein Buch aus der Gemeindebücherei, die Musikschule in der Gemeinde, die Sprachförderung im Kindergarten. Das müssen doch alles die Kommunen bezahlen. Wie sollen sie diese neuen Aufgaben bewältigen,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das müssen wir neu re- geln!)

wenn Sie in so dramatischer Weise in die kommunale Finanzmasse eingreifen?

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das müssen wir in der Tat neu regeln!)

Deswegen darf die kommunale Finanzmasse nicht weiter in diesem Maß als Steinbruch zur Deckung der Haushaltslücke betrachtet werden. Wir müssen diese Belastung der Kommunen wenigstens abmildern. Wir haben das gemacht. Wir haben für die nächsten zwei Haushaltsjahre die Streichung der 13. Monatspension vorgeschlagen. Natürlich gibt es diese, Herr Kollege Noll. Sie ist jetzt nur umgelegt auf zwölf Monate.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Dann sollte man aber auch nicht mehr davon reden!)

Das ist jedenfalls eine Sonderzahlung, die wir nach wie vor streichen können.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Die gibt es aber auch nicht mehr in der Höhe, wie Sie es mit dem Aus- druck vermitteln wollen!)

Diesen Beitrag müssen wir den Pensionären zumuten, um die Pensionslawine abzumildern – das ist immerhin ein er

klecklicher Anteil von 8 % –, aber auch um die Kommunen in den nächsten beiden Jahren um diesen Betrag zu entlasten, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können.

Ich schlage deswegen noch vor, da auch wir aufgrund Ihrer Versäumnisse in der Haushaltspolitik diesen Eingriff nicht völlig durch Umschichtungen ausgleichen können, einen Kommunalswing für die Kommunen zu schaffen. Denn die Kommunen sind ja oft nicht in der Lage, diese harten Sofortkürzungen kurzfristig auszugleichen. Das führt dann leicht zu Fadenrissen bei den Kommunen in der kommunalen Daseinsvorsorge und zur Schließung von Einrichtungen insbesondere im sozialen und im kulturellen Bereich. Wenn diese Strukturen erst einmal kaputt sind, kommen sie nie mehr wieder, vor allem, wenn ehrenamtliches Engagement dranhängt.

Deswegen werden wir einen Antrag einbringen, der es den Kommunen über einen fünfjährigen Kommunalswing ermöglichen soll, diese Eingriffe auf fünf Jahre zu strecken. Ich hoffe, dass Sie wenigstens diesem Antrag zustimmen werden.

(Abg. Schneider CDU: Swingerclub! – Heiterkeit – Abg. Sakellariou SPD: Was ist denn das für einer?)

Ich möchte noch einmal sehr deutlich sagen, dass wir als Opposition weiterhin hart kritisieren werden, wenn es mit einer nachhaltigen Finanzpolitik nicht vorangeht. Ich denke, wir haben durch unsere Anträge und unsere Vorschläge auch deutlich gemacht, dass wir bereit sind, die Bürgerinnen und Bürger und die beim Land Beschäftigten mit den neuen Realitäten zu konfrontieren. Wir sind bereit, von den Bürgern als Einschnitt empfundene Veränderungen mitzutragen, wenn sie nicht dazu dienen, alte Weltbilder, unnötige Subventionen oder Besitzstände zu zementieren, sondern wenn sie dazu dienen, die Nachhaltigkeit der Finanzen des Landes zu sichern und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes in wirtschaftlicher, kultureller, sozialer und ökologischer Hinsicht voranzubringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Stratthaus.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es gleich einmal vorweg zu sagen: Die Finanzlage ist dramatisch.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Genau! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: So ist es! – Abg. Zeller SPD: Sa- gen Sie das mal Ihren eigenen Leuten!)

Es hat keinen Sinn, die Sache beschönigen zu wollen. Es ist keine Frage: Unsere Situation ist nicht gut. Aber, meine Damen und Herren, man darf die miserable Situation nicht nur beschreiben, sondern man muss Wege suchen, wie man sie verbessern kann. Vor allem muss man versuchen, einmal die Gründe zu finden, warum es so gekommen ist.

Sie sagen nun immer, wir seien für Baden-Württemberg zuständig und es habe keinen Sinn, auf andere Länder oder