Protocol of the Session on February 18, 2005

Ich komme noch einmal zu der allgemeinen Situation, weil man die großen Ziele gerade zum Abschluss dieser Debatte nicht aus den Augen verlieren sollte.

Maastricht-Konformität: Es gibt ja zwischen Bund und Ländern innerhalb der EU keinen unbestrittenen Schlüssel, wie man diese Dinge errechnet. Nehmen Sie einmal die Neuverschuldung Baden-Württembergs, nach der Einwohnerzahl heruntergebrochen, im jetzigen Landeshaushalt. Entsprechend den Maastricht-Kriterien dürften wir im Jahr 2005 insgesamt 2,85 Milliarden € und im Jahr 2006 insgesamt 2,94 Milliarden € Neuverschuldung aufnehmen. Wir liegen jeweils bei 1,99 Milliarden € und damit, glaube ich,

deutlich darunter. Das heißt, der Haushalt unseres Bundeslands Baden-Württemberg ist auch in Bezug auf die Maastricht-Kriterien solide und somit uneingeschränkt Maastricht-konform.

Wir haben hier in den Jahren zwischen 2003 und 2006, gemessen an dieser Rechengrundlage, eine Quote von 0,72 %. 1 % wäre zulässig. Wir haben also entsprechend den Vorgaben des Finanzplanungsrats in einer für die Bundesländer vorbildlichen Weise statt 1,0 % eine Quote von 0,72 % erzielt. Da ist zwar viel Mathematik und Zahlenspiel dabei, aber Sie sehen an dieser Zahl: Wenn neben Bayern und Sachsen auch andere Bundesländer diese Quote erreichen könnten, würden die sich die Finger danach lecken, dies haushaltspolitisch zu packen. Wir haben es geschafft, und das sollte jeder in diesem Haus auch positiv anerkennen.

Ländervergleiche zum Haushalt 2005: Nettoneuverschuldung ist immer etwas, was man nicht gern macht. Darüber sind wir uns in diesem Haus alle einig. Aber es ist eben von der Einnahmesituation her – ich will hier gar nicht die bundespolitische Debatte neu aufkochen – eine schwierige Lage. Logischerweise hängen die Länder ja viel, viel stärker von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ab als der Bund, und zwar dadurch, Herr Kollege Kretschmann, dass ihre Haushalte sehr stark personalkostendeterminiert sind. Über 40 % der Ausgaben bei unseren Personalkosten sind fix, und wir haben als Land auf unsere Einnahmeseite deutlich weniger Einfluss, als der Bundesgesetzgeber Einfluss auf seine Einnahmeseite nehmen kann.

Die Pro-Kopf-Nettoneuverschuldung liegt in Baden-Württemberg bei 185 €. In Rheinland-Pfalz, unserem linksrheinischen Nachbarland, sind es 252 €. Ich schaue dort nicht mit Häme hin und argumentiere nicht vor dem Hintergrund der reinen Parteipolitik oder gar der parteipolitischen Polemik,

(Abg. Sakellariou SPD: Nö!)

sondern ich nenne, weil wir umgekehrt von der Opposition immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert werden, die Dinge in unserem Haushalt liefen nicht so, wie wir es in Landeskompetenz optimal gestalten könnten, einfach einmal diese zwei Zahlen. Ich meine, wenn Sie die 185 € in Baden-Württemberg den 252 € in Rheinland-Pfalz gegenüberstellen, verstehen Sie, warum ich froh bin, dass ich rechtsrheinisch lebe und nicht linksrheinisch.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Wieser CDU)

Wenn ich die Landesverbindlichkeiten pro Einwohner nehme – –

(Abg. Gall SPD: Ob da alle froh sind, weiß ich nicht!)

Herr Kollege, Sie werden damit sicherlich positiv leben können. Wir hatten ja schon schöne gemeinsame Erlebnisse, und da waren Sie sehr froh – –

(Heiterkeit – Abg. Wieser CDU: Da bin ich jetzt aber gespannt! – Weitere Zurufe)

Bei Diskussionen, im Ausschuss, bei Debatten,

(Abg. Gall SPD: Für diese Klarstellung bin ich dankbar!)

auch bei Witz, auch bei gemeinsamen Reisen.

(Abg. Gall SPD: Für diese Klarstellung bin ich dankbar!)

Herr Kollege Gall, dass Sie keine roten Ohren bekommen haben in der Gemeinschaftlichkeit mit einem schwarzen Kollegen – – Seien Sie doch mit mir froh, dass ich rechtsrheinisch lebe; ich bin auch mit Ihnen froh, dass Sie das tun können und nicht an der Grenze zum Saarland leben, sondern in Baden-Württemberg und damit im vollen Genuss einer Haushaltspolitik, Herr Minister Stratthaus, die im Vergleich der Bundesländer erstklassig verläuft.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Ja, ja! Die Bonität ist im Rating gerade heruntergestuft worden! Da reden Sie von erstklassig!)

Insofern – Herr Kollege Kretschmann, ohne die Situation schönzureden; das habe ich heute auch nicht getan; ich habe ja die Probleme auch angesprochen – meine ich, dass Sie abschließend auch in der Perspektive der haushaltspolitischen Entwicklung der Bundesländer noch einmal eine Zahl sehen sollten. Uns drückt natürlich die Zinsbelastung, die wir haben und die entscheidend auch dadurch zustande gekommen ist, dass Baden-Württemberg seit Bestehen dieses Bundeslands durch den Länderfinanzausgleich ausgesaugt wird, jetzt mit 2,14 Milliarden €. Die Pro-Kopf-Verschuldung liegt bei uns bei 3 334 €, während sie in RheinlandPfalz bei 5 466 € und in Nordrhein-Westfalen bei rund 5 500 € liegt. Jetzt will ich bezogen auf die Länder Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen nicht sagen: „Wir wissen alle, dass so was von so was kommt“, aber es ist schon ein Indikator: Dort, wo CDU und FDP gemeinsam regieren, geht es trotz aller Probleme immer noch ein bisschen besser als dort, wo der politische Wettbewerber regiert.

Insofern sehe ich die Dinge sachlich, nüchtern,

(Vereinzelt Heiterkeit)

problembewusst, aber auch optimistisch.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden 2006 den Regierungswechsel in Berlin angehen. Aufschwung in Deutschland, und weiterhin Glückauf für Baden-Württemberg!

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schmid.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schmid.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wegtauchen, Kleinreden, Gefälligkeit, auch vorgetragen im angenehmen kurpfälzischen Singsang, enthebt

uns nicht der Aufgabe, einen nüchternen Blick auf diesen Landeshaushalt zu werfen. Der nüchterne Blick zeigt: Wir haben zum dritten Mal in Folge eine Rekordneuverschuldung von annähernd 2 Milliarden € pro Jahr.

Ein Blick auf das Zahlenwerk lehrt uns, dass die Regierung Teufel/Oettinger den Schuldenberg des Landes mehr als verdoppelt hat, und zwar von etwas mehr als 20 Milliarden € auf 44 Milliarden € am Ende dieses Doppelhaushalts, dass sich die CDU-FDP/DVP-Landesregierung den weitaus größten Anteil dieser Zunahmen, nämlich 90 % seit 1996, auf die Schultern laden muss und dass wir kurzfristig aus diesem Schlamassel nicht herauskommen, dass allerdings der Landeshaushalt für 2005/2006 auch keinerlei Perspektive aufweist, wie wir aus diesem Schlamassel herauskommen können.

Die Haushaltsberatungen haben mit einem Paukenschlag begonnen. Die Kreditwürdigkeit des Landes wurde herabgestuft. Das hat Folgen, nämlich die Einsicht beim Finanzminister, dass wir nicht mehr erster Klasse sind, und auch Folgen für die Kreditfinanzierung, denn jeder Kredit des Landes kostet jetzt etwas mehr. Wenn wir davon ausgehen, dass wir ein Achtel der derzeit 40 Milliarden € Schulden im Land im Jahr umschichten, dann bedeutet dieses verschlechterte Rating Mehrkosten von 2 Millionen € in den nächsten beiden Jahren. Das ist zunächst nur ein kleiner Effekt. Aber man sieht, dass wir auch da auf einer abschüssigen Piste angelangt sind. Das kann nur noch gefährlicher werden.

Was ist die Antwort der Landesregierung darauf in diesem Doppelhaushalt? Die Antwort ist Verhüllen und Täuschen. Der verfassungsgemäße Haushalt, der auch gerade eben schon wieder so beschworen wurde, steht nur auf dem Papier.

(Abg. Reichardt CDU: Maastricht steht nicht nur auf dem Papier!)

Mindestens eine weitere Milliarde Euro an Vermögensverkäufen und Forderungsverkäufen hat dazu gedient, diese Deckungslücke zu schließen. Der alte solide Haushaltsgrundsatz, dass Vermögen zu Vermögen gemacht werden muss, wurde von Ihnen gänzlich aufgegeben, weil Sie Vermögensbestandteile des Landes weggeben, um Haushaltslöcher zu stopfen. Übrigens wäre dies bei Anlegen der Maastricht-Kriterien auch nicht angängig gewesen. Maastricht sieht dafür vor, dass dies nicht gewertet werden darf.

Besonders dreist ist das Beispiel des Verkaufs der Zinsforderung aus der stillen Einlage des Landes bei der Landesbank Baden-Württemberg. Diese Zinsforderung bringt uns 80 Millionen € im Jahr. Für den Kredit, den wir aufnehmen mussten, um diese stille Einlage zu zeichnen, müssen wir pro Jahr 65 Millionen € aufbringen. Sie haben jetzt die Zinsforderung, also die Einnahmeposition von 80 Millionen € bis zum Jahr 2017, in diesem Doppelhaushalt verkauft. Aber natürlich müssen wir Jahr für Jahr bis zum Jahr 2017 weiterhin diese 65 Millionen € einstellen, weil wir weiterhin unseren Kredit als Land Baden-Württemberg bedienen müssen. Das heißt, Sie haben einseitig die Einnahmeposition weggegeben, aber die Kostenseite, die Ausgabeposition läuft im Haushalt durch. Allein dadurch haben

Sie 550 Millionen € für den Doppelhaushalt an außergewöhnlichen Effekten erzielt. Das ist nicht beliebig wiederholbar. Irgendwann gibt es keine Forderungen mehr zu verkaufen.

Das Sündenregister der verdeckten Verschuldung geht noch viel weiter. Wir haben Forderungsverkäufe im Bereich des MLR von 30 Millionen €. Wir haben weitere Veräußerungen von Forderungen im Einzelplan 12 von knapp 5 Millionen €. Wir haben die Aussetzung von Zinszahlungen an den Schattenhaushalt Baufinanzierung von 60 Millionen €. Wir haben eine Streckung der Zahlungen für die Finanzierungskosten von NSI in Höhe von 23 Millionen €. Wir haben außerdem Immobilienverkäufe in Höhe von 240 Millionen €. Wir haben eine Sonderausschüttung der L-Bank von 200 Millionen €. Wir haben die Auskehrung von Resten für das Stadtqualitätsprogramm aus der L-Bank von 18 Millionen €. Das heißt, Sie haben an breiter Front einmalig Forderungen und Vermögen aktiviert, um diesen Haushalt in der Nettoneuverschuldung nicht ganz so stark ansteigen zu lassen.

(Abg. Schmiedel SPD: Vermögen verscherbelt!)

Das ist 1 Milliarde € an verdeckter Staatsverschuldung, die in diesem Haushalt drinsteckt.

(Abg. Schmiedel SPD: Irre!)

Hinzu kommt eine Belastung durch erhöhte Verpflichtungsermächtigungen. Das heißt, der Stand der Vorbelastungen für kommende Haushalte durch Verpflichtungsermächtigungen ergibt eine Erhöhung der Nettosumme, also abzüglich der bedienten Verpflichtungsermächtigungen in diesem Doppelhaushalt, von 400 Millionen €. Auch da haben Sie zulasten der Zukunft gewirtschaftet, indem Sie Gelder bewilligt haben, für die Sie in den Folgejahren erst noch die Finanzierungsquelle erschließen müssen.

Wenn wir das zusammenfassen, müssen wir davon ausgehen, dass das Land bei ehrlicher Betrachtungsweise eine Deckungslücke von eher 3 Milliarden € pro Jahr hat. Deshalb ist bei materieller Betrachtung, wenn man das Kreditlimit der Verfassung nach Sinn und Zweck betrachtet, der Haushalt natürlich nicht verfassungsgemäß, weil er nur durch zahlreiche Tricks in den Bereich der Verfassungsmäßigkeit gehoben worden ist.

Außerdem ist dieser Haushalt zum wiederholten Mal formell verfassungswidrig, weil er erst am 23. Februar verabschiedet werden wird. Artikel 79 der Landesverfassung sieht allerdings vor, dass er zum Jahresbeginn verabschiedet werden muss. Das ist ein Problem, das wir in Serie haben. Da werden Sie sozusagen zum Serientäter, was Verfassungsverstöße anbelangt. Der Haushalt in Baden-Württemberg wird strukturell durch das Agieren der Landesregierung zu spät eingebracht, obwohl § 30 der Landeshaushaltsordnung vorsieht, dass der Haushalt im Entwurf bis zum 30. September im Parlament vorgelegt werden muss. Das heißt, dieser Haushalt ist sowohl in der Sache als auch formell nach den Verfassungsvorschriften für Fristen nicht verfassungsgemäß.

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: So ist es, Herr Rückert!)

Die SPD-Landtagsfraktion hat auf diese schwierige Situation mit einer zweigleisigen Strategie geantwortet. Wir wissen, dass wir mittelfristig den Landeshaushalt nur sanieren können, wenn wir strukturelle Einsparungen vornehmen. Wir wissen aber auch, dass wir kurzfristig für den vorhandenen Doppelhaushalt ein Gegenfinanzierungskonzept für unsere Verbesserungsvorschläge vorlegen müssen. Beides haben wir getan, sodass alle Änderungsanträge, die wir als Fraktion im Laufe dieser Haushaltsberatungen eingebracht haben, durch Finanzierungsvorschläge, die im Doppelhaushalt realisiert werden können, gedeckt worden sind.

(Abg. Schmiedel SPD: Sehr richtig!)

Man mag sich über den politischen Sinn dieser Deckungsvorschläge streiten. Deshalb haben wir ja das Parlament, damit man sich da auseinander setzt. Aber dass wir in der Sache finanzpolitische Seriosität bewiesen haben, kann uns niemand abstreiten.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Scheffold CDU: Das glauben Sie ja selber nicht!)

Besonders wichtig ist mir die langfristige Strategie zur Konsolidierung des Landeshaushalts. Die SPD-Fraktion ist die einzige Fraktion, die zu dem schwierigen Bereich Personalkosten ein langfristiges Programm aufgelegt hat, in dem wir sagen: Wir können uns vorstellen, dass wir in der Landesverwaltung 10 000 Stellen innerhalb von zehn Jahren einsparen können,