Protocol of the Session on December 15, 2004

Herr Kollege Drexler, ist Ihnen bekannt, wie die SPD-regierten Länder bei Hartz IV mit dem Wohngeld verfahren? Ist Ihnen hierbei bekannt, dass alle – mit Ausnahme Nordrhein-Westfalens – gleichermaßen wie Baden-Württemberg den Nettobetrag an die Kommunen weiterreichen?

Nordrhein-Westfalen reicht es weiter.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Die machen es über den Finanzausgleich! – Gegenrufe von der SPD, u. a. Abg. Capezzuto: Herr Staatssekretär, zuhören!)

Sie machen es immer so: Beim Thema Kinderbetreuungsstätten schauen Sie nicht nach Frankreich. Das tun Sie vielmehr beim Thema Agrardiesel. Bei dem jetzt angesprochenen Thema schauen Sie nach Schleswig-Holstein und nicht nach Nordrhein-Westfalen. Wir sind hier in Baden-Württemberg. Wir wollen hier unsere Politik gestalten. Das ist Föderalismus. Wollen Sie denn alles einheitlich machen? Dann bräuchten wir auch keine Föderalismuskommission.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Jetzt komme ich zum Thema „Ganztagsschule und Betreuung“.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Herr Oettinger sagt: „Wir brauchen so viel Familie wie möglich, aber auch so viele Ganztagsangebote wie nötig und ei

nen Ausbau der Ganztagsschulen.“ Wo sind dafür in diesem Haushalt Mittel etatisiert? Nirgends! Wir haben vor zwei Monaten gesagt: Das Programm der Bundesregierung zum Ausbau der Ganztagsschulen ist recht erfolgreich. Im Übrigen entlastet das den Landeshaushalt von Investitionsmitteln, Herr Scheffold.

(Zuruf des Abg. Dr. Scheffold CDU)

Das ist doch schön. Da können Sie doch einmal danke schön sagen,

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

dass wir in diesem Land 528 Millionen € für den Ausbau der Ganztagsschulen erhalten – freiwillig, ohne Verpflichtung.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Dr. Scheffold: Auf Schuldenbasis! Dafür machen sie Schulden! – Gegenrufe von der SPD – Abg. Wieser CDU: Herr Präsident, schalten Sie doch das Mikrofon ab! Er schreit so!)

Jetzt wäre es doch gut, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie anständigerweise wenigstens das Personal zur Verfügung stellen würden. Die Investitionen zahlt der Bund, 10 % zahlen die Kommunen, und jetzt muss die Ganztagsschule eine Ganztagsschule werden.

(Abg. Wieser CDU: Jetzt wird es besser!)

Und sie wird keine Ganztagsschule, wenn kein Personal vorhanden ist, vor allem kein pädagogisches Personal. Deswegen: Wer für den Ausbau der Ganztagsschulen ist, muss hier dafür eintreten, dass zusätzliche Lehrer an die Ganztagsschulen kommen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Anders geht es nicht, sonst haben Sie nämlich eine „Ganztagsschule light“ unter dem Motto: Vormittags Unterricht, mittags essen, und nachmittags soll der Sportverein die Betreuung übernehmen.

(Abg. Hauk CDU: Wollen Sie denn die Unter- richtszeit weiter erhöhen?)

Die Unterrichtszeit wird verändert und wird erhöht.

(Abg. Hauk CDU: Wollen Sie weiter erhöhen? Noch mehr Belastung? – Gegenrufe von der SPD)

Herr Hauk, auch Sie als Förster sollten es kapieren: Wir haben zu wenig Unterricht in Deutschland.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Lesen Sie doch einmal die Ergebnisse der PISA-Studie: zu wenig individuelle Förderung, zu wenig Förderung. Wir haben in Baden-Württemberg doch zu wenig und nicht zu viel Förderung. Deswegen brauchen wir mehr Personal. Das ist eigentlich auch unbestritten.

(Abg. Wieser CDU: Mit Ihrer Lautstärke können Sie sofort in zwei Klassenzimmern simultan unter- richten!)

Nein, Sie ärgern sich bloß,

(Abg. Wieser CDU: Weil Sie so schreien, Herr Drexler!)

weil Sie die Schuldentreiber in Baden-Württemberg sind und wir Ihnen das gerade nachweisen. Das ist mir schon klar.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Jetzt kommen wir zu den tollen Aussagen des Herrn Oettinger: Parallelgesellschaften dulden wir nicht; wir erwarten, dass die deutsche Sprache gelernt wird.

(Abg. Wieser CDU: Das ist das Mindeste!)

Schön! Das finde ich gut. Dann sorgen Sie aber doch einmal dafür, dass in unseren Kindergärten verpflichtend festgelegt wird, dass jeder zwischen drei und sechs Jahren, der aus dem Kindergarten kommt, Deutsch kann, dass wie in ganz Europa im Kindergarten die Heimatsprache gelernt wird.

(Beifall bei der SPD)

Seit drei Jahren fordern wir das, und zwar verpflichtend.

(Abg. Wieser CDU: Wird dort Englisch gespro- chen?)

Was machen Sie eigentlich? Sie machen das Erlernen der deutschen Sprache zu einer freiwilligen Entscheidung. 11 000 Kinder von 75 000, die es notwendig hätten, werden freiwillig geschult. Das müssen Sie aus Chancengleichheitsund Integrationsgründen verpflichtend machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das müssten Sie doch langsam kapiert haben!

(Beifall bei der SPD)

Obwohl ich Frau Schavan jetzt gerade nicht mehr im Blickpunkt habe, möchte ich doch Folgendes sagen: Wenn Frau Schavan sagt, die Imame müssten in der Moschee deutsch reden, ist das ja ganz toll, aber dann muss auch vorher klar sein, dass die Zuhörer, wenn der Imam deutsch spricht, auch in der Lage sein sollten, Deutsch zu verstehen. Dafür sollte man im Kindergarten einmal sorgen.

(Lebhafter Beifall und Heiterkeit bei der SPD und den Grünen)

Ihr eigenes Ministerium hat ausgerechnet, dass das 6,5 Millionen € kosten würde. 6,5 Millionen € würde es uns kosten, zu erreichen, dass alle, die aus dem Kindergarten kommen, Deutsch können. Das sind 96 % aller unserer Kinder. Die hätten mit sechs Jahren alle die gleiche Chance. Wenn das so wäre, könnte man eine ganz andere Grundschule machen. Weder Herr Oettinger noch Frau Schavan stellen dieses Geld in diesen Haushalt ein. Ich zeige Ihnen, wo man dieses Geld holen könnte.

(Abg. Alfred Haas CDU: Schon wieder! Rothaus! – Der Redner hält eine Zeitungsbeilage hoch.)

Gucken Sie sich das an: Acht Seiten Anzeige „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ in allen großen norddeutschen Zeitungen. 7 Millionen € kostet uns dieser Unsinn.

(Beifall bei der SPD)

Aber für baden-württembergische Kinder, die hier Deutsch lernen sollen, haben wir keinen müden Euro.

(Abg. Blenke CDU: Sie wollen unser Land nur schlechtreden!)

Das ist Ihre Finanzpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Schauen Sie einmal auf die Anzeige zum Schluss. Hier steht so schön drauf: „Und was haben Sie im Kopf?“ Das frage ich mich manchmal auch.

(Große Heiterkeit und anhaltender Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Capezzuto SPD: So isch no au wieder!)