Protocol of the Session on December 15, 2004

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

dass Sie die Wahlrechtsreform nach persönlichen Bedürfnissen oder persönlichen Interessen betreiben. Das ist kein adäquates Wahlrechtsreformverfahren. Das entspricht nicht dem Geschäftsgebaren in diesem Landtag.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Auf eines möchte ich auch noch abheben – der Kollege Birzele hat es auch getan –: Seit ich diesem Parlament angehöre – das sind jetzt acht Jahre –,

(Abg. Walter GRÜNE: Bald neun!)

legen wir immer zu Beginn einer Wahlperiode Anträge auf Einsetzung von Kommissionen oder von Arbeitskreisen, die sich mit dieser Wahlrechtsreform befassen, vor, weil wir natürlich wissen – auch das ist uns bewusst; wir alle sind von dieser Reform betroffen, wenn man sie richtig angeht –, dass man eine solche Reform nur dann richtig unter Dach und Fach bringt, wenn man alle Betroffenen mit ins Boot nimmt, aber nicht so, wie Sie das gestalten, nämlich im Hauruckverfahren im Hinterzimmer. Wenn man sich dann nicht einmal an die Absprachen hält, Herr Kollege Hauk, die in der Vorsitzendenkonferenz gemeinsam verabredet worden sind, dann ist das schäbig. Das ist Heuchelei.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ein meines Erachtens ganz wichtiger Punkt: Wir haben natürlich, was die Größe der Wahlkreise betrifft, in diesem Landtagswahlrecht erst recht ein Problem, weil wir ja die absolute Stimmenzahl bei der so genannten Zweitauszählung darüber entscheiden lassen, wer nun das Mandat zugeteilt bekommt. Schauen wir es uns einmal an. Das Innenministerium hat aufgrund der Ausschussberatungen noch eine aktuelle Aufstellung vorgelegt: Aktualisierte Stimmenzahl in den Wahlkreisen anhand der Europawahl.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die stimmt doch aber nicht!)

Jetzt gibt es da ganz wenige Besonderheiten, die nur für die Europawahl gelten. Kollegin Berroth, hören Sie gut zu. Es tut Ihnen gut, wenn Sie zuhören. Es ist einfach so, dass die Zahl der Wahlkreise – sie will nicht zuhören, das ist mir klar –,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ich kann schreiben und zuhören, Herr Kollege!)

in denen die Zahl der Wahlberechtigten mehr als 25 % nach unten bzw. oben abweicht, zwischenzeitlich sieben beträgt und nicht mehr nur fünf

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Böblingen und Sindelfingen!)

und dass wir darüber hinaus insgesamt 22 Wahlkreise haben, die nicht mehr in der 15-prozentigen Norm liegen. Insofern hätten Sie natürlich alles daransetzen müssen, diese Wahlrechtsreform jetzt auf dieser Grundlage anzugehen.

Vollkommen unverständlich, Kollege Hauk, ist mir und unserer Fraktion, dass Sie jetzt nicht einmal zu dem bereit sind, was in der Vorsitzendenrunde vereinbart worden ist, nämlich diese Kommission, die die Wahlkreise ändert, jetzt einzusetzen, damit wir im Jahr 2011 eine ordnungsgemäße, sachgerechte und die Gleichheit der Stimmen gewährleistende Landtagswahl durchführen können. Nicht einmal dazu sind Sie bereit. Das ist vollkommen unverständlich, Kollege Hauk. Da muss man wirklich sagen: Der Schwanz hat nicht nur mit dem Hund gewedelt, sondern, um mit den Worten der Kollegin Berroth zu sprechen, der Schwanz erpresst den Hund.

(Zurufe der Abg. Dr. Noll und Heiderose Berroth FDP/DVP)

Insoweit hätte ich von Ihnen schon mehr Rückgrat erwartet, was den kleinen Koalitionspartner anbelangt, der auch noch offen gelegt hat, was die echten Motive für diese jetzt vorliegende Wahlrechtsreform sind.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich darf zum Schluss noch zwei, drei Punkte nennen, bei denen nach unserer Auffassung das Wahlrecht geändert werden muss.

Erstens: Geändert werden muss das Einstimmenwahlrecht, das wir haben und das Sie ja offensichtlich grundsätzlich beibehalten wollen. Das soll ja gar nicht in Abrede gestellt werden. Das ist eine politische Diskussion. Darüber entscheidet der Landtag mit Mehrheit. Wenn es aber dabei bleibt, dann hat die Größe der Wahlkreise eine ganz zentrale Bedeutung. Diese Veränderung wollen Sie nicht herbeiführen.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Nur minimalistisch wollen Sie die herbeiführen, quasi nach jeweiligem Dafürhalten,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Zuhören!)

nach Berücksichtigung der persönlichen Interessen einzelner betroffener Abgeordneter.

(Abg. Hauk CDU: Das stimmt doch gar nicht! Wer sagt das?)

Das kann keine Wahlrechtsreform sein.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Ein zweiter Punkt, den wir mehrfach angemahnt haben und der in anderen Bundesländern, unter anderem in einem, auf das Sie immer verweisen, auch zu Ungerechtigkeiten gerade gegenüber kleineren Parteien führt, ist die mehrfache Anwendung des d’Hondt’schen Auszählverfahrens. Da müssten Sie doch Größe zeigen und müssten sagen: Wir wollen nicht warten, bis unser Staatsgerichtshof die Entscheidung trifft, dass dieses Auszählverfahren nicht mehr angewandt werden darf, sondern wollen wie bei der Bundestagswahl und wie in anderen Bundesländern Hare/Niemeyer auch bei der Landtagswahl anwenden. Das entscheiden wir als Gesetzgeber hier in diesem Haus. Nicht einmal solch kleine Reformvorhaben sind Sie bereit mitzumachen.

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Ein weiterer und wichtiger Punkt – auch der wurde bereits angesprochen –: Ich kann aus eigener Erfahrung und aus unserer Fraktion berichten – Kollege Hauk, hören Sie gut zu –, dass der Frauenanteil in einer Fraktion nicht unerheblich für deren Verhalten ist, und zwar nicht nur für deren Verhalten innerhalb des Parlaments, sondern auch für die Abstimmungsverfahren, die Meinungsbildung, das Einbringen von Lebenserfahrung. Da haben Sie offensichtlich unheimlich großen Nachholbedarf mit 22 % Frauenanteil in der CDU-Fraktion, Kollege Hauk.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Auch hier sollte aus unserer Sicht doch daran gedacht werden, einer Reform,

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

die die Frauenanteile und -quoten fördert, zuzustimmen.

(Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Kollege Zimmermann, Ihr Wahlkreis und damit auch Ihr Mandat wird eh weg sein mit dem, was Sie heute verabschieden wollen,

(Abg. Zimmermann CDU: So eine Fehleinschät- zung!)

es sei denn, Sie würden sich noch eines Besseren besinnen.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Kurzum – ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren –: Dieses Verfahren, das Sie heute hier durch den Landtag ziehen wollen, ist nicht sachgerecht. Es erfüllt das Ziel nicht. Es geht nach dem Gusto einzelner Abgeordneter, die ihre Wahlkreise verteidigen und behalten wollen.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: FDP/DVP-Abgeordnete!)

Das kann nicht angemessen sein. Es kann nicht richtig sein, wenn der Landtag diesen Gesetzentwurf heute verabschiedet. Deswegen kann ich nur mit dem Kollegen Birzele an Sie appellieren: Lassen Sie die Hände von diesem Gesetz! Verschieben Sie die Reform! Lassen Sie uns das gemeinsam diskutieren!

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Und Sie gehen dann vor Gericht, ja?)

Frau Kollegin Berroth, was den Kollegen Kretschmann anbelangt – wenn ich das einmal sagen darf, weil ich das unbefangen tun kann, da es nicht um meinen Wahlkreis geht –, so hat er uns immer wieder und bis heute glaubhaft berichtet, dass er mitnichten gegen das, was die Fraktionsvorsitzendenrunde vereinbart hat, was dort diskutiert wurde und was den Wahlkreis Nürtingen, nämlich den seinen, anbelangt, argumentiert hat,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Herr Noll auch nicht!)

sondern sich sehr wohl bewusst ist, dass das auch seinen Wahlkreis betreffen kann.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Dann sollten Sie mal sa- gen, dass der Kollege Drexler im Interesse der Frau Kollegin Bregenzer argumentiert hat!)

Wenn Sie etwas anderes behaupten, dann sagen Sie die Unwahrheit. Auch wenn Sie noch so laut brüllen, ist es nicht zutreffend. Insofern ist dieses Verhalten – ich habe es eingangs schon gesagt – einfach schäbig.

(Abg. Zimmermann CDU: Dafür gibt es Zeugen!)

Ich appelliere an Sie: Verabschieden Sie diesen Gesetzentwurf heute nicht. Vertagen Sie das Thema. Lassen Sie uns

das ordnungsgemäß aufarbeiten; dann können wir auch den Menschen draußen im Land wieder ins Gesicht schauen.