Protocol of the Session on July 19, 2001

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Überlegen Sie es sich gut!)

Auch der Begriff vom „Freund Walter“ geht mir sicher nicht so schnell über die Lippen.

Trotzdem bin ich froh, dass wir über diese Dinge debattieren, weil das die Möglichkeit gibt, sich in einem schwierigen Feld, in einem Feld mit vielen Interessenkonflikten, zu reiben und vielleicht einen guten Weg zu finden. Ich will ausdrücklich den Ball aufnehmen, der von allen Rednern zum Ausdruck kam, dass man dem neuen Minister offen begegnen möchte. Ich will meinerseits auch Offenheit ansagen. Ich bin gern bereit, in einen kritischen Dialog einzutreten. Ich bin sicherlich auch dort diskussionsbereit, wo es Korrekturen geben könnte.

(Abg. Walter GRÜNE: Toll!)

Ich bin aber umgekehrt auch bereit, dann, wenn es gut war und man es schlecht reden will, zu sagen: So nicht.

Ich denke, der Konflikt, um den es sich handelt, ist klar. Einerseits wollen wir alle Lebensräume, Landschaft und Natur schützen sowie die Artenvielfalt der Pflanzen und Tiere erhalten. Dieser Obersatz gilt für alle. Auf der anderen Seite – es geht ja um eine Schutzpolitik – müssen wir uns auch mit dem auseinander setzen, der möglicherweise Gefährder ist, der die Gefährdung verursacht. Das ist der Mensch. Da wir ihn nicht auf den Mond wegschießen können, müssen wir uns mit dem auseinander setzen, was seine Lebensweisen sind und was seine existenziellen Bedürfnisse sind, die da heißen: Siedlung, Wohnen, Arbeitsplätze, Leben und, erst recht in unserer Gesellschaft, Freizeit.

Deswegen nützt es auch nicht, wenn wir damit zu plakativ umgehen. Natürlich ist es immer wieder interessant, und ich kann auch Aufmerksamkeit erwecken, wenn ich davon rede, was der tägliche Landschaftsverbrauch ist: 119 Hektar. Ihr Kollege, der SPD-Oberbürgermeister von Leipzig, der heute den BMW-Vertrag unterschreibt, sieht das mit dem Landschaftsverbrauch ganz aktuell im Hinblick auf 12 000 Arbeitsplätze in einem anderen Licht. Die Wahrheit ist also konkret.

Man muss sagen, was gebraucht wird, und am konkreten Objekt überlegen, ob es in diesem Umfang gebraucht wird. Dann muss man sicherlich ehrlicherweise auch hinzufügen, Herr Dr. Caroli, wo man rekultiviert, wo man zurückführt, wo man dann tatsächlich in einer Gesamtbilanz sehen kann, dass das, was wir in der Besiedlung für die Menschen tun, nicht so verkehrt ist, wie es oft schwarz-weiß dargestellt wird.

Zur Naturschutzpolitik in Baden-Württemberg: Ich habe mir extra einmal eine ganze Statistik zusammenstellen lassen, was es da alles an Naturschutzgebieten, an Naturdenk

(Minister Stächele)

malen, Naturparks, Landschaftsschutzgebieten und anderem gibt. Ich lasse die Zahlen einmal beiseite. Fest steht, dass wir auf einem guten Weg sind.

(Beifall bei der CDU)

Fest steht, dass wir im Land 945 Naturschutzgebiete haben. Fest steht, dass wir 14 300 Naturdenkmale pflegen, und fest steht, dass es bei uns sechs Naturparks und 1 500 Landschaftsschutzgebiete gibt. Ich habe die Zahlen einmal genannt, weil auch ich, als ich sie einmal vor mir gesehen habe, gesagt habe: Donnerwetter, das war doch einiges.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Jetzt geht es natürlich um die Frage, wie wir das weiterentwickeln können. An der Naturschutzpolitik sind unendlich viele beteiligt. Wir diskutieren hier. Die Landkreise und die Kommunen gehören auch dazu. Wenn Sie sagen, wir hätten eine engstirnige Naturschutzpolitik in Baden-Württemberg, dann werden Sie auch die alle mit einer solchen Äußerung zu Unrecht strafen.

(Abg. Kiefl CDU: So ist es! Genau!)

Natürlich gehören auch die Menschen dazu. Wir müssen das Bewusstsein wecken und das Verhalten, ganz konkrete Lebensgewohnheiten ansprechen. All das gehört in das große Paket der Diskussion über die richtige Naturschutzpolitik für unser Land.

Ich denke, dass die Ansätze, etwa PLENUM oder auch die Naturschutzparks, ausgesprochen richtig sind, weil sie dem subsidiären Gedanken entspringen. Vor Ort wird diskutiert. Gestern waren die Landräte von der Ostalb beieinander und haben einen künftigen Naturpark Ostalb besprochen. Demnächst kommen 160 Bürgermeister zusammen, um das Gutachten zu besprechen. Es gibt schon sechs Naturparks, gleichermaßen im Plan, in der Projektion für den Mittleren und den Nordschwarzwald, kurzum, Naturparks, die – und das muss man auch dazu sagen – nicht nur, wie es vielleicht anfänglich war, hier und da eine Grillstelle einrichten, sondern ganz konsequent naturrelevant, naturbewusst ihren Wald als Erholungs-, als Naturraum weiterentwickeln. Deswegen müssen wir uns Gedanken machen, wie wir als Land diesen Weg begleiten können.

Aber ich warne davor, gleich wieder hinzustehen und zu sagen: Jetzt brauchen wir die große Landeskonzeption. So gescheit wie der Landespolitiker kann der Kommunalpolitiker auch sein. Wenn Sie in Zweckverbänden, in freiwilligen Zusammenschlüssen solche Projekte verwirklichen, geht es letztlich nur darum, zu sagen: Diese sechs, künftig vielleicht acht Naturparks werden von uns im Wege der Beratung und vielleicht im Wege der Anschubfinanzierung flankierend begleitet, aber letztendlich sollen es Projekte vor Ort sein; denn Landschafts- und Naturschutzpolitik sind differenziert und müssen auch differenziert vor Ort gestaltet werden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Gleiche gilt für die drei PLENUM-Gebiete. Da hat einer gesagt: Mein Gott, es sind erst drei.

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

Natürlich können es irgendwann auch fünf sein.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Da muss man halt was machen!)

Aber man kann doch bilanzieren, was gelaufen ist – dieser Tage in Reutlingen: 53 Projekte sind ausgeschrieben, sind beantragt worden, und wohl 30 bis 35 werden bestätigt. Das sind Projekte, die allesamt ein Ziel haben, nämlich umweltgerecht weiterzuentwickeln.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Damit sind wir bei dem Punkt, der hier in der Debatte schon mehrfach angesprochen worden ist.

(Der Redner trinkt aus dem am Rednerpult bereit- gestellten Wasserglas. – Abg. Ursula Haußmann SPD: Was will er jetzt, der Minister?)

Da müssen Sie Geduld haben, zuhören, mitdenken und am Schluss bilanzieren.

(Abg. Bebber SPD: Er will noch mehr! – Abg. Al- fred Haas CDU: Dem Landwirtschaftsminister muss man Wein hinstellen!)

Bei diesen PLENUM-Gebieten gilt, dass diese vor Ort weiterentwickelt werden, und zwar mit gleichem Verstand und Engagement.

Damit sind wir bei dem Punkt, der bereits angesprochen worden ist, wie weit man sinnvolle Naturschutzpolitik gegen die Betroffenen machen kann. Ich sage: Überhaupt nicht!

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Ge- nau!)

Damit sind wir bei einem weiteren Punkt, der so genannten Agrarwende.

(Abg. Alfred Haas CDU: Was ist das?)

Dieser Begriff war politisch gekonnt und in der richtigen Stimmungslage platziert. Das gebe ich zu. Respekt! Aber so ein Begriff hat keine Zukunft, weil das ein „kleiner ideologischer Kampfbegriff“ ist;

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

denn wer „Wende“ sagt, meint Abkehr vom Bisherigen. Wer einen solchen Begriff gebraucht, tut damit denen unrecht, die bisher auf einem schwierigen, risikoreichen, investiven Weg zu einer umweltgerechten Landwirtschaftspolitik im Sinne der Natur mitgegangen sind. Deshalb war der Kampfbegriff „Wende“ falsch.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Damit sind wir bei der Novelle von Herrn Trittin. Herr Walter, ich bin bereit, noch einmal genau zu recherchieren. Es kann sein, dass ich beim Wust der Papiere auch etwas

übersehen habe. Aber wenn ich es recht gesehen habe – so habe ich es auch formuliert –: Auch die A-Länder, die SPD-regierten Länder, haben im Bundesrat erhebliche Vorbehalte geäußert. Der möglicherweise falsche Ansatz dieser Novelle von Trittin ist in der Tat, dass man zwar den Vertragsnaturschutz nicht ablehnt, dass er aber nachrangig wird. Das ist das eine.

Das mit den 10 % Biotopflächen ist wieder so ein bisschen „Einheitskopfschnitt“ mit „Einheitsmaschine“. Die Köpfe sind unterschiedlich, aber nur beim ersten Mal. Und das ist falsch. Schauen Sie, Herr Walter, einmal die unterschiedlichen Länder an. Es gibt Baden-Württemberg mit 300 Einwohnern pro Quadratkilometer, aber auch MecklenburgVorpommern mit 80 Einwohnern pro Quadratkilometer. Können Sie sich vorstellen, dass die Betrachtung der Dinge, der Landschaft, der Erhaltungsräume, dessen, was vielleicht im Verbund über das Land hinweg ziehen kann, sich in Baden-Württemberg weiß Gott um einiges von dem unterscheidet, was in Mecklenburg-Vorpommern gemacht werden muss? Ich sage: „Herr Trittin, halten Sie sich zurück; machen Sie den Ländern keine Vorschriften, so gescheit wie Sie sind wir schon lange. Wir machen unsere verantwortungsvolle Naturschutzpolitik.“ Deswegen stellen wir uns gegen diese Novelle. Dort, wo sie in Länderkompetenzen eingreift, werden wir sie einfach nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Das, was vorgesehen ist, ist Dirigis- mus!)

Dann – man muss es akzeptieren; pfiffig ist es – zeigt sich der Pferdefuß. Der Pferdefuß dieser Novelle ist dort, wo Trittin sagt: „Wir machen die Auflagen, und ihr bezahlt.“ Das geht nicht.

Schließlich gibt es noch eine Geschichte, und die sollten Sie auch einmal nachlesen. Es ist pfiffig; aber man kommt dahinter, merkt die Absicht und ist verstimmt: Bei den Ausgleichsflächen sollen gefälligst die Länder und die Kommunen herhalten, und der Bund hält sich zurück. Er verscherbelt seine Konversionsgelände lieber auf andere Art und Weise. Der Flächenausgleich wird den Kommunen und den Ländern diktiert, und sie müssen dazu noch die Ausgleichsabgaben bezahlen.

(Abg. Drexler SPD: Wo sollen denn die Flächen vom Bund herkommen?)

Wenn der Bund seine Flächen von vornherein ausnimmt, weiß man, dass er nichts beitragen will, sondern dass er mit seinen Flächen im Grund Cash machen will. Das ist nicht in Ordnung und ist für uns nicht akzeptabel.

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Blöd- sinn! – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Ich möchte noch etwas zu dem sagen, was Herr Walter über die Naturschutzverwaltung gesagt hat. Warum sagt nicht jemand einmal ganz ehrlich, dass es im Grunde 22 Stellen mehr sind? Das ist die Wahrheit. Eine Verunsicherung muss man bei einer Umstellung in Gottes Namen immer in Kauf nehmen. Sie ist jetzt zum 1. Juni erfolgt. Lassen wir sie sich jetzt einmal bewähren. Der Vorteil ist

ja, dass die Naturschutzstellen künftig konzeptionell arbeiten können, und wir geben im Geist der kommunalen Selbstverwaltung, den wir immer wieder beschwören, den unteren Naturschutzbehörden die Chance, mit vermehrtem Landespersonal vor Ort ganz konkret die am Sachverhalt orientierte Entscheidung zu treffen. Wir sollen das den Landräten und den Kreisräten genauso zutrauen wie uns selbst.