Die Kommission sieht deshalb keine überzeugende Rechtfertigung für eine Verfassungsänderung, die das Asylgrundrecht als Ausdruck der historischen und humanitären Verpflichtung in Deutschland beseitigt und durch eine institutionelle Garantie ersetzt.
Ich hoffe, Herr Kollege Heinz, dies ist jetzt auch die Position der CDU in Baden-Württemberg, und ich hoffe, dies ist jetzt auch die Position der FDP/DVP. Denn die FDP/DVP in Baden-Württemberg hatte sich im Gegensatz zu anderen FDP-Landtagsfraktionen und zur FDP-Bundestagsfraktion teilweise auch für eine institutionelle Garantie ausgesprochen.
Was in diesem Bereich möglich ist, soll untersucht werden, zum Beispiel, welche Verfahrensbeschleunigungen möglich sind. Da können wir im Land gegebenenfalls auch noch etwas leisten. Aus dem Bericht geht hervor, dass sich Baden-Württemberg, was die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betrifft, in einer Mittellage befindet. Das Land mit der kürzesten Verfahrensdauer ist RheinlandPfalz mit durchschnittlich 9,9 Monaten, in Baden-Württemberg sind es durchschnittlich 16,3 Monate. Ich glaube, hier könnten und sollten wir ansetzen.
Der zweite Punkt unter humanitärer Migration sind die Bürgerkriegsflüchtlinge. Ich freue mich, dass von allen Seiten dieses Hauses die Verpflichtung betont wird, Menschen in Not aufzunehmen, und zwar prinzipiell so lange, wie die Notlage in der Heimat andauert. Deshalb stehen wir auch zu der prinzipiellen Rückkehrpflicht.
Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass Bürgerkriegsflüchtlinge so lange, wie sie in der Bundesrepublik sind, einen gesicherten aufenthaltsrechtlichen Status haben und auch einen Arbeitsplatz ausfüllen können. Wir halten es für unsinnig, Menschen, die hier arbeiten, die sich hier bewährt haben, die qualifiziert sind, die benötigt werden, für die es keine anderen Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt gibt, zurückzuschicken mit der Folge, dass sie dort arbeitslos sind und hier der Arbeitsplatz nicht mehr ausgefüllt wird.
Es gibt jetzt Möglichkeiten, so zu verfahren, aber leider verfahren wir im Land nicht konsequent dieser Linie entsprechend, wie Sie alle aus Ihren Wahlkreisen wissen.
Zum zweiten Punkt: Qualifizierung. Frau Bauer, es ist unrichtig, wenn Sie sagen, Qualifizierung sei nur bei Zuwanderung möglich. Das ist völlig unsinnig.
(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist auch nicht lo- gisch! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das hat sie so auch nicht gesagt! Sie hat gesagt, das eine geht nicht ohne das andere!)
Wichtig ist, dass wir die Begabungsreserven insgesamt ausschöpfen, uns rechtzeitig auf Erfordernisse des Arbeitsmarkts einstellen und nachqualifizieren, wo immer es möglich und erforderlich ist.
Aber wir haben die Problematik – da unterscheiden wir uns ja nicht, Herr Kollege Pfister –, dass trotz all dieser Maßnahmen am Arbeitsmarkt Engpässe auftreten können,
Wenn wir diese hereinholen, dann vernichten wir hier nicht irgendwelche Arbeitsmarktchancen für andere, sondern die Migranten schaffen durch ihre Arbeit hier zusätzliche Arbeitsplätze für andere,
leisten also einen Beitrag für unser System. Das muss – Herr Kollege Heinz, darin stimme ich Ihnen zu – der Bevölkerung gemeinsam klar gemacht werden, damit Ängste in der Bevölkerung nicht entstehen.
Zur Zuwanderungssteuerung. Ich halte nichts davon – wir halten nichts davon –, eine Quotendiskussion zu führen und uns über Zahlen zu zerstreiten.
Notwendig ist eine regionale und flexible Steuerung, denn auch die Bedürfnisse sind regional höchst unterschiedlich. Man sieht das zum Beispiel an der Inanspruchnahme der Greencard im Vergleich von Thüringen und Baden-Württemberg. Deshalb ist es auch sinnvoll, für diesen Bereich einen Beirat, gegebenenfalls auch regionale Beiräte vorzusehen, um im Konsens Empfehlungen für die richtigen Maßnahmen am Arbeitsmarkt zu erarbeiten.
Lassen Sie mich ein Letztes zur Integration sagen – man kann die Dinge ja hier nur anreißen –: Die Gesellschaft ihrerseits muss integrationsbereit sein, sie muss Angebote machen. Selbstverständlich müssen Migrantinnen und Migranten auch ihren Teil leisten, ebenfalls integrationsbereit sein und die notwendigen Maßnahmen aktiv begleiten und mit durchführen.
Da kommt der Sprache eine ganz besondere Bedeutung zu, Herr Heinz. Da ist es bedauerlich, dass gerade das Land – und in der Vergangenheit der Bund; der Bund bei der Aus
siedlerintegration, das Land bei der Integration von hier lebenden Ausländern – Angebote zurückgenommen und nicht ausgebaut hat.
Wir wollen insgesamt ein modernes, weltoffenes Deutschland, ein Deutschland, das seine humanitären Verpflichtungen beachtet, und ein Deutschland, das auch seine eigenen Interessen zu wahren versteht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wer von Zuwanderung spricht, kann von Integration nicht schweigen. Oder: Wer „Einwanderung“ sagt, muss auch „Integration“ sagen. Diese beiden Aspekte gehören zusammen wie die beiden Seiten einer Medaille. Ich glaube, dass man mit dieser Einsicht einer weiteren Lebenslüge begegnen und sich von alten Illusionen verabschieden muss.
Die Fehler der vergangenen Jahrzehnte dürfen sich nicht wiederholen. Als die Gastarbeiter kamen, hat man sich erhofft, im Land könne alles so bleiben, wie es ist. Man hat geglaubt, es kämen Menschen hierher, die irgendwann wieder nach Hause zurückgingen. Hier im Land verändere sich nichts. Selbst wenn sie blieben, sei es ihre Verantwortung und ihre Bringschuld, sich hier anzupassen. Diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Man muss aus dem Fehler des Unterlassens einer Integrationsarbeit in den vergangenen Jahrzehnten lernen. Denn daraus lastet heute eine Hypothek auf uns und auch auf dem weiteren Integrationsprozess.
Wir haben es heute mit Sprachproblemen von Migranten der zweiten und dritten Generation zu tun. Wir haben es mit dem Problem zu tun, dass Kinder aus Migrantenfamilien deutlich schlechter qualifiziert sind. In Migrantenfamilien ist die Erwerbslosigkeit überdurchschnittlich hoch. Es gibt Probleme mit sozialer Isolation, Abschottungstendenzen und entsprechende Schwierigkeiten im Zusammenleben zwischen Zugewanderten und Einheimischen.
Das sind Altlasten unserer versäumten Integrationsarbeit. Daraus müssen wir für die Zukunft lernen, Integration aktiv zu fördern.
Heinz Kühn, der erste Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, hat 1979 gesagt: „Wenn die Gesellschaft nicht rechtzeitig in die Integration von Zuwanderern investiert, wird sie später dafür zahlen müssen.“ Jetzt müssen wir die politische Verantwortung übernehmen und in unserer Gesellschaft für Integration als Daueraufgabe werben. Integration ist ein Prozess, den man nicht als alleinige Bringschuld derer, die zu uns kommen, verstehen kann. Es handelt sich um einen gemeinsamen Prozess, bei dem die Gesellschaft ihr Gesicht verändert und bei dem es die Bereitschaft braucht, in Vielfalt zusammenzuleben. Dafür muss die Politik werben, und davon darf sie nicht ablenken, weil das Thema vielleicht schwierig ist.
Ich komme zum Stichwort der Integrationswilligkeit und -fähigkeit. Normalerweise fällt das Stichwort „Integrationswilligkeit“, wenn es darum geht, über die anderen zu reden. Es macht Sinn, auch einmal über unsere Integrationswilligkeit nachzudenken. Es wäre ein gutes Signal an diejenigen, die zu uns kommen: Wir machen das Angebot, den neu zu uns Kommenden einen Rechtsanspruch auf Integration mit auf den Weg zu geben. Dieser Rechtsanspruch beinhaltet auch Verbindlichkeit für die Zuwanderer. Wir erwarten von denen, die zu uns kommen, auch, dass sie die Bereitschaft mitbringen, sich hier zu integrieren. Gleichzeitig geben wir Integrationsangebote.
Der Ansatz, mit einem Rechtsanspruch auf Integration auf die Zuwanderer zuzugehen, ist übrigens der Kern des „holländischen Modells“, der Kern des gerne zitierten Erfolgsmodells für wirkungsvolle Integration. Dieses Modell wird gerne herangezogen in der Debatte darüber, ob Sprache lernen besser mit Zwang oder mit Anreizen erreicht wird.
(Abg. Heinz CDU: Da müssen Sie aber auch rein- schreiben, was passiert, wenn sie es nicht ma- chen!)
Die Devise des holländischen Modells ist die: fordern und fördern. Das holländische Modell arbeitet in erster Linie mit Anreizen. Es arbeitet damit, dass Menschen, die hier schnell die Sprache erlernen, die sich zurechtfinden, die sich in der neuen Gesellschaft orientieren, einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Es droht auch mit Sanktionen – sie werden aber kaum angewandt, das werden Sie sicher auch wissen. Es droht jedoch in keinem Fall mit aufenthaltsrechtlichen Sanktionen.
Genau das ist das Modell, das Sie von der Landesregierung im Bundesrat vorschlagen. Ihr Sanktionsmodell sagt: Wir zwingen die Zuwanderer in einen Deutschkurs. Wenn sie ihn nicht bestehen, müssen sie mit aufenthaltsrechtlichen und ausländerrechtlichen Sanktionen rechnen. Dieses Modell hat sich ja selbst in der CDU nicht durchgesetzt. Deshalb sind Sie ja auch bemerkenswert leise geworden, wenn es um die Einzelheiten dieses Entwurfs geht. Ihr Ansatz ist nicht nur pädagogisch und psychologisch unangemessen, dieser Ansatz ist auch rechtlich nicht durchzusetzen. Denn das müssen Sie uns einmal erklären: Wie soll das eigentlich funktionieren? Sollen wir den Flüchtlingen, die den Deutschkurs nicht bestanden haben, sagen, sie sollen sich wieder verfolgen lassen? Sollen sie dann in ihren Verfolgerstaat zurückgehen?
(Abg. Pfister FDP/DVP: Es geht nicht ums Beste- hen! Das ist doch Unsinn! Es geht doch nicht ums Bestehen, sondern ums Machen! Um den Willen geht es! – Zurufe von der CDU)
Genau das steht in dem Entwurf: Es geht um die erfolgreiche Teilnahme am Sprachkurs. Ich habe Ihr Integrationsgesetz genau gelesen.
Wie wollen Sie eigentlich einem Stuttgarter, der eine thailändische Ehefrau geheiratet hat, erklären, dass er kein
Ihre Devise im Integrationsgesetz ist nämlich nicht die Devise „Fordern und fördern“, sondern es ist die Devise „Überwachen und sanktionieren“. Damit werden Sie keinen Erfolg erzielen.