Protocol of the Session on November 10, 2004

Baden-Württemberg lebt von der Ressource Wissenschaft und Forschung. Unsere Hochschulen hier in Baden-Württemberg haben, wie Sie eben schon hören konnten, in den Rankings nach den entscheidenden Kriterien immer wieder enorm gute Positionen. Ich lese daher gern die folgenden Schlagzeilen – Herr Minister Dr. Frankenberg wies darauf hin –: „Uni Mannheim ist bei Chefs die Nummer 1“, „Heidelberg ist Spitze bei der Biomedizin“ und „Uni Karlsruhe bei Informatik führend“. Ich lese gern, wenn bei Rankings der DFG sieben baden-württembergische Universitäten unter den zwölf besten der Bundesrepublik sind.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Das zeigt doch, dass in Baden-Württemberg eine gute Politik gemacht wird und heute wiederum eine hervorragende Gesetzesvorlage auf dem Tisch liegt.

Gerade im letzten Ranking, dem CHE-Hochschulranking, ist, wie schon gesagt worden ist, zu lesen, dass BadenWürttemberg wiederum vor Bayern und vielen anderen Bundesländern abgeschnitten hat. Das zeigt, dass wir das Wort „Elite“ nicht in der Positionierung der Politik brauchen, sondern Elite ist in Baden-Württemberg und in den baden-württembergischen Hochschulen einfach vorhanden.

(Beifall der Abg. Döpper und Dr. Vetter CDU)

Dies gilt für unsere Universitäten, aber genauso für unsere Pädagogischen Hochschulen, die Fachhochschulen und die Berufsakademien.

Man darf sich auf dem Vorhandenen aber nicht ausruhen. Wie heißt es doch so schön? Das Geheimnis des Erfolges ist, sich nie damit zufrieden zu geben, dass man zufrieden ist. Das war der Grund, ein weiteres Hochschulgesetz vorzulegen, um am Ball zu bleiben und den Hochschulstandort Baden-Württemberg weiter fit für die Zukunft zu machen.

Wie heißt es aber auch? Die Profilbildung und die Konzentration auf die Stärken jeder einzelnen Hochschule müssen ständig verbessert werden. Wir müssen im Wettbewerb bestehen: im Wettbewerb um die Studierenden, im Wettbewerb um die Wissenschaftler und im Wettbewerb um die finanziellen Mittel.

Um unseren Hochschulen zu erleichtern, auf diese Anforderungen zu reagieren, brauchen wir effiziente Strukturen und vor allem kürzere Reaktionszeiten. Unsere Hochschulen brauchen mehr Autonomie sowie funktionsgerechte Leitungsstrukturen. All dies, meine Damen und Herren, wird durch den heute eingebrachten Gesetzentwurf erreicht. Dabei geht es um solche Punkte wie Aufsichtsrat und Vorstand, aber nicht um die Begrifflichkeiten und einzelne Worte, die hier oftmals nach außen getragen werden, sondern um die Inhalte.

Das neue Gesetz bringt viele positive Veränderungen. Es bringt mehr Hochschulautonomie, es bringt mehr Eigenverantwortung, es bringt mehr Wettbewerb in den Hochschulen, und es bringt vor allem flexiblere Organisationsstrukturen.

Das neue Hochschulgesetz will aber auch – wir haben es gerade gehört – die Möglichkeiten der Studierenden zur Einflussnahme verbessern. Zu Recht haben der Herr Ministerpräsident und Herr Minister Dr. Frankenberg öfters darauf hingewiesen, dass dieses neue Hochschulgesetz ein weiterer Meilenstein in der Hochschulpolitik von BadenWürttemberg ist.

Ganz wichtig für uns war die Anhörung vom 1. April bis zum 31. Mai. Diese Anhörung gab viele Anregungen, die wir auch aufgenommen und berücksichtigt haben. Die CDU-Fraktion war schon immer flexibel und überzeugenden Argumenten zugänglich. Wir werden daher noch weitere Änderungsanträge einbringen,

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

unter anderem, was die Präsenzpflicht der Professoren bei den Berufsakademien betrifft, wo wir sagen, dass man Details in Rechtsverordnungen regeln kann und nicht im Gesetz regeln muss.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Noch mehr Verord- nungen?)

Intensiv diskutiert haben wir die Erleichterung des Hochschulzugangs für Berufstätige. Auch da sind wir der Meinung, dass es zu einer Öffnung kommen und der Hochschulzugang mit Eingangsprüfung erleichtert werden muss. Wir werden daher das Ministerium in seinen diesbezüglichen Bemühungen unterstützen und die Ergebnisse sorgfältig prüfen.

Ein hervorragender Punkt ist für uns auch, dass die Berufsakademien mit aufgenommen worden sind, auch wenn sie in dem Sinne keine Hochschulen darstellen. Denn man wird damit ihrer tatsächlichen Bedeutung gerecht. Es ist ein großer Erfolg von Herrn Ministerpräsident Erwin Teufel und Minister Dr. Frankenberg für unser Land Baden-Württemberg, dass die Kultusministerkonferenz gerade beschlossen hat, dass an Berufsakademien erworbene Abschlüsse bundesweit anerkannt werden.

Meine Damen und Herren, wir setzen in Baden-Württemberg auf eine differenzierte und dezentrale Hochschullandschaft. Wir sind der Meinung, dass wir mit verschiedenen Ausbildungsgängen den unterschiedlichen Begabungen gerecht werden.

Das neue Landeshochschulgesetz ist von ganz besonderer Bedeutung, aber wir wissen auch, dass dies nicht das letzte Gesetz sein wird, weil wir die gesetzlichen Regelungen ständig anpassen und den immer wieder neuen Situationen durch Reformen gerecht werden müssen. Weitere Aufgaben warten auf uns; ich möchte hier nur kurz einige Themen ansprechen.

Das Landeshochschulgesetz muss, was Hochschulfinanzierung, Hochschulverträge, Zielvereinbarungen und leistungsgerechte Mittelvergabe angeht, konkretisiert werden. Das Thema Studiengebühren ist jetzt ganz aktuell. Das Urteil hierzu wird im nächsten Jahr vorliegen, und wir werden uns damit zu befassen haben. Auch dabei werden notwendige Entscheidungen getroffen werden, um die Hochschulen ausreichend zu finanzieren.

(Lachen der Abg. Carla Bregenzer SPD – Abg. Carla Bregenzer SPD: Es darf gelacht werden!)

Ein wichtiger Schwerpunkt wird noch das Thema Universitätsklinika und Hochschulmedizin sein, ein Thema, das nicht einfach ist.

Sie sehen, viele weitere Ziele und Herausforderungen liegen vor uns, und ich freue mich darauf, dass Sie hier tatkräftig mitarbeiten zum Wohle unseres Landes und der Menschen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bregenzer.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen die erste Lesung des Landeshochschulgesetzes nicht vor einem historischen Hintergrund und nicht vor dem Hintergrund irgendwelcher beliebiger Zitate, mit denen man natürlich Abende füllen könnte, sondern wir führen sie vor dem Hintergrund des Wissens über die außerordentliche Differenziertheit unserer Hochschullandschaft.

(Abg. Sieber CDU: Dieses Zitat war jetzt auch sehr schön!)

Die Meinung von Kritikern, dieser Gesetzentwurf würde diese Differenziertheit nivellieren, teilen wir nicht. Ein ein

heitliches Hochschulgesetz bereinigt die Überregulierung, behindert aber nicht die spezifische Profilbildung einzelner Hochschularten auf hohem Niveau. Bereits bei der Novelle von 1999 hatten wir ein Hochschulgesetz für alle Hochschularten gefordert. Dass dies fünf Jahre später möglich ist, begrüßen wir ausdrücklich.

(Abg. Wacker CDU: Sehr gut!)

Gleichwohl kritisieren wir den vorliegenden Gesetzentwurf an entscheidenden Punkten.

(Abg. Sieber CDU: Was? Das muss jetzt aber nicht sein!)

Erstens: Autonomie wird nur halbherzig zugestanden. Zweitens: Es entstehen steile statt flacher Hierarchien. Drittens: Die Entdemokratisierung der Hochschulen nimmt zu. Und viertens: Die Begrifflichkeiten aus der Welt der Ökonomie sind unangemessen.

Wie kommt es zu diesen gravierenden Defiziten in diesem Gesetzentwurf? Der Grund liegt zum einen darin, dass der Wissenschaftsminister unserer Auffassung nach mit einer falschen oder einseitigen Einstellung zu Arbeit und Organisation von Hochschulen ans Werk gegangen ist, und zum anderen darin, dass er sich nicht die Zeit genommen hat, die Wirkungen des bestehenden Gesetzes zu evaluieren – und das, obwohl das Ministerium zur Würdigung der Arbeit anderer eigens eine Evaluationsagentur eingerichtet hat; die eigene Arbeit nimmt sie jedoch aus. Zu Recht verweisen die Hochschulen in ihrer Kritik am Gesetzentwurf auf die erstklassige Qualität ihrer Arbeit, die sich in Spitzenplätzen in internationalen Rankings zeigt. Nichts ist jedoch so gut, als dass es nicht noch besser werden könnte.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Genau!)

Aber es ist doch die Frage: Was ist besser? Was bringt uns voran? Was stärkt die Motivation und die Qualität von Lehre und Forschung? Unsere Antwort lautet: Autonomie.

(Beifall bei der SPD)

Es muss aber eine Autonomie sein, die diesen Namen auch verdient. Unsere Vorstellung von Autonomie, die sich übrigens auch mit der Vorstellung der Hochschulen von Autonomie deckt, findet sich in diesem Gesetzentwurf nicht wieder.

Herr Minister, wenn Sie die Hochschulen in die Freiheit und in den Wettbewerb entlassen wollen, dann haben Sie doch den Mut, sie auch tatsächlich in die Selbstbestimmung loszulassen! Was ist das für eine Freiheit, in der die Aufgaben, die Zusammensetzung, die Größe, die Amtszeit und anderes von Hochschulräten, Rektoraten, Senaten und Fakultäten fest und detailliert vorgeschrieben sind? Sie diktieren die Bevorzugung Externer, sei es im Hochschulrat oder sei es in der Funktion des Rektors, und sagen damit in aller Deutlichkeit: „Entscheider aus der Wirtschaft sind für mich a priori besser“; oder umgekehrt: „Ich muss Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler möglichst aus Schlüsselfunktionen heraushalten.“

(Abg. Zeller SPD: Das sagt jemand, der selbst Wis- senschaftler ist!)

Ich frage mich, welche traumatischen Erfahrungen aus Ihrem früheren Leben Sie denn mit sich herumtragen.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit des Abg. Drexler SPD)

Wir Sozialdemokraten haben den Mut, die Hochschulen loszulassen.

(Zuruf von der CDU: Was? – Abg. Pfisterer CDU: Gerade Sie haben doch ständig dagegen geredet!)

Sie sollen die zentralen Strukturen in den Hochschulen im internen demokratischen Prozess diskutieren, entscheiden und in der Grundordnung regeln. Dann entstehen Wettbewerb und Motivation, dann können verschiedene Modelle ihre Geeignetheit beweisen, und dann steht fest, ohne dass das Ministerium verordnet, vereinheitlicht und dirigiert, wer erfolgreich ist und wer nicht.

Wir verkennen nicht den Rückzug des Ministeriums aus vielen Bereichen. Wir erkennen allerdings auch, dass neben den schon genannten auch an anderen entscheidenden Stellen das Ministerium keine Macht aus der Hand gibt, zum Beispiel bei der Mitwirkung am Zustandekommen des Hochschulrats über diverse Genehmigungsvorbehalte, über Zielvereinbarungen und über eine Reihe von angekündigten Rechtsverordnungen, mit denen dieses Gesetz seine Wirkung im Detail erst entfaltet und die Freiheit wieder genommen wird.

Durch die von Ihnen im Gesetz festgelegten Zuschreibungen entstehen steile Hierarchien, die motivationshemmend sind. Wenn der Senat im Wesentlichen nur noch abzunicken hat, was ein externer Rektor dem externen Hochschulratsvorsitzenden für den extern dominierten Hochschulrat, der viermal im Jahr tagt, an Beschlussvorlagen erarbeiten lässt, warum sollen dann die, die täglich in der Hochschule engagiert sind, die Professorinnen und Professoren, die Vertreterinnen und Vertreter des Mittelbaus und der Studierenden, in den Senat gehen? Was sollen sie dort? Wenn die eigene Kompetenz durch Gesetz für unerwünscht erklärt wird, dann werden sie in die innere Emigration gehen, und das wäre das Schlimmste, was unserer Hochschullandschaft passieren könnte.

Nur wer an den entscheidenden Stellschrauben wirksam mitwirken kann, der ist entschieden bei der Arbeit. Das weiß die Wissenschaft, und das zeigen uns die Erfahrungen aus den Unternehmen, die für Sie, Herr Minister, ansonsten ja so beispielgebend sind.

Dieses Gesetz ist ein weiterer Schritt zur Entdemokratisierung der Hochschulen. Wo ist die demokratische Legitimation und Rückverantwortung für die entscheidenden Weichenstellungen, die die Rektorate und die Hochschulräte in Zukunft treffen werden, von der fehlenden verfassten Studierendenschaft ganz zu schweigen?

(Abg. Pfisterer CDU: Die brauchen wir nicht!)