Protocol of the Session on July 28, 2004

(Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)

Ferner haben wir jetzt wirklich eine ganz heftige Debatte über längere Arbeitszeiten, über den Kündigungsschutz, über das Betriebsverfassungsrecht. Was höre ich von Ihnen dazu? Nichts. Sie streiten ab, dass es diese Debatte überhaupt gibt, statt sich darin zu positionieren.

(Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)

Sie, die FDP, sind ganz klar für die Streichung von Feiertagen eingetreten. Da muss man doch zu bedenken geben: Die Regionen in Deutschland, in denen es die meisten Feiertage gibt, sind die erfolgreichsten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Wieser CDU – Zurufe von der FDP/DVP)

Ausgerechnet auf die Idee zu kommen, Feiertage zu streichen, ist doch neben der Kapp’.

Niemand bestreitet, dass wir mittelfristig länger arbeiten müssen, aber sicher in einer mäßigen Form und – das haben nun alle betont – in einer flexiblen Form. Darauf kommt es an.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Man kann auch einmal 50 Stunden arbeiten und, wenn die Auftragslage schwach ist, entsprechend weniger. Dafür gibt es die Modelle. Es geht darum, das zusammen zu denken, und da haben Sie sich überhaupt nicht positioniert.

Wir haben zum Beispiel eine Lehrstellenkrise. Deswegen gibt es den Pakt mit der Wirtschaft. Wir haben uns auch dafür eingesetzt, dass es nicht zu der Ausbildungsplatzumlage, sondern zu diesem Pakt kommt. Aber auf diesem Gebiet ist man jetzt gefordert. Was hören wir aus der Wirtschaft? Wir hören, dass viele unserer Berufsschüler gar nicht ausbildungsfähig sind.

(Abg. Drexler SPD: So ist es! Das ist der Punkt! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Eine Herausforderung, der man sich stellen muss, ist zum Beispiel: Wie bekommt unsere Wirtschaft die richtigen Facharbeiter, die sie braucht? Und was haben Sie gemacht? Im beruflichen Bildungswesen sind die Hausaufgaben nicht gemacht.

Zweitens: Forschung und Entwicklung. Wo haben Sie im letzten Haushalt gestrichen? Ausgerechnet bei den Fachhochschulen, die in der anwendungsbezogenen Wissenschaft das Gelenk zur Wirtschaft sind, streichen Sie 20 Millionen €.

Sie wollen natürlich Ihr Geld in Ihre so genannten Leuchtturmprojekte vergraben, etwa in unterirdische Bahnhöfe und Ähnliches mehr. Zur Messe werde ich heute Mittag noch Stellung nehmen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wir wollen, dass es wieder aufwärts geht und nicht weiter ab- wärts! – Abg. Theurer FDP/DVP: Sind Sie jetzt be- reit, meine Zwischenfrage zu beantworten?)

Man muss angesichts einer solchen Situation mit knappen Finanzen – und sie bleiben leider knapp, wie wir alle wissen – Prioritäten setzen, und – jetzt zitiere ich den Kollegen Noll – das heißt auch Posterioritäten festlegen. Ich sage: Unsere Leuchttürme sind unsere mittelständische Wirtschaft.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Wieser CDU: Sehr gut, Herr Kollege! Das ist eine ganz neue Erkennt- nis! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Dann tun Sie doch etwas dafür!)

Man muss doch einmal sehen: Ein Daimler, der hier herumfährt, wird doch hauptsächlich vom Mittelstand produziert, also von den Zulieferern, die ihn erst zu diesem DaimlerGefährt machen. Diese brauchen die richtigen Grundbedingungen.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Genau! Die brauchen eine gute Messe, Herr Kollege! Was hierzu das Land Baden-Württemberg tun kann, betrifft zwei Hauptfelder: Bildung und Forschung. Auf diesen Ge- bieten müssen wir uns weiterhin richtig aufstellen. Das kann ich bei Ihrer Haushaltspolitik nicht erkennen. (Abg. Theurer FDP/DVP: Das Problem des Haus- halts sind doch nicht die Investitionen!)

Die Stunde der Wahrheit schlägt nicht hier, indem Sie allgemeine Ausführungen darüber machen, was die Wirtschaft alles braucht. Die Stunde der Wahrheit schlägt in Bezug auf die Fragen: Wo werden im Haushalt die Prioritäten richtig gesetzt?

(Abg. Theurer FDP/DVP: Bei den Investitionen!)

Wohin gehen die Ressourcen? Wird hier endlich anerkannt, dass wir der Wirtschaft nicht noch mehr Messen bauen können?

(Abg. Theurer FDP/DVP: Doch! Wir brauchen In- vestitionen in die Wirtschaft, Infrastruktur!)

Was wir hier machen können, ist, der Wirtschaft gut ausgebildete junge Menschen bereitzustellen. Das ist die Kernkompetenz unseres Landes und unser Job.

(Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Hier müssen die Ressourcen investiert werden. Dies ist der Beitrag, den wir liefern können.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Gegenruf des Abg. Drexler SPD)

Was heute debattiert wurde, ist Sache der Tarifparteien – um dies klar zu machen.

Herr Wirtschaftsminister, wir werden gewiss nicht weiterkommen, wenn wir diese Diskussion mit einem Angriff auf die kommunale Selbstverwaltung und auf die kommunale Daseinsvorsorge starten, wie Sie dies heute wieder gemacht haben. Die Kommunen sind im Wirtschaftsleben ein wichtiger Faktor. Die Bürger brauchen diese Daseinsvorsorge zu erschwinglichen Preisen. Das werden die Kommunen leis

ten. Sie sind da ausgewiesen und tun das in ihren Bereichen verantwortlich. Die Union hat das bisher immer abgelehnt. Ich bin davon überzeugt, dass sie das auch in Zukunft machen wird. Sie werden damit scheitern, die kommunale Daseinsvorsorge zu zerschlagen und zu privatisieren. Dies wird in diesem Hause keine Mehrheit finden, und darüber können wir alle froh sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Hei- derose Berroth FDP/DVP: Einsamer Beifall!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. – Entschuldigung! Herr Wirtschaftsminister, bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, aber ich glaube, Sie haben schon Anspruch darauf, dass die eine oder andere gestellte Frage wenigstens in aller Kürze von mir angerissen wird.

Herr Kollege Kretschmann, ich will mich zunächst Ihnen zuwenden, weil ich auf drei Bemerkungen von Ihnen kurz eingehen will.

Erstens bestätige ich Ihnen ausdrücklich: Ich teile Ihre Meinung, dass wir in der Tendenz in Zukunft länger arbeiten müssen als in der Vergangenheit. In diesem Zusammenhang will ich noch einmal sagen: Wenn wir schon länger arbeiten müssen, ist die Diskussion über Feiertage eher eine Hilfskrücke und wahrscheinlich die schlechteste Lösung.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Gut zu hören!)

Es geht ja nur darum: Wenn es den Tarifpartnern zum Beispiel nicht gelingen würde, flexible Arbeitszeiten zu entwickeln, die sich an der konkreten Situation orientieren, wir als Politiker aber der Meinung wären, dass in dieser Hinsicht etwas getan werden müsste, ist die Diskussion über Feiertage ja eigentlich der einzige Hebel, den wir als Politiker überhaupt haben.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die Tarifpart- ner müssen an den Urlaub heran!)

Aber ich sage ausdrücklich: Ich will diesen Hebel nicht benutzen. Ich habe doch gar keine Lust, eine Diskussion über Feiertage zu führen.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Klare Differenz zu Ihrer neuen Landesvorsitzenden!)

Mir ist es viel lieber, wenn die Tarifpartner diese Diskussion führen und zu entsprechenden Ergebnissen kommen. Punkt 1.

Punkt 2: Sie haben davon gesprochen, dass die mittelständische Wirtschaft – das ist klar – die Korsettstange der baden-württembergischen Wirtschaft ist. Mit dieser Aussage bin ich völlig einverstanden; wir haben dazu ja auch viel gesagt. Aber, Herr Kollege Kretschmann, ich weiß, dass alles finanzpolitisch schwierig ist. Das ist wohl wahr. Da werden wir unser Päcklein noch zu tragen haben. Aber wer Ja sagt zum Mittelstand, wer Ja sagt zum Export in BadenWürttemberg, wer Ja sagt zu mittelständischen Unterneh

men, bei denen der Anteil der Exportleistungen zum Teil 70, 80 % beträgt, der muss im Grunde auch Ja sagen zu einer leistungsfähigen Messe in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Drittens: Mit mir brauchen Sie nicht darüber zu diskutieren, dass die Daseinsvorsorge auch eine Aufgabe der Kommunen darstellt. Das ist doch nicht der Punkt.

(Abg. Dr. Birk CDU: Sehr richtig!)

Es geht doch nicht um die Frage, ob die Kommunen Strom verteilen sollen. Natürlich sollen sie Strom beziehen und verteilen. Aber muss eine Kommune gleichzeitig auch die Heizkörper in den Wohnungen installieren? Muss eine Kommune die Wartung dieser Heizkörper durchführen?

(Abg. Drexler SPD: Das ist ein uraltes Beispiel! Das gibt es doch kaum mehr!)

Das mag ja sein, aber daran zeigt sich die Situation.

Ich sage Ja zur Daseinsvorsorge – völlig einverstanden. Aber alles, was außerhalb der wirklichen Daseinsvorsorge Annextätigkeiten darstellt, muss Tätigkeit privater Unternehmer sein.