Protocol of the Session on July 28, 2004

Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt gilt für alle Beschuldigten – das sagen wir als Rechtsstaatspartei; das sollten auch Sie zubilligen – die Unschuldsvermutung.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Birzele SPD: Herr Kollege Noll, wer redet von strafrechtlicher Schuld?)

Dasselbe gilt für Walter Döring: Auch für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Gegen ihn läuft ein Verfahren, in dem er seine Unschuld beweisen wird.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Da sind wir uns sicher. Deswegen: Wenn eine Stimme aus unserer Fraktion eine öffentliche Äußerung gemacht hat, dann hat sie ganz klar – das wurde in unserer Fraktion so besprochen – nicht die Meinung der Fraktion wiedergegeben. Auch für Walter Döring gilt die Unschuldsvermutung. Es ist überhaupt kein Thema, einen frei gewählten Abgeordneten zur Aufgabe seines Mandats aufzufordern.

(Abg. Göschel SPD: Wer hat denn das gemacht?)

Ein Mandat geben und nehmen die Wählerinnen und Wähler. Walter Döring wurde in der Vergangenheit bei Wahlen sehr großes Vertrauen entgegengebracht. Er wird sich dem Votum der Wählerinnen und Wähler wieder zu stellen haben, nicht dem Votum einzelner Abgeordneter, und sei es aus der eigenen Fraktion.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Unruhe bei der SPD – Abg. Kretschmann GRÜNE: Reden Sie zur Geschäftsordnung oder nicht?)

Ich rede zur Geschäftsordnung und genau zu dem, was Sie gesagt haben. Sie wollen eine Debatte über das Thema Neuwahlen. Nach der Verfassung ist ganz eindeutig: Wenn eine krisenhafte Situation gegeben ist, wenn es in diesem hohen Haus keine tragfähige Mehrheit mehr gibt oder wenn eine Regierungskrise gegeben ist, muss man das Thema Neuwahlen natürlich debattieren. Nun sage ich einmal: Die Letzten, die darüber in der Vergangenheit debattiert hätten, wären wir von der FDP/DVP-Fraktion gewesen,

(Abg. Drexler SPD: Verständlich!)

weil wir in einer Situation – das will ich nicht beschönigen –, die für uns schwierig war,

(Abg. Drexler SPD: Aber keine Krise!)

schnell und konsequent entschieden haben. Damit haben wir alles Gerede von Krisen ad absurdum geführt.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wer jetzt noch versucht, eine Krise an den Haaren herbeizuziehen, nachdem die Haare schon längst abgeschnitten worden sind, der läuft ins Leere.

(Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Demjenigen, der hier von einem „zerstrittenen Haufen“ redet, sage ich: Ich wünsche Ihrer Fraktion, Herr Kollege Drexler, die, was das Thema Neuwahlen angeht, wohl auch sehr zerstritten ist,

(Lebhafte Zurufe von der SPD)

dass sie so wenig zerstritten ist, wie es die FDP/DVP-Fraktion in dieser schwierigen Situation war.

(Lachen bei der SPD)

Noch einmal die klare Aussage: keine Vergangenheitsbewältigung und deswegen auch kein eigener Tagesordnungspunkt. Ich wusste, dass Sie die Geschäftsordnungsdebatte dazu nutzen würden. Aber lassen Sie uns jetzt in eine erfolgreiche Weiterarbeit dieser Koalition starten. Die vor uns stehenden Aufgaben sind benannt, der Zeitplan wurde

auch in der Zwischenzeit eingehalten. Wir sollten jetzt nicht rückwärts gewandt versuchen, Schlammschlachten zu führen,

(Abg. Teßmer SPD: Das sagt der Richtige!)

sondern vorwärts gewandt die vor uns liegenden Aufgaben konsequent und rasch angehen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Birzele.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Die Herren Oettinger und Dr. Noll haben sich zwar zur Geschäftsordnung gemeldet, aber nicht zur Geschäftsordnung gesprochen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Scheinheilig!)

Sie haben zur Sache gesprochen. Herr Oettinger hat Frau Werwigk-Hertneck gedankt – trotz einiger kleiner Fehler. Er hat zur Person des Justizministers Stellung genommen,

(Abg. Alfred Haas CDU: Sehr gut!)

und er hat zur Neuwahldiskussion eingeräumt, dass sich einige etwas leichtfertig verhalten hätten.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wer hat denn die The- men eingeführt?)

Zu der Frage, warum keine Debatte stattfinden soll, hat er nicht eine Silbe gesprochen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Fleischer CDU: Drexler auch nicht! – Gegen- ruf des Abg. Drexler SPD: Ich habe es begründet!)

Herr Dr. Noll spricht über krisenhafte Situationen in der Wirtschaft,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das sind die wirklichen Krisen! – Abg. Fleischer CDU: Und Sie sprechen über Dr. Noll!)

über die Einigkeit der FDP/DVP-Fraktion, über die Unschuldsvermutung, die für Frau Werwigk-Hertneck wie für Herrn Döring gelte,

(Abg. Seimetz CDU: Der Oberlehrer gibt jetzt Zen- suren!)

über den gewählten Abgeordneten Dr. Döring und über Neuwahlen. Er hat mit keiner Silbe ausgeführt, warum das Parlament zu Tagesordnungspunkt 1 a nicht debattieren können soll.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Drexler SPD: Nicht darf!)

Deshalb will ich Ihnen sagen: Das Recht des Parlaments, zu jedem Tagesordnungspunkt zu debattieren, ist kein Mehrheitsrecht, sondern das Recht des gesamten Parlaments,

über das Sie nicht einseitig zulasten der Minderheit verfügen können.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Klein- mann FDP/DVP: Das wissen wir doch!)

Ich zitiere aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im 60. Band. Da heißt es:

Die Redefreiheit des Abgeordneten im Parlament ist...

jetzt kommen einige weitere Ausführungen –

(Abg. Alfred Haas CDU: Bitte alles vorlesen!)

eine in der Demokratie unverzichtbare Kompetenz zur Wahrnehmung der parlamentarischen Aufgaben, die den Status als Abgeordneter wesentlich mitbestimmt. Die freie Rede des Abgeordneten dient mithin unmittelbar der Erfüllung der in der Verfassung normierten Staatsaufgaben.

Im Kommentar von Feuchte zur Landesverfassung heißt es:

Diese Offenheit wird in einem starken Schutz der Minderheiten deutlich. Kennzeichnend für sie sind...