Protocol of the Session on July 14, 2004

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Zweitletzter Arbeitsbereich: Vor wenigen Tagen wurde ein großes Krankenhaus in Baden-Württemberg verkauft – weg.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Die Klinik in Pforzheim ging in die Auktion: 610 Betten, kein Bewerber aus Baden-Württemberg. Die Unternehmensgruppe Rhön-Klinikum hat den Zuschlag bekommen. Es gibt in Baden-Württemberg offenbar keine Gruppe, die in der Lage wäre, wenn ein Krankenhaus etwa in Augsburg in die Auktion ginge, sich für einen Zuschlag zu bewerben. Nicht übernehmen, sondern übernommen werden, das ist derzeit hier unsere Disziplin. Wir haben in Baden-Württemberg kein Gesundheitskonzept für die stationäre Versorgung. Land und Kommunen haben sich noch längst nicht genügend abgestimmt. Wir haben Stück für Stück einen Ausverkauf. Das ist Rosinenpickerei: Helios, Rhön, Sana und andere.

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE – Abg. Wieser CDU: Und wenn es Schwierigkeiten gibt, zahlen wir den Kruscht!)

Ich habe gegen Kaufen und Verkaufen überhaupt nichts einzuwenden. Aber ich bin von dem Gedanken geprägt, dass Baden-Württemberg einen Außenhandelsüberschuss hat und eher zukauft als selbst ausverkauft wird.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Deswegen brauchen wir hier eine Generaldebatte mit Fachleuten darüber,

(Abg. Hofer FDP/DVP: Sehr richtig!)

wohin die Krankenhauspolitik von Kommunen, freien Trägern und dem Land Baden-Württemberg gehen soll.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP – Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Palmer?

Herr Kollege Oettinger, würden Sie der These zustimmen, dass Ihr Redebeitrag mit seinen zahlreichen neuen Ideen und Initiativen wesentlich weiter in die Zukunft weist als die Rede des Ministerpräsidenten?

(Abg. Knapp SPD: Das ist so gewollt! – Abg. Jun- ginger SPD: Neue Besen!)

Herr Kollege Palmer, ich habe lange über das Thema Gesundheitswesen nachgedacht. Von dem auch in Zukunft wohl einzigen Bürgermeister der Grünen in Stuttgart, Herrn Murawski, habe ich gute Ratschläge bekommen. Die nehme ich an und bringe sie hier ein.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grü- nen – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sehr gut!)

Zurück zum Thema: Das Uniklinikum Tübingen kauft das Rottenburger Krankenhaus und bewirbt sich um die Übernahme der Kliniken in Balingen, Reutlingen und Böblingen. Brauchen wir ein Konzept, damit die Uniklinik regional vernetzt wird, ja oder nein? Diese Frage ist bisher nicht aufgeworfen worden. Die Chefärzte und Direktoren arbeiten autonom.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Eine andere Frage ist: Was passiert, wenn in den nächsten Monaten die eine oder andere Klinik den BAT verlässt?

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Richtig!)

Das Rhön-Klinikum war in Pforzheim auch deswegen erfolgreich, weil die Arbeitskosten dort flexibler und um 15 % geringer sind. Ich stelle die Frage: Halten wir den BAT bei Unikliniken und den kommunalen Häusern auf Dauer durch?

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sehr gut!)

Oder sind wir nicht automatisch Verlierer, wenn der BAT bleibt?

Übrigens: Eine VBL-Regelung kommt im nächsten Jahr und lässt grüßen. Eine Rente von 90 % hat das Rhön-Klinikum auch nicht zugesagt. Diese Zusage gab nur die öffentliche Hand. Spannende Fragen im Gesundheitswesen stehen uns bevor.

Der letzte Punkt, der zentrale Punkt im Herbst, wird die Haushaltspolitik sein. Erwin Teufel hat die Messlatte heute schon einmal hoch gelegt: Verfassung einhalten. Das verdient großen Respekt, weil die Aufgabe, die Verfassungsbestimmung einzuhalten, in der Tat unglaublich schwierig werden wird. Ich bin dankbar, dass der Europäische Gerichtshof in diesen Tagen ein strenges Urteil gefällt hat und damit flexible Haushaltsführung und Missachtung des

Stabilitätspakts durch Eichel, durch Schröder und durch Frankreich in Brüssel im Grunde nicht mehr möglich sind. Wir brauchen eine stringente Haushaltspolitik. BadenWürttemberg wird den Ehrgeiz haben, hinter Bayern auf dem zweitbesten Platz und nach Bayern auf dem besten Platz in diesem Jahrzehnt zu stehen.

Der Deckungsbedarf beträgt im nächsten Jahr über 1,4 Milliarden € und 2006 annähernd 2 Milliarden €. Deswegen erwarten wir, dass die öffentlichen Arbeitgeber hart verhandeln. Wir können uns Tarifabschlüsse, die nach oben führen, in diesen beiden Jahren nicht mehr erlauben. Möglichst null Prozent Steigerung bei Tarifangestellten muss das Ziel der beiden nächsten Jahre sein. Auch dazu abschließend ein offenes Wort: Nur bei den Beamten halten wir weitere Kürzungen für nicht mehr zumutbar.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Fleischer CDU: Sehr richtig!)

Deswegen sage ich, Herr Finanzminister, rein vorsorglich: Das Weihnachtsgeld haben wir vor einem Jahr aus klugen Gründen entlang eines Konzepts, das einleuchtend war, neu strukturiert – 20 % Kürzung, dynamisch in die Zukunft. Wenn man in diesem Jahr nach Tarif dynamisch um 2 % steigert, kann man nicht gleichzeitig dynamisch 12 % kürzen. Dann wäre man, glaube ich, schon sehr nahe an dem Punkt, dass man nicht Wort gehalten, sondern Wort gebrochen hätte. Ich glaube, dass das Weihnachtsgeld der letzte Punkt ist, über den man beraten muss. Alles andere hat für mich bei den Kürzungen und Änderungen Vorrang und ist prioritär.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP – Beifall des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Nach § 82 Abs. 4 Satz 2 der Geschäftsordnung erhält nun der Vorsitzende der FDP/DVPFraktion, Herr Abg. Dr. Noll, das Wort.

(Abg. Wieser CDU: Noch einmal der Noll!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst auch den Dank der FDP/DVP-Fraktion an die scheidenden Minister Dr. Döring, Dr. Schäuble, Dr. Repnik und Müller aussprechen. Ich darf mich auch namens der FDP/DVP-Fraktion bei allen Ausscheidenden ganz herzlich für die vertrauensvolle und erfolgreiche Zusammenarbeit bedanken.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Genauso darf ich den neuen Mitgliedern der Exekutive Ernst Pfister, Frau Gönner, Herrn Rech und Herrn Mappus weiterhin eine vertrauensvolle und konstruktive gemeinsame Arbeit anbieten. Ich schaue da natürlich besonders Frau Gönner an, denn der Sozialbereich wird ja nun ein Ressort sein, in dem ich auch persönlich weiterhin präsent sein werde.

Lassen Sie mich diesen Dank und die Zusage auf gute Zusammenarbeit auch auf diejenigen erweitern, die heute nicht

zur Diskussion stehen, weil sie gar nicht neu in das Kabinett eingetreten sind, sondern schon bewährte Mitglieder dieser Regierung sind und auch bleiben werden. Insbesondere gilt das natürlich unserer Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wo ist sie?)

Ich denke, Herr Kollege Drexler, es fällt auf Sie selbst zurück,

(Abg. Drexler SPD: Warten wir ab! Keine Vermu- tungen! – Abg. Schmiedel SPD: Das hat der Döring auch gesagt! Und zwei Wochen später war er weg!)

wenn Sie, auf Vermutungen und Verdächtigungen basierend, die schwere Keule der Rücktrittsforderung in einem solchen Moment führen. Denn das, was die Justizministerin als Einziges getan hat, ist völlig rechtens. Ich darf aus einer Passage in den „Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren“ zitieren, in der es um Abgeordnete geht:

Soweit Ermittlungsverfahren allgemein genehmigt sind, ist dem Präsidenten der gesetzgebenden Körperschaft

also dem Landtagspräsidenten –

und, soweit nicht Gründe der Wahrheitsfindung entgegenstehen,

das ist von der Staatsanwaltschaft geprüft und verneint worden –

(Abg. Drexler SPD: Die hat überhaupt nichts ge- prüft!)

dem betroffenen Abgeordneten mitzuteilen, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens beabsichtigt ist.

Nichts anderes als das, was in diesen Richtlinien festgelegt ist, hat die Frau Ministerin getan.

(Abg. Drexler SPD: Nein, die Staatsanwaltschaft hat es gemacht, und die ist auch zuständig!)