Protocol of the Session on July 18, 2001

Insgesamt würde dies alles ein klares, transparentes Verfahren schaffen, und ich meine, die Konflikte könnten so vor Ort entschärft werden, wenn die Anwohner einbezogen würden und sicher sein könnten, dass alles versucht wird, um ihren Bedenken Rechnung zu tragen. Denn vieles an Schärfe, was derzeit in den Konflikten vorgebracht wird, liegt ja daran, dass die Bürger ohnmächtig zusehen müssen, wie Sendemasten installiert werden, und keinerlei Einfluss haben.

Wenige Tage nach dem Einbringen unseres Gesetzentwurfs – das war Anfang der letzten Woche – haben die kommunalen Landesverbände eine Vereinbarung mit den Mobilfunkbetreibern getroffen, nach der die Kommunen frühzeitig informiert werden und bei der Aufstellung von Neuanlagen alternative Standorte vorschlagen können. Wir begrüßen diese Vereinbarung als einen ersten Schritt, um den Streit um die Mobilfunkmasten zu entschärfen, aber für uns bleiben noch eine Reihe von Fragen offen, zum Beispiel: Wie werden bei diesem Verfahren die Anwohner einbezogen? Was passiert zum Beispiel, wenn sich bei einem neuen Standort kein Konsens zwischen Gemeinde und Mobilfunkbetreiber erzielen lässt? Oder: Wird das Infomaterial, das die Mobilfunkbetreiber für die Kommunen entwickeln wollen, tatsächlich unabhängige Informationen bieten, oder soll es nur dazu dienen, kritische Fragen zu beschwichtigen?

Die Vereinbarung der Verbände geht also eindeutig in die Richtung unseres Gesetzentwurfs, aber macht unseren Gesetzentwurf nicht überflüssig. Wir bringen daher unseren Gesetzentwurf zur Änderung der Landesbauordnung hier in das übliche Verfahren ein. Als Nächstes ist dann die kommunale Ebene zu hören, und wir sind bereit, alle Vorschläge, die zu mehr Öffentlichkeitsbeteiligung und Transparenz vor Ort führen, zu prüfen und unseren Gesetzentwurf gegebenenfalls danach auch zu modifizieren.

Meine Damen, meine Herren, lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass im Streit um Mobilfunkmasten eine bessere Lösung erreicht wird als das, was derzeit vor Ort anzutreffen ist, eine bessere Lösung, die die Sorgen der Gemeinden und der Bürger berücksichtigt und mehr Öffentlichkeit und Transparenz herstellt und damit die Konflikte, die vor Ort bestehen, entschärft.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Mack.

(Abg. Seimetz CDU: Jetzet!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Zusammenhang mit der von allen Handynutzern erwünschten Aufstellung von Mobilfunksendemasten fragen sich viele Bürgerinnen und Bürger, ob davon Gesundheitsgefahren ausgehen können. Wir nehmen diese Sorgen sehr ernst.

(Minister Dr. Repnik: Jawohl!)

Wir müssen alles tun, um jedwede Gesundheitsgefahr auszuschließen. Wir sollten aber nichts tun, was unnötig Verunsicherung erzeugt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Hille- brand CDU: Sehr gut! – Abg. Zeller SPD: Was heißt das?)

Um Gefahren für die Gesundheit auszuschließen, ist nicht das Bauordnungsrecht, für das der Landesgesetzgeber zuständig wäre, entscheidend; es kommt auf das materielle Recht an, hier insbesondere auf die 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Es kommt also auf Bundesrecht an.

(Abg. Hillebrand CDU: Genau! So ist es! – Abg. Fischer SPD: Die Landesbauordnung kann schon eingreifen, Herr Kollege!)

Das ist die Diskussion über die Grenzwerte bei solchen Mobilfunksendemasten: Nach Auffassung der Expertengremien und nach Auffassung der Bundesregierung – ich wiederhole: nach Auffassung der Bundesregierung – ist die vorhandene Datenlage zu den athermischen Effekten nicht ausreichend, um die Festsetzung neuer Grenzwerte zu rechtfertigen. Gleichwohl werden von Baden-Württemberg und auch von der Bundesregierung aus Untersuchungen zur weiteren Abklärung der gesundheitlichen Wirkung des Mobilfunks durchgeführt. Sollte sich danach zeigen, dass Veränderungen der Grenzwerte aus wissenschaftlichen

Gründen notwendig sind, dann muss natürlich die 26. Bundes-Immissionsschutzverordnung tatsächlich geändert werden. Außerdem überprüft die Strahlenschutzkommission derzeit, ob unter Einbeziehung der gegenwärtig neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die bisherigen Empfehlungen hinaus Vorsorgeregelungen getroffen werden müssen.

Die Diskussion über die Grenzwerte wird also verantwortungsbewusst und wissenschaftlich fundiert geführt, und es wird konsequent gehandelt. Was wäre gewonnen,

(Abg. Hillebrand CDU: Nichts!)

wenn wir im Land ein baurechtliches Genehmigungsverfahren für Antennenanlagen auch unter 10 Meter Höhe einführen würden, wie Sie von den Grünen das vorschlagen?

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Mehr Öffentlichkeit und Transparenz, schlicht und einfach!)

An der materiellen Rechtslage würde sich nichts ändern. Es würde nur ein zusätzlicher bürokratischer Akt eingeführt.

(Abg. Hillebrand CDU: So ist es!)

Es kommt eine Welle von Standortentscheidungen für Sendemasten auf uns zu. Die Bundesregierung hat über die UMTS-Lizenzen ja schon kräftig abkassiert.

(Abg. Schmiedel SPD: Was heißt „abkassiert“? Eingenommen! – Gegenruf des Abg. Dr. Birk CDU: Zu Unrecht! Das Geld habt ihr gar nicht ver- dient!)

Bei jedem Genehmigungsfall käme aus der Bevölkerung die Forderung, der Bürgermeister oder der Landrat sollten doch die Genehmigung verweigern. Nach langem und zähem Ringen müssten der Bürgermeister oder der Landrat aber sagen: „Leute, aufgrund von Bundesrecht kann ich an der Sache überhaupt nichts ändern.“ Deshalb würde dabei nichts anderes herauskommen als eine große Verunsicherung der Bevölkerung und ein Haufen Bürokratie.

(Abg. Bebber SPD: Jeder darf in den baden-würt- tembergischen Himmel hineinbauen, ohne Geneh- migung! Unglaublich!)

Wir würden die Baurechtsbehörden aufblähen, bräuchten dafür zusätzliches Personal, das Ihnen dann bei den Lehrerstellen fehlt. Am Ende hätten wir gar nichts.

(Abg. Dr. Birk CDU: Sehr gut!)

Es gibt noch ein Argument. Es wird gesagt, die Kommunen hätten bisher kaum einen Überblick über die Zahl und Art der bestehenden Antennenanlagen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das stimmt ja auch! – Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Eindeutig richtig!)

Eine Anhörung oder Beteiligung der Gemeinde vor der Errichtung von Antennenanlagen finde nicht statt.

Seit letzter Woche – Sie haben es erwähnt – ist dieses Problem ausgeräumt. Bundesweit wurde zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und allen relevanten Mobil

funknetzbetreibern vereinbart, dass die Kommunen alle Standortdaten bekommen.

(Abg. Schmiedel SPD: Dank Schröder!)

Außerdem haben die Mobilfunknetzbetreiber zugesagt, vor dem Bau neuer Sendeanlagen bei der jeweiligen Kommune eine Stellungnahme einzuholen. Die Gemeinden ihrerseits können in diesem verabredeten Verfahren Standortvorschläge unterbreiten.

Nach Abschluss dieser Vereinbarung gibt es für eine Änderung der Landesbauordnung kein Argument mehr. Jetzt kommt der Witz: Diese Vereinbarung geht letztendlich auf den Trittin zurück.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Für Sie immer noch „Herr Trittin“!)

Das war ein Vorschlag Trittins. Offensichtlich hat es auch dem Trittin vor dem bürokratischen Wust, den Sie aufbauen wollen, gegraust.

Die CDU-Fraktion stimmt überflüssigen Gesetzen nicht zu.

(Beifall des Ministers Dr. Schäuble)

Wir schlagen den Grünen vor, ihren Gesetzentwurf zurückzuziehen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Salomon GRÜ- NE: Ist ja Klasse! Wir schlagen der CDU vor, sich aufzulösen, und dann ziehen wir unseren Gesetz- entwurf zurück! – Gegenruf des Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Nein, selbst dann nicht!)

Das Wort erhält Herr Abg. Gaßmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Bundesrepublik Deutschland gibt es inzwischen mehr Handys als Festnetzanschlüsse. Gerade ist davon gesprochen worden, dass die Mobilfunkbetreiber Milliardensummen bezahlt haben. Jetzt haben sie natürlich ein Interesse daran und natürlich auch eine Verpflichtung dazu, die Netze flächendeckend auszubauen.

Andererseits sehen wir die zunehmenden Ängste von Bürgern, wenn Antennen wahllos und insbesondere in der Nähe von Schulen aufgestellt werden. Vor zwei Wochen ist in einem Stadtteil von Stuttgart gegenüber einer Schule in einer Entfernung von wenigen Metern ein Sendemast aufgestellt worden. Innerhalb von wenigen Tagen sind entrüstete Eltern mit Unterschriftenlisten gekommen; sie haben über tausend Unterschriften gesammelt. Der Stuttgarter Oberbürgermeister hat diesen Eltern gesagt: „Erstens werde ich nicht informiert, und zweitens kann ich auch nichts tun.“ Das war zumindest die bisherige Lage.

Die Ängste sind vor allem gesundheitlicher Art. Dass von Antennenmasten gesundheitliche Schäden ausgehen, wird von der Wissenschaft bislang weitgehend bestritten. Es gibt dazu aber unterschiedliche Meinungen.

Es ist vielleicht auch interessant, sich einmal anzuschauen, was die Rechtsprechung dazu sagt. Es gibt inzwischen ja

einige Urteile, die beispielsweise Mieter betreffen, die unter einer Antennenanlage wohnen und die deshalb die Miete gemindert haben. Das Landgericht Freiburg hat eine solche Minderung abgelehnt. Aber es gibt auch ein durch die Presse gegangenes Urteil des Amtsgerichts München, das einem Mieter, der direkt unter einem Antennenmast wohnt, ein Minderungsrecht zugestanden hat.

Ich möchte einmal aus diesem Urteil zitieren, weil es vielleicht ganz interessant ist. Es wurde gar nicht die Frage geprüft, ob das Wohnen unter einem Antennenmast nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Stand gefährlich ist. Vielmehr hat das Gericht einfach festgestellt, dass in der Vergangenheit die von neuen technischen Einrichtungen ausgehenden Gefährdungen wiederholt falsch eingeschätzt wurden, wie beispielsweise beim routinemäßigen Röntgen von Schwangeren. Deswegen wurde dem betreffenden Mieter unter der Dachwohnung eine Mietminderung zugestanden.

Was ist zu tun? Die Kommunen haben auf vielen Tagungen und Kongressen insbesondere eine Beteiligung gefordert. Kürzlich hat eine Tagung des Verbands Region Stuttgart stattgefunden. Dabei hat ein Geschäftsführer der Region gesagt: „Die Kommunen fühlen sich angesichts des wachsenden Antennenwalds allein gelassen.“ Von daher, denke ich, ist schon zu prüfen, ob das Baurecht den Kommunen eine Möglichkeit bietet, zumindest Alternativstandorte zu bestimmen und, was heute auch nicht gegeben ist, einbezogen zu werden, bevor Antennenmasten auf Privatgebäude gesetzt werden.

Dem Gesetzentwurf der Grünen wollen wir so, wie er eingebracht worden ist, auch nicht zustimmen, weil er unserer Auffassung nach eine Überbürokratisierung mit sich bringen würde. Danach soll ja für jede Antenne eine Baugenehmigung erforderlich sein. Es kann auch nicht sein, dass eine Baugenehmigung erforderlich ist, wenn jemand auf seinem Dach eine Fernsehantenne installieren will. Das ist sicher viel zu eng gefasst.

Ich meine, wir sollten in Anbetracht der neuen Vereinbarung der Verbände mit den Mobilfunkbetreibern, die hier geschlossen worden ist, im Gesetzgebungsverfahren mit den Kommunen erörtern, ob dies, was ihnen jetzt an die Hände gegeben worden ist, ausreicht. Sollte es nicht ausreichen, muss für die Antennenmasten, die von den Mobilfunkbetreibern aufgestellt werden, eine gesetzliche Regelung geschaffen werden. Wir werden dazu im Gesetzgebungsverfahren Vorschläge einbringen.