Meine Damen und Herren, in der Tat ist nicht einzusehen, dass der Bund diese 100 Milliarden DM allein kassiert. Der Bund kassiert 100 Milliarden DM, und diese sind natürlich Investitionen der Unternehmen, die abgeschrieben werden, die Gewinne vermindern. Dadurch müssen die Unternehmen weniger Körperschaftsteuer zahlen. Die Körperschaftsteuermindereinnahmen haben die Länder und die Gemeinden zu verkraften, während der Bund die Einnahmen hat. Ich halte dies nicht für richtig,
und deswegen hat das Land dagegen geklagt. Wir haben eine Klage beim Bundesverfassungsgericht laufen, über die sicher in absehbarer Zeit entschieden werden wird.
Eine weitere Sache ist die Ökosteuer. Meine Damen und Herren, ich möchte nicht über die ganze Ökosteuer sprechen, aber eines ist doch auch im Verhältnis zwischen Bund und Ländern ein Witz: Der Bund erhebt die Ökosteuer, und nachdem nun die Betroffenen aufheulen, gewährt er plötzlich die Entfernungspauschale. Das kommt mir so vor, wie wenn er einem zuerst auf den Kopf schlägt und anschließend Aspirin verschenkt. Das kann doch eigentlich nicht sein. Der Bund erhebt die Ökosteuer, und wenn dann sein „Ziel“ erreicht wird, wenn die Energie teurer wird, wenn dann Proteste kommen, wird für einige die Entfernungspauschale sehr stark erhöht. Das hat den Effekt, dass zwar manche etwas davon haben, aber auf jeden Fall mehr als die Hälfte der Erhöhung der Entfernungspauschale von den Ländern und von den Gemeinden bezahlt wird.
Das Gleiche trifft beim Familienleistungsausgleich zu. Dort stehen uns aus ganz klaren verfassungsrechtlichen Gründen – mit „uns“ meine ich die Gesamtheit der Bundesländer – 18 Milliarden DM zu. Bisher hat der Bund nicht gezahlt. Wir sind allerdings zurzeit in der Finanzministerkonferenz dabei, uns dazu sehr deutlich zu artikulieren. Ich halte es einfach für nicht in Ordnung, dass 18 Milliarden DM zurückgehalten werden.
Meine Damen und Herren, einiges zur Konjunktur. Wir haben eine Konjunkturentwicklung – das wissen Sie alle –, die zu ganz großen Besorgnissen Anlass gibt. Wir haben noch vor einem halben Jahr von einem realen Wirtschaftswachstum von 2,7 % gesprochen. In der Zwischenzeit wird das Wirtschaftswachstum nur noch auf 1 % geschätzt. Die geschätzten Wachstumsraten sind immer niedriger geworden. Ich bin einmal gespannt, wann die erste Schätzung mit einer Null vor dem Komma kommt.
Natürlich wird die Bundesregierung sagen, der Grund dafür liege im Abschwung in den USA, in Japan und in Südostasien. Keine Frage, das spielt mit eine Rolle. Tatsache ist allerdings, dass der Export in Baden-Württemberg in den ersten vier Monaten dieses Jahres immer noch um 14,2 % gestiegen ist. Der Export kann es also nicht sein.
Nicht gestiegen ist in Baden-Württemberg aber die Inlandsnachfrage, und die Inlandsnachfrage ist in erster Linie von der Politik der Bundesregierung abhängig.
Natürlich hat sie durch die Ökosteuer mit dazu beigetragen, dass die Energie teurer geworden ist. Und wenn die Energie teurer wird, dann werden gerade die Haushalte, die über relativ geringe Einkommen verfügen, sehr stark getroffen. Das sind aber gerade die Haushalte, die den größten Teil ihres Einkommens für Konsumausgaben verwenden. Die Ökosteuer war also ohne Frage eine Steuer zur Vernichtung der Konsumnachfrage. Das muss sich diese Regierung entgegenhalten lassen.
Da hat sich überhaupt sehr vieles geändert. So weit ich wirtschaftspolitisch zurückdenken kann, war Deutschland immer an der Spitze, was das Wirtschaftswachstum betroffen hat, hatte die Bundesrepublik die niedrigste Inflation und die niedrigste Arbeitslosigkeit.
Heute lese ich in der Zeitung, dass man in Frankreich inzwischen Deutschland für den kranken Mann Europas hält.
Meine Damen und Herren, wir tragen in der Zwischenzeit, was das Wirtschaftswachstum betrifft, die rote Laterne.
Italien und wir sind zusammen an letzter Stelle, was das Wirtschaftswachstum betrifft. Es kann also nicht nur an der Weltwirtschaft liegen, sondern es muss ganz eindeutig – und ich nenne Ihnen noch ein paar Zahlen – an der Politik der Bundesregierung liegen.
Man ist angeblich angetreten, um in Reformen einzusteigen. Doch was hat man erreicht? Einen Reformstau. Denn
das, was Sie beim Betriebsverfassungsgesetz gemacht haben – es kostet 2,6 Milliarden DM –, ist genau das Gegenteil von dem, was notwendig gewesen wäre, um die Konjunktur zu stimulieren.
Was Sie mit der so genannten Scheinselbstständigkeit gemacht haben, mit Ihrer halbherzigen Rentenreform, mit der Steuerreform, die in erster Linie die großen Betriebe bevorzugt, mit der Blockade einer Gesundheitsreform, mit dem 630-DM-Gesetz, das alles sind Beiträge, die unsere Wirtschaftslage verschlechtert haben.
Es sind – und ich meine, das sollte man einmal mit aller Klarheit sagen – strukturelle Probleme, die unsere Wirtschaftslage verursacht haben, und keine konjunkturellen.
Nun haben wir manchmal den Eindruck – beim Länderfinanzausgleich und bei anderen Gelegenheiten –, unsere Bundesregierung und unser Kanzler kümmerten sich in erster Linie um den Norden Deutschlands.
Jetzt will ich Ihnen einmal etwas vorrechnen: Im letzten Jahr lag das Wirtschaftswachstum in der ganzen Bundesrepublik bei 3 %, in Baden-Württemberg bei über 4 %. Wenn wir Baden-Württemberg, Bayern und Hessen herausrechnen würden, dann hätte die Bundesrepublik gerade noch ein Wirtschaftswachstum von 2,3 %. Der Kaiser oder der Kanzler stünde ohne die beiden Südländer, die er nicht besonders liebt, ganz schön nackt da.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Lachen des Abg. Dr. Salomon GRÜNE – Abg. Dr. Salo- mon GRÜNE: Wollen Sie nicht doch eine Abspal- tung vorschlagen? – Zurufe von der SPD)
Nein, nein; ich habe mir gedacht, dass die neuen Bundesländer dazukommen. Ich habe das auch für die Bundesrepublik ohne die neuen Flächenländer ausgerechnet. Die Zahl, die ich Ihnen genannt habe, liegt dann in einer ähnlichen Größenordnung. Es wäre sicher unfair, die neuen Bundesländer einzubeziehen. Es ist ohne Frage so: Dass sich die Zahlen Deutschlands international noch sehen lassen können, ist auf Bayern, Hessen und Baden-Württemberg zurückzuführen.
Zu dieser Situation hat natürlich sehr stark die Steuerpolitik beigetragen – ich habe es vorhin schon einmal gesagt: geringfügige Beschäftigung, Scheinselbstständigkeit, Ökosteuersystem –, und das, was Lafontaine als Steuerentlastungsgesetz bezeichnet hat, hat in Wirklichkeit die Wirtschaft mit 20 Milliarden DM belastet. Ein großer Teil von dem, was später dann Eichel an die Wirtschaft zurückgegeben hat, glich lediglich Belastungen aus, die Lafontaine der Wirtschaft auferlegt hat.
Meine Damen und Herren, Lafontaine – ich möchte es Ihnen erklären – war jahrelang Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und wollte mal Bundeskanzler werden.
(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Also ganz schlecht war es unter Kiesinger! Das wollen wir mal nicht vergessen!)
Meine Damen und Herren, Eichel hat ohne Frage etwas mehr Ruhe in die Steuerpolitik gebracht, und er hat ein Steuersenkungsgesetz durchgebracht.
An diesem Steuersenkungsgesetz ist vieles schlecht, und das, was gut ist, ist in erster Linie durch uns hineingekommen.
Ja! Meine Damen und Herren, ich war in jeder Phase dabei. Ich werde es Ihnen erklären: Eichel wollte ursprünglich eine Entlastung um 8 Milliarden DM; er wollte eine reine Unternehmen- und Körperschaftsteuerreform. Erst durch CDU und FDP ist es im Vermittlungsausschuss gelungen, den Einkommensteuersatz immerhin stärker zu senken – –