Protocol of the Session on May 5, 2004

und bei der Inaussichtstellung der Erweiterung der Europäischen Union um die Türkei war die EWG eine Freihandelszone, eine Zollunion, aber nicht eine Europäische Union, die politisch zusammenarbeitet und die Missverhältnisse im Wirtschaftlichen durch Direkttransfers ausgleicht.

(Zuruf von der SPD: 1997 nicht mehr!)

Sie können doch nicht im Ernst die Situation des Jahres 2004 mit der Situation des Jahres 1963 vergleichen.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Zuruf des Abg. Birzele SPD)

Daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, realistischer Blick: Die Chancen überwiegen, aber wir müssen uns am 5. Mai, am Europatag, an dem heute im Übrigen der ungarische Staatspräsident bei uns in Stuttgart zu Gast ist, was ich auch für ein bedeutendes Signal in die Zivilgesellschaft, die Sie angesprochen haben, hinein halte, vor allem bewusst machen, dass wir die Bevölkerung mitnehmen und die historische Dimension dieser osteuropäischen Erweiterung nicht verkennen, Probleme offen ansprechen, wie es geschehen ist, und bei allem doch deutlich machen, dass die Chancen und der Optimismus in dieser Diskussion und bei der Bewältigung der europäischen Einigung überwiegen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Große Anfrage ist damit erledigt.

Punkt 1 der Tagesordnung ist abgeschlossen.

(Präsident Straub)

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Die Kontrollaufgabe des Parlaments und die Auskunftsverweigerung des Wirtschaftsministers Dr. Döring vor dem Untersuchungsausschuss – beantragt von der Fraktion der SPD

Es gelten die üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Maurer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben diese Aktuelle Debatte beantragt, weil wir es im Zusammenhang mit der Aufklärung der Vorgänge um FlowTex mit einem in der Verfassungsgeschichte des Landes beispiellosen Vorgang zu tun haben.

Wir haben es damit zu tun, dass zunächst das Fragerecht der Fraktion der Grünen gegenüber Herrn Döring mit dem Hinweis auf den Untersuchungsausschuss unterbunden wurde. Anschließend machte Herr Minister Döring vor dem Untersuchungsausschuss von seinem Auskunftsverweigerungsrecht als Beschuldigter in einem Strafverfahren Gebrauch. Jetzt stehen wir vor der Situation, dass das Parlament von einem Mitglied der Landesregierung, bei dem der Anschein besteht, dass mit der Ausübung von Amtsgeschäften Vorteile einhergingen, keinerlei Rechenschaft einfordern kann.

Das ist ein beispielloser Vorgang in der Nachkriegsgeschichte des Landes. Ich will das so deutlich markieren: Es kann nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass in einer Demokratie, in der die Bürgerinnen und Bürger darauf vertrauen können müssen, dass die Amtsgeschäfte der Regierung nur nach sachgemäßem Ermessen ausgeübt werden, das Parlament seine Kontrollaufgabe gegenüber dieser Regierung nicht mehr erfüllen kann. Das kann nicht sein.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wir haben natürlich einmal nachgesehen. Es gibt zwei Beispiele für ähnliche Geschehnisse: Das eine betrifft Roland Koch, das andere Ronald Schill.

(Unruhe bei der FDP/DVP – Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Das ist eine Unverschämtheit!)

Aber in Baden-Württemberg hat es das bisher nicht gegeben.

In den letzten Wochen hatten wir allerdings eine heftige Kommunikation des Ministers mit der Öffentlichkeit – nicht mit dem Parlament. Wir haben insgesamt fünf Versionen. Die erste Version lautete: „Habe zu keinem Zeitpunkt über Umfrage gesprochen oder mit Dritten verhandelt.“ Das war nach dem Brief des Herrn Hunzinger. Wir hatten die zweite Version: „Mein Ministerium war Auftraggeber der Umfrage selber, aber der Minister habe mit niemandem telefoniert oder korrespondiert. Wer bezahlt habe, wisse er nicht. Die FDP habe mit der Umfrage nichts zu tun.“ Wir haben weiterhin die Version: „Das Ministerium war nicht der Auftraggeber der Umfrage. Bei den 10 000 DM für die Umfrage könne es sich um eine Parteispende gehandelt haben.“ Wir haben dann den Widerspruch der Landes-FDP: „Keine

Parteispende.“ Dann gibt es die Version: „Der Minister war doch mit der Umfrage befasst, habe sechs bis sieben Namen genannt – auch den von Frau Morlok –, die die 10 000 DM bezahlen könnten.“ Fünfte Version: „Ich war darüber informiert, dass Frau Morlok die 10 000 DM bezahlen wollte. Wer bezahlt hat, weiß ich aber nicht.“

Das ist die Kommunikation, die mit der Öffentlichkeit geführt wurde. Deswegen wollen wir nach diesen fünf Versionen heute von dem verantwortlichen Minister – der hier im Parlament allerdings nicht unter der Wahrheitspflicht steht – wissen

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Deswegen ist der Anwalt ja auch nicht dabei! – Abg. Hauk CDU: Wollen Sie etwas unterstellen? – Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

das ist doch keine Unterstellung; das ist eine Feststellung –, präzise wissen: Welche Aktivitäten hat das verantwortliche Mitglied der Landesregierung zugunsten der Firma FlowWaste oder der Firma FlowTex in den zurückliegenden Jahren unternommen, und welche Vorteile hat er gegebenenfalls von diesen Unternehmen angeboten erhalten bzw. entgegengenommen? Wir wollen wissen, welchen Charakter die Beziehung zu Herrn Hunzinger gehabt hat. Das ist eine durchaus parteiübergreifende Frage. Wir wissen ja, dass Herr Hunzinger in seinem Rennstall schwarze, gelbe, rote und grüne Pferdchen hatte. Aber wir wollen das wissen.

(Abg. Wieser CDU: Interessant! Rote auch, Herr Kollege!)

Ja natürlich. Was Sie nicht begreifen, ist: Es handelt sich hier nicht um den Fall klassischer Parteienauseinandersetzung, sondern um den Fall, dass in einer Demokratie, in der eh schon hohe Verdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger besteht, jederzeit Klarheit darüber bestehen muss, ob Amtsgeschäfte unbeeinflusst wahrgenommen werden.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich weise Sie darauf hin, dass der Präsident der Bundesbank zurückgetreten ist oder zum Rücktritt gedrängt wurde, obwohl bei ihm nicht die Rede davon war, dass er irgendwelche Aktivitäten zugunsten derer, die ihn eingeladen haben, unternommen hätte. Er ist zurückgetreten. Darauf weise ich Sie hin.

(Abg. Fleischer CDU: Das ist ein bisschen ein an- derer Fall!)

Deswegen wollen wir erneut den Versuch machen, heute hier Klarheit zu erhalten: Für wen hat der Minister was getan? Von wem hat er Vorteile angeboten bekommen oder erhalten? Und wie waren seine Beziehungen zu Herrn Hunzinger?

Ich werde mich dann in der zweiten Runde gegebenenfalls mit den Antworten beschäftigen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Reinhart.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Titel der heutigen Aktuellen Debatte lautet: „Die Kontrollaufgabe des Parlaments und die Auskunftsverweigerung des Wirtschaftsministers Dr. Döring vor dem Untersuchungsausschuss“. Herr Maurer, auch in Ihrem Beitrag von eben vermitteln Sie den Eindruck, das Verhalten des Ministers wäre etwas Ehrenrühriges oder Rechtswidriges. Beides ist nicht der Fall.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Selbst der Ausschussvorsitzende hat den Minister im Untersuchungsausschuss zunächst darüber belehrt, dass es ihm freistehe, Angaben zum Sachverhalt zu machen, und hinterher hat er genau das kritisiert.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Blenke CDU: In öffentlicher Sitzung hat er es kriti- siert!)

Herr Maurer, Sie bringen hier mit größter Besorgnis ein, dass diese Geschichte die Parteiverdrossenheit erhöhen könnte. Wissen Sie, die Art und Weise, wie Sie mit diesem Thema umgehen, erhöht die Parteiverdrossenheit.

(Lachen bei der SPD – Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Verehrter Herr Drexler, ich empfehle Ihnen – –

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Was ist denn eigent- lich nach Ihrer Ansicht Aufgabe der Opposition?)

Darauf komme ich zu sprechen, Herr Kretschmann. Die Kontrollrechte des Parlaments sind klar definiert und verfassungsrechtlich festgelegt. Zu der Frage, welche Fragerechte vor einem Plenum oder an anderer Stelle bestehen, haben wir gesetzliche und verfassungsrechtliche Bestimmungen. Da hat sich der Landtag sogar ein Untersuchungsausschussgesetz gegeben. In diesem Gesetz ist geregelt, wie ein Verfahren abzulaufen hat.

Wir als Kontrollorgan haben die Regierung zu kontrollieren. Das ist wahr und richtig.

(Abg. Drexler SPD: Also, dann machen Sie es doch!)

Artikel 34 der Landesverfassung sieht auch das Recht, Regierungsmitglieder herbeizuzitieren, vor. Daraus folgt auch die Pflicht, Rede und Antwort zu stehen, Herr Drexler.

(Abg. Drexler SPD: Aber nicht auf Jahre hinaus!)

Die Landesverfassung sieht aber auch das Recht vor, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Wenn beides konkurriert, ist genau der Untersuchungsausschuss die zuständige Stelle, an der die Fragen gestellt werden müssen.

(Abg. Blenke CDU: So ist es!)

Das findet seine Grenzen in den in der Verfassung garantierten Rechten eines Betroffenen.