Protocol of the Session on March 31, 2004

dass Sie ohne Beteiligung des Parlaments solche Reformvorhaben durchführen, erschwert uns natürlich eine Zustimmung, lieber Kollege, zu den im Einzelfall vielleicht tatsächlich richtigen Maßnahmen.

(Abg. Blenke CDU: Das ist Gewaltenteilung!)

Wir als Grüne sind nicht der Auffassung, dass es ausschließlich darum geht, dass mit dem Polizeipostenstrukturprogramm 2 340 Stellen eingespart werden sollen.

(Abg. Blenke CDU: Die bleiben alle erhalten!)

Wir sind sehr wohl der Meinung und lassen uns auch davon überzeugen, dass es aus polizeitaktischen und polizeistrategischen, aber auch aus Gründen der Effizienz der Polizei richtig ist, bestimmte Posten mit Revieren oder anderen Posten zusammenzufassen,

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Richtig!)

weil dann zur Bekämpfung bestehender Kriminalität, aber auch im präventiven Bereich einfach mehr geleistet werden kann.

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Richtig!)

Hätten Sie das Parlament adäquat beteiligt und hätten Sie uns in die Entscheidungen mit einbezogen,

(Abg. Hauk CDU: Sie haben es nicht eingefordert! – Abg. Alfred Haas CDU: Billige Ausrede!)

wäre es sicherlich möglich gewesen, dass wir dieser Reform zustimmen.

(Zuruf von der CDU: Das ist konstruktive Opposi- tion!)

Aber wir können keiner Reform zustimmen, über die wir nur fragmentarisch informiert worden sind und von der wir heute, am Schluss der Debatte – so lautet ja jetzt der Antrag –, zustimmend Kenntnis nehmen sollen. Das ist nicht unser Geschäftsgebaren. Wir wollen mit entscheiden! Wir sind Parlamentarier, und wir sind durchaus in der Lage, mit unserem Sachverstand Strukturreformen zu prüfen, in Einzelfällen darüber zu diskutieren und auch zu entscheiden.

Nachdem Sie diese Vorgehensweise nicht gewählt haben, sind wir nicht in der Lage, meine Kollegen von der CDUFraktion, Ihrem Antrag zum Thema Polizeipostenreform zuzustimmen.

(Abg. Blenke CDU: Das wäre aber schön!)

Zu dem vorgelegten Änderungsantrag der SPD betreffend das Antiterrorprogramm: Zu Ziffer 1 habe ich für unsere Fraktion schon ausgeführt, dass auch wir der Auffassung sind, dass der Landtag in seiner heutigen Sitzung noch einmal bestätigen sollte, dass wir dieses Antiterrorprogramm fortsetzen müssen, und zwar einfach deshalb, weil sich die Gefährdungslage garantiert nicht entspannt hat, sondern weil wir nach wie vor auch für Baden-Württemberg von einer Gefährdungslage ausgehen müssen.

Der Landtag muss auch die notwendigen Sachmittel zur Verfügung stellen.

Nicht einer Meinung mit der SPD sind wir, was ihre Forderung angeht – und deshalb bitten wir darum, über den Antrag ziffernweise abzustimmen –, dass die Polizei von jeglichem Personalabbau verschont werden solle. Diese Auffassung können wir nicht teilen. Wir sind vielmehr der Auffassung, dass es im Bereich der Landesverwaltung keine Tabus geben darf.

Kollege Drexler, das soll keine Sicherheitspolitik nach Haushaltslage sein – um diesem Vorwurf gleich zu begegnen –, sondern das ist Sicherheitspolitik im Rahmen des Machbaren. Deswegen können wir den Ziffern 3 und 4 Ihres Antrags nicht zustimmen.

Zu Ziffer 5: Was die Darlegung von Einstellungszahlen anbelangt, hat die Landesregierung tatsächlich eine Offenbarung zu leisten. Die Landesregierung, Herr Innenminister, muss dartun, wie die Einstellungsquoten in den kommenden Jahren aussehen sollen. Denn ein tatsächlich massiver Personalabbau bei der Polizei, ein massiver Abbau der Zahl der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, kann unseres Erachtens nicht angehen.

Ich möchte ein Letztes sagen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Entschuldigung, Herr Abg. Oelmayer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Blenke?

Ach so? Ja, das tue ich.

(Zuruf von der CDU: Immer!)

Bitte schön, Herr Abg. Blenke.

Herr Kollege Oelmayer, weil Sie monieren, dass der Landtag erst jetzt beteiligt wird, möchte ich Sie kurz fragen, ob Ihnen Artikel 70 der Landesverfassung bekannt ist, wonach Verwaltungsorganisation Aufgabe des Ministeriums ist.

(Abg. Teßmer SPD: Ach so! – Lachen der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Herr Kollege Blenke, natürlich ist mir Artikel 70 der Landesverfassung bekannt und bewusst. Aber wir – auch Sie, Kollege Blenke, als Abgeordneter – müssen doch vor Ort die Polizeipostenstruktur vertreten können. Dies gilt für „Regierungsabgeordnete“, wenn ich das so sagen darf, so gut wie für Oppositionsabgeordnete. Deswegen wäre eine Partizipation trotz oder gerade wegen Artikel 70 auf jeden Fall möglich gewesen.

Ich möchte ein Letztes an die Adresse der Landesregierung sagen. Die SPD-Fraktion hat dabei ja mitgestimmt. Wir sind der Auffassung, Sie hätten den Beamtinnen und Beamten im Polizeivollzugsdienst und auch im Verwaltungsdienst viel Gutes tun können, wenn Sie diejenigen, die dort im mittleren Dienst beschäftigt sind, von den Sparmaßnahmen ausgenommen hätten. Das wäre motivationssteigernd gewesen.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das wäre auch eine Motivationsgrundlage für die Umsetzung von Antiterrorprogrammen gewesen.

(Abg. Drexler SPD: Dem haben wir doch nicht zu- gestimmt!)

Dort haben Sie aber einen Schlag ins Kontor vollbracht. Sie sollten darüber nachdenken, ob Polizeiarbeit nicht effizienter laufen könnte, wenn Sie die Arbeit der Menschen in etwa adäquat vergüten würden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Junginger SPD: Wozu sollen wir zugestimmt haben?)

Das Wort erteile ich Herrn Innenminister Dr. Thomas Schäuble.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Sicherheitslage in ganz Deutschland, in Europa, auf der ganzen Welt ist schwierig geworden. Wir hatten alle die Hoffnung, dass wir nach Ende des Kalten Krieges, nach dem Untergang des Sozialismus, nach der Auflösung des Warschauer Paktes weltweit vor einer großen Friedensepoche stehen würden. Inzwischen müssen wir – wiederum weltweit, aber auch bezogen auf uns – feststel

len, dass dem leider nicht so ist. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Terrorismus, vor allem der islamistisch geprägte Terrorismus, zu einer Geißel für die ganze Menschheit geworden ist. Wir müssen leider Gottes auch davon ausgehen, dass dies noch lange Zeit der Fall sein wird und wir nicht darauf hoffen dürfen, dass sich diese Situation in wenigen Jahren zum Guten wenden wird. Darauf müssen sich alle einstellen.

Das heißt – um das nur ganz kurz zu skizzieren –, wir Europäer sind dringend darauf angewiesen, dass wir eine Konzeption zur Bekämpfung des Terrorismus, die nicht einfach an den nationalen Grenzen Halt macht, entwickeln. Hierin unterstützen wir die Forderungen der Bundesregierung, vor allem des Kollegen Schily, stellen aber gleichzeitig fest, dass man dazu auf der europäischen Ebene bisher herzlich wenig erreicht hat.

Wir müssen dann, in diesem europäischen Rahmen uns bewegend, auch national die Konzeption weiterentwickeln. Da hat die Diskussion begonnen, ob da und dort – ich denke etwa an den Verfassungsschutz – entweder Dienste zusammengelegt werden sollen oder aber, was die Landesregierung von Baden-Württemberg mit Nachdruck fordert, der Informationsaustausch besser werden muss. Wir sind natürlich auch gehalten, meine sehr verehrten Damen und Herren, uns nachhaltig Gedanken darüber zu machen, welche Hausaufgaben wir im Land Baden-Württemberg erfüllen müssen.

Ich darf eines feststellen: Als dies alles durch das entsetzliche Verbrechen vom 11. September 2001 explosionsartig sichtbar wurde, haben zu diesem Zeitpunkt und vor allem in den Wochen und Monaten und inzwischen auch Jahren danach die Innenminister des Bundes und der Länder trotz der parteipolitischen Unterschiedlichkeiten sehr konstruktiv und sehr kollegial zusammengearbeitet. Wir haben diese Zusammenarbeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie es, glaube ich, die Bürgerinnen und Bürger auch erwarten dürfen, nicht parteipolitisch orientiert geleistet, sondern sachorientiert.

(Beifall bei der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! – Abg. Blenke CDU zur SPD: Warum klatscht ihr jetzt nicht? Warum klatscht die SPD jetzt nicht?)

Eine Ausnahme davon bilden jetzt nicht die Kollegen Innenminister in anderen Bundesländern oder der Bundesinnenminister; die bildet die SPD-Opposition im Landtag von Baden-Württemberg. Dies ist sehr bedauerlich.

(Beifall bei der CDU – Abg. Blenke CDU: So ist es! Gallisches Dorf! – Lachen des Abg. Drexler SPD – Abg. Stickelberger SPD: Da müssen Sie Ihr Feindbild korrigieren, Herr Minister!)

Wenn Sie lachen, dann bitte ich – Herr Kollege Stickelberger, Sie haben das nicht getan –, uns einfach hier in diesem hohen Haus – Sie haben ja noch etwas Redezeit zur Verfügung – zu erklären, warum Sie auf die abenteuerliche, abstruse, aber auch verantwortungslose Behauptung kommen, wir wollten 4 000 Stellen bei der Polizei abbauen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, sagen Sie, wie Sie darauf kommen!

(Minister Dr. Schäuble)

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Scheuermann CDU: Märchenstunde!)

In der Diskussion vorhin ist schon einiges gesagt worden. Deshalb hier nur in aller Kürze: Kommen Sie nicht mit der Behauptung, dass das, was wir an Man- und Womanpower bei der Polizei abschöpfen, weil wir von 40 auf 41 Stunden Arbeitszeit gehen müssen – wir tun es ja nicht gerne –, Stellenabbau bedeute; denn umgekehrt verlängert sich ja entsprechend – das ist eine reine Rechenaufgabe – die Arbeitszeit.