Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 65. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Dienstlich verhindert sind Herr Ministerpräsident Teufel, Frau Ministerin Werwigk-Hertneck und Herr Minister Köberle.
Aktuelle Debatte – Neuregelung der Europäischen Agrarpolitik vor wichtigen Weichenstellungen – nachhaltige Unterstützung des Landtags für die Initiative aus Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion der CDU
Das Präsidium hat die üblichen Redezeiten festgelegt: 40 Minuten Gesamtredezeit, fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde. Ich darf die Regierung bitten, sich ebenfalls an diese Zeitvorgabe zu halten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Debatte zur Reform der EU-Agrarpolitik findet exakt zum richtigen Zeitpunkt statt. Denn in diesen Tagen befinden wir uns in der Phase der Umsetzung der EU-Beschlüsse zur Agrarpolitik durch die Mitgliedsstaaten in nationales Recht. Da geht es natürlich insbesondere darum, wie die politischen Rahmenbedingungen für den Paradigmenwechsel, der durch diese EU-Reform eingeleitet wird, gestaltet werden.
Ich erläutere noch einmal kurz diesen Paradigmenwechsel: Bisher waren die Direktzahlungen an die Bauern an die Produktion gekoppelt. Das heißt, die Bemessungsgrundlage für die Direktzahlungen war die Zahl der gehaltenen Tiere bzw. die Hektargröße der Anbaufläche. Im Zuge der Reform werden die Direktzahlungen als Festbetrag für die Gesamtfläche gewährt. Sie werden gegen eine Verpflichtung produktionsneutral bezahlt. Der Bauer geht eine Verpflichtung ein. Das ist diese Cross Compliance, diese Überkreuzverpflichtung, die von der Mindestpflege der Landschaft bis
hin zur Einhaltung bestimmter Standards gegenüber der Gesellschaft reicht. Das ist also dieses Umdrehen weg von der Produktion. Wir alle haben das übrigens begrüßt; wir halten das für richtig. Da gibt es auch Einigkeit in diesem Haus.
Das Ganze wird natürlich unternehmerische, betriebswirtschaftliche Entscheidungen bedingen, die große Auswirkungen haben können. Da ist es schon gut, wenn man diese möglichen Auswirkungen bereits im Voraus bedenkt und daraus die agrarpolitischen Zielsetzungen aus unserer Sicht entsprechend ableitet.
Die Auswirkungen können von der Totalaufgabe der Produktion in der einen oder anderen Region über das Wegfallen bestimmter Produktionsbereiche – denken wir zum Beispiel an die Bullenmast oder die Milchproduktion; die muss sowieso als Sonderfall gesehen werden – bis hin zu starken Intensivierungsmaßnahmen reichen.
Was sind, davon abgeleitet, unsere agrarpolitischen Ziele im Land? An erster Stelle möchte ich hier erwähnen, dass wir keinesfalls auf eine eigenständige heimische Nahrungsmittelproduktion bzw. Produktion nachwachsender Rohstoffe, über die wir jetzt nicht im Detail diskutieren müssen – Energie- oder Faserpflanzen –, verzichten wollen. Meine Damen und Herren, das Offenhalten der Landschaft ist, kann man sagen, ein Wert an sich, aber das reicht unseres Erachtens keinesfalls aus. Es muss eine Wertschöpfung stattfinden.
Wenn wir wissen, dass die baden-württembergische Landwirtschaft zurzeit einen Produktionswert von rund 4 Milliarden € hat, dann wird deutlich, dass der Erhalt von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft, im ländlichen Raum, im Agrargewerbe – übrigens hängt jeder achte bis zehnte Arbeitsplatz, je nachdem, wie man rechnet, mit der Landwirtschaft zusammen –, dass diese eigenständige Produktion heimischer Nahrungsmittel – die Produktion und die Wirtschaft – das Rückgrat im ländlichen Raum sein müssen.
Ein zweites Ziel: Die Produktion bzw. die Produktionsbereitschaft wollen wir nicht nur in Gunst-, sondern auch in Ungunstlagen aufrechterhalten. Das ist wieder eine Folge dieses Paradigmenwechsels. Wenn die produktionsbezogenen Direktzahlungen bisher zu einer Bevorzugung eines von Natur aus guten Standorts geführt haben – Klammer auf: Grundrente, Klammer zu –, führt das Ganze jetzt, wenn es einen Festbetrag für alle Flächen gibt, egal, ob es ein guter oder ein weniger guter Standort ist, zu einem Ausgleich,
zu einer Schwächung der guten Standorte – das ist ganz wertneutral formuliert – und zu einer Stärkung der schwachen Standorte, also der Ungunststandorte. Man könnte auch sagen, eine produktionsunabhängige Ausgleichszahlung auf die Fläche ist in gewisser Weise ein Defizitausgleich für einen schwachen Standort. Das ist eine mathematische Aufgabe, sonst gar nichts. Das kann man leicht nachvollziehen. Das Element der Grundrente fällt aber jetzt weg. Das ist das, was auch hinter dem Paradigmenwechsel steckt.
Ein drittes Ziel ist die Kulturlandschaft. Wir wollen die Kulturlandschaft – das sage ich ausdrücklich – in ihrer Vielgliedrigkeit erhalten, nicht die Agrarwüste oder das Ödland – jetzt extrem gesprochen –, sondern die Kulturlandschaft so, wie wir sie in ihrer Reichhaltigkeit kennen.
Viertens wollen wir die Entwicklung des ländlichen Raums aktiv gestalten. Das ist die zweite Säule der Agrarpolitik. Ich deute diesen Bereich nur an, über den wir künftig noch im Detail diskutieren müssen.
Fünftens wollen wir schließlich unsere europaweit beispielhaften Programme erhalten, die wir in Baden-Württemberg haben. Das heißt, wir müssen natürlich aufpassen, dass diese Programme nicht durch eine nationale Ausgestaltung unterlaufen werden, was natürlich sein kann, wenn die nationalen Standards entsprechend verschoben werden. Denn wir wollen ja mit diesen Programmen Sonderleistungen vergüten, sei es im Wasserschutz, im Naturschutz, im Tierschutz oder wo auch immer.
Bei dieser Umsetzungsphase hat Baden-Württemberg eine sehr kraftvolle und positive Gestaltungsrolle für den ersten Teil hinsichtlich des Entkoppelns übernommen. Ich glaube, man muss unserem Landwirtschaftsminister einmal – meinetwegen auch zehnmal – dafür danken,
dass er sich sehr stark für das so genannte Kombimodell eingesetzt hat. Hier besteht eine gewisse Annäherung, man kann fast schon sagen „Einigkeit“ mit der Bundeslandwirtschaftsministerin.
Man höre und staune. Das ist ja normal, ganz positiv. Ich weiß, dass sie auch das Kombimodell unterstützt. Das ist ja okay.
Ein bisschen pikanter ist, dass wir bei diesem Thema sogar die „Südschiene“ verlassen haben, denn Bayern votiert in dieser Frage anders. Wie es den Fachleuten ja bekannt ist, wollte Bayern ein anderes Modell haben. Also sagen wir danke an den Landwirtschaftsminister.
Dieses Kombimodell hat Vorteile. Erstens wird der aktive Bauer gestützt und nicht der historische Landwirt. Diesbe
züglich haben wir sehr negative Erfahrungen mit der Milchquotenregelung – ich nenne nur den Begriff „Sofamelker“ – gemacht. Dieses Programm hat eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz wegen der Kulturlandschaftspflege. Schließlich ist wichtig, dass nach Baden-Württemberg – wenn ich es richtig sehe – rund 22 Millionen € mehr fließen, als dies bei einem anderen Modell der Fall gewesen wäre. Also macht dieses Kombimodell für uns unter dem Strich einen Sinn.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, wenn man feststellt, dass die Bundesregierung und die Landesregierung in puncto unserer Landwirtschaft das Gleiche wollen. Deswegen habe ich natürlich mit Freuden festgestellt, dass im Protokoll des Bundesrats zum Gesetz zur Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik steht, dass die Landesregierung diesem Gesetz zugestimmt hat. Nur Bayern, Hessen und Sachsen haben dagegen gestimmt. Bei der Formulierung „nachhaltige Unterstützung des Landtags für die Initiative aus Baden-Württemberg“ im Titel der Aktuellen Debatte habe ich das Gefühl, Herr Minister, dass wir Sie gegenüber Ihrem Kollegen Miller aus Bayern unterstützen müssen, nicht gegenüber Frau Künast; denn die meint dasselbe wie Sie. Das ist auch sehr schön so. Man meint dieselben Landwirte, nämlich unsere.
Die Länder und der Bund haben auch gemeinsam durchgesetzt, dass Regionen und Länder identisch sind – mit den zwei kleinen Ausnahmen, dass Brandenburg und Berlin eine Region bilden und seit kurzem auch Bremen und Niedersachsen. Aber das ist sicher nur eine Marginalie. Tatsache ist, dass die EU-Agrarpolitik jetzt eine andere Richtung hat: Nicht mehr das Produkt wird gefördert, sondern es wird die landschaftspflegerische Leistung unserer Landwirte anerkannt. Das wird auch honoriert und nicht subventioniert. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir das deutlich machen.
Wir hatten die Möglichkeit, zwei verschiedene Modelle zu wählen: einmal das Hofmodell oder Betriebsmodell, das die Bayern wollten, übrigens am Anfang auch ein Teil von Baden-Württemberg. Inzwischen haben sich die beiden Bauernverbände Baden-Württembergs und die Landesregierung mit der Mehrheit der Länder geeinigt, dass das Regionalmodell wohl bis 2012 das ideale ist. Da gibt es noch einiges zu klären. Ich ersehe das aus den Anträgen von BadenWürttemberg im Bundesrat. Zehn Anträge von BadenWürttemberg wurden angenommen, sechs sind nicht durchgegangen, übrigens seltsamerweise auch mit starken Neinstimmen der CDU-regierten Länder. Das heißt also, wenn es um Landwirtschaft geht, geht es offensichtlich nicht um Parteipolitik, sondern um die Landwirte. Auch das freut uns Sozialdemokraten.
Tatsache ist, dass wir bis 2012 die drei Kernelemente der Reform deutlich machen müssen, auch gegenüber den Steuerzahlern und gegenüber den Bürgern.
Erstens wird entkoppelt, das heißt, ich muss mein Einkommen nicht mehr mit der Produktion in geförderten Bereichen verdienen, sondern ich darf in Zukunft das produzieren, wofür ich auf dem Markt Chancen sehe. Das erhöht die unternehmerische Freiheit; das halte ich für sehr gut.
Wir haben dazu allerdings eine ganze Reihe von Bedingungen zu erfüllen; darauf werde ich in der zweiten Runde noch eingehen. Man hätte das auch auf Deutsch nennen können. Warum das „Cross Compliance“ heißt, hat wahrscheinlich den Grund, damit es intelligenter oder unverständlicher klingt. Das ist aber etwas ganz Einfaches: Man sagt, der Boden muss geschützt werden, die Ökologie muss berücksichtigt werden, der Tierschutzstandard darf nicht vernachlässigt werden. Wenn das Cross Compliance heißt, ist es mir egal. Aber wichtig ist: Es ist ein weiterer Beweis dafür, dass wir auf die Bevölkerung zugehen. Denn wir merken, bei Verbrauchern hat Tierschutz einen hohen Wert und bei Landwirten auch.
Ich möchte nun noch zwei kleine Dinge erwähnen, die die Landesregierung landauf, landab etwas bedauert.
Das eine ist, dass wir immer wieder lesen und auch vom Herrn Minister hören, man hätte die Milch nicht entkoppeln sollen. Herr Minister, das geht nicht. Entweder wird entkoppelt, oder es wird gekoppelt. Wenn Sie sagen, die Milch hätte man gerne ein bisschen entkoppelt, dann versuchen wir, was Sie sicher auch befürworten, die Entkopplung etwas hinauszuzögern. Aber es geht nicht, dass ich sage: Das gilt für alles, aber nicht für die Milch. Ich weiß natürlich auch, dass 50 % Ausgleichszahlungen nicht identisch sind mit den Ausfällen. Bis zum Jahr 2012 wird das ja dann für alle ähnlich sein.
Das Zweite ist die Handelbarkeit der Prämie. Da hieß es auch, die sollte nicht zur Disposition stehen. Sie war aber überhaupt nicht gegeben. Die Prämie kann gehandelt werden, wenn man die entsprechenden Flächen hat. Das ist übrigens, da diese Möglichkeit ab 2012 beendet sein wird, kein Spekulationsbereich. Wer also mit Geld spekulieren will, der sollte das besser in Aktien als in Flächenprämien tun, denn das bringt wohl auf Dauer mehr.