Protocol of the Session on January 30, 2004

(Abg. Zeller SPD: An der Abstimmung wird sich sowieso nichts mehr ändern!)

(Minister Stächele)

denn es soll auch durch einen Beitrag zum Haushalt zum Ausdruck kommen, dass die Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit in Baden-Württemberg zu einer der Schwerpunktaufgaben dieser Landesregierung gezählt hat

(Abg. Fischer SPD: Das merken wir an der Auflö- sung der Wirtschaftskontrolldienste!)

und weiterhin zählen wird. Eines muss ich Ihnen aber sagen: Das Wort „Lebensmittelsicherheit“ ist leicht ausgesprochen, erfordert aber, wenn man Tiergesundheit, Tierschutz, Tierarzneimittelrecht und alles andere abdecken will, eine umfassende Architektur der Beratung und der Kontrolle. Denn Lebensmittelsicherheit ist nur dann garantiert, wenn der Verbraucher sagen kann: „Vom Feld, vom Stall bis auf den Teller ist ein Optimum an Kontrolle gewährleistet. Das heißt, ich habe mein Recht auf gesunde Nahrungsmittel voll verwirklicht.“ Aber wenn jemand glaubt, der Staat oder die staatliche Verwaltung, in diesem Fall die Landesverwaltung, könnte zum Vorkoster der Nation werden, dann irrt er. Das heißt also, es geht darum, den Glauben auszurotten, dass hinter jedem Teller ein Prüfer der staatlichen Verwaltung stehen kann. Das ist ganz wichtig. Die Hauptaufgabe liegt im Grunde bei den Produzenten. Unsere Aufgabe ist es, zunächst vorbeugenden Verbraucherschutz zu betreiben und dann immer wieder einzugreifen, etwa durch unvermutete Kontrollen in Verdachtsfällen, und in der Tat dafür Sorge zu tragen, dass faule Eier, sofern es sie gibt, auch nach oben kommen, dass Ordnungswidrigkeiten sanktioniert werden und gegebenenfalls auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

In diesem Zusammenhang sehe ich, lieber Herr Walter, etwa auch die gesamte Ernährungsberatung nach wie vor als einen Teil der Maßnahmen zur Gewährleistung unserer Lebensmittelsicherheit. Frau Künast kommt jetzt dort an, wo wir seit zehn Jahren sind – was übrigens von ihr zugestanden wird.

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Sie hat Baden-Württemberg immer als ein Land gelobt, das in der Ernährungsberatung, insbesondere bei der Beratung zur Kinderernährung, meilenweit vor dem ist, was viele andere tun.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Die Landesinitiative BeKi, „Bewusste Kinderernährung“, ist im Grunde ja nichts anderes als eben das Bekenntnis zur bewussten Kinderernährung. Und ich spreche denjenigen, die dort wirken, ein großes Kompliment aus: Der dort neu geschaffene Atlas findet reißenden Absatz in allen Schulen und allen Klassen.

Ich will noch ein ganz wichtiges Thema anschneiden, das mir am Herzen liegt: Bei der Lebensmittelsicherheit sieht man natürlich, wie notwendig es ist – auch wenn es einem manchmal Erschwerungen bringt –, einheitliche europäische Vorschriften zu schaffen. Da tritt natürlich der Zielkonflikt zutage zwischen dem, was Subsidiarität bedeutet, und dem, was jeder aufgrund seines normalen Verstandes in eine europäische Zuständigkeit bringen will, weil es mittlerweile nicht nur einen europäischen, sondern auch einen in

ternationalen Warenverkehr gibt. Das heißt, wir müssen uns, auch wenn es oft schmerzhaft ist, darauf einstellen, dass Brüssel bis hinunter an die Ladentheke im Interesse europäischer Lebensmittelsicherheit hineinregiert. Und ich kann Ihnen schon jetzt ankündigen: Sie werden viele schmerzliche Diskussionen mit den Metzgerfachgeschäften führen müssen, die ab dem nächsten Jahr zum Beispiel wieder „drangsaliert“ werden. Aber ich sage Ihnen: An diesem Beispiel wird das, was einerseits der Subsidiaritätsgedanke wäre und was uns andererseits die Wirklichkeit abverlangt, besonders deutlich dargestellt. Deswegen muss man hier ein Bekenntnis zu einer europaweiten Klärung abgeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Rahmen dieser Sicherheitsmaßnahmen ist auch bundesweit zutage getreten, was in den letzten Wochen unter dem Stichwort BSE wieder Schlagzeilen gemacht hat. BSE ist eine Herausforderung. Das war es, und das wird es bleiben. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse reichen noch nicht dafür aus, dass man Entwarnung geben könnte, wiewohl ich nach wie vor der Auffassung bin – das habe ich schon vor den letzten Schlagzeilen gesagt –, dass es an sich ein Unfug ist, BSETests bei 24 Monaten anzusetzen, dass wir also – da sind wir uns europaweit einig – 30 Monate gelten lassen könnten.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Zunächst einmal muss ich eines sagen: Ich danke all denen, die die letzte BSE-Thematik, nämlich deutschlandweit in einigen Fällen unterlassene BSE-Tests, einigermaßen rational abgehandelt haben. Ich hatte den Eindruck, die allermeisten – auch Journalisten – waren bestrebt, jetzt keine falsche Hysterie aufkommen zu lassen, sondern rational über die Thematik zu berichten.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Was ist Sache? Seit dem letzten Jahr können wir eine mittlerweile perfekte Datei über unsere Rinder anwenden. Die Einwohnerdatei ist ein Dreck gegen die Datei, die die Rinder anbelangt.

(Abg. Rückert CDU: Das glaube ich! – Abg. Flei- scher CDU: Gibt es für Rinder keinen Daten- schutz? – Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Das heißt, wir konnten im letzten Jahr das abgleichen, was die Ohrmarke und die Rinderdatei hergeben – Rind da, Rind geschlachtet – und was andererseits die Datensammlung im Hinblick auf die durchgeführten BSE-Tests ergibt. Dieser Abgleich war jetzt erstmals in dieser Form möglich. Es ist übrigens eine Warnung für die Zukunft für alle, die davon irgendwie betroffen waren.

Wir haben in Deutschland insgesamt 2 153 nicht getestete Rinder. Baden-Württemberg ist mit 208 nicht getesteten geschlachteten Tieren dabei. Dazu kommen 120 so genannte Geburtstagsrinder, also Rinder, die genau im Alter von 24 Monaten geschlachtet wurden, zusammen 328 Tiere.

Für Sie ist jetzt wohl wichtig zu wissen, wie wir im Ländervergleich liegen: 20 % der in Deutschland erfolgenden Schlachtungen von Rindern über 24 Monate und somit auch der BSE-Tests werden in Baden-Württemberg durchge

(Minister Stächele)

führt. Die Anzahl der Fehlerfälle liegt bei etwa 15 %, obwohl wir in Baden-Württemberg über eine verdichtete, kleingliedrige Schlachthofstruktur verfügen, wie sie kein anderes Land hat. Nachweislich – das muss man auch immer wieder sagen – sind es nicht unbedingt immer die Großen, die Fehler machen, sondern Fehler passieren auch bei den Kleinen.

Berlin hat sehr wohl gesehen, dass Baden-Württemberg bereits Mitte Dezember letzten Jahres – Kollege Walter, das war ein Lob aus dem Haus in Berlin, das wir gern entgegengenommen haben – die unklaren Fälle aufgearbeitet hatte.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Kurzum: Das war die aktuelle BSE-Problematik. Ich kann nur sagen: Wer vorsätzlich handelt und vorsätzlich gegen Recht verstößt, hat nichts anderes als den Staatsanwalt verdient.

Ich komme nun zu einem Punkt, der mich sehr – –

(Abg. Zeller SPD: Die zehn Minuten sind vorbei! – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, die Redezeit der Abgeordneten betrug zehn Minuten. Sie sprechen jetzt 29 Minuten und 11 Sekunden. Vielleicht könnten Sie es erreichen, in 30 Minuten insgesamt fertig zu sein.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU, der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Witzel GRÜNE)

Herr Präsident, das nehme ich gern entgegen. Aber wir sollten zumindest die Zeit abziehen, die mich Kollege Moser mit sehr interessanten Fragen gekostet hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Moser SPD: So hat es der Herr Präsident auch gemeint! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Sonst kommt Herr Teßmer noch einmal!)

Lassen Sie mich noch ein Thema ansprechen. Herr Präsident, ich weiß um Ihre Not. Ich werde jetzt aber noch ein Thema kurz ansprechen.

(Abg. Zeller SPD: Welche Not hat er? – Zuruf: Un- seren Hunger! – Vereinzelt Heiterkeit)

Lassen Sie mich einige wenige Sätze zur grünen Gentechnik sagen. Das ist ein Thema, das Sie ab den kommenden Tagen in allen Versammlungen ganz gewaltig beschäftigen wird. Sonnleitner hat selbst davon gesprochen: Wir dürfen es nicht zu einem Bauernkrieg in unseren Dörfern kommen lassen. Deswegen sage ich Ihnen: Wir in Deutschland müssen uns den gentechnischen Möglichkeiten stellen. Das ist gar keine Frage. Das Moratorium ist weg. Wir müssen den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen verantwortungsbewusst regeln. Dabei möchte ich ein Dämonisieren ausdrücklich ausschließen.

Entscheidend ist: Wir müssen eine Koexistenz schaffen zwischen denen, die gentechnisch veränderten Anbau betreiben wollen, und denen, die ihn nicht betreiben wollen.

(Abg. Walter GRÜNE: Geht das überhaupt?)

Denn, Herr Walter – das ist das Entscheidende; zum Glück kam der Zwischenruf zuvor –, Sie können ein gentechnikfreies Land nicht per Gesetz schaffen. Österreich hat das abgeklärt.

(Abg. Walter GRÜNE: Aber freiwillig kann man darauf verzichten! – Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

Das muss aber betont werden. Es darf nicht im Raum stehen: „Diese Landesregierung möchte...“ Was möglich ist, das ist in der Tat – –

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Wenn sich im Wege der Freiwilligkeit regional alle zum gentechnikfreien Anbau verpflichten, ist das möglich. Das möchte ich nicht ausschließen.

(Zurufe der Abg. Teßmer SPD und Walter GRÜ- NE)

Aber, lieber Herr Walter, wir dürfen uns trotzdem nicht davonstehlen, wenn es gilt, auch die ganz wichtigen Haftungsfragen zu lösen.

(Beifall der Abg. Döpper und Friedlinde Gurr- Hirsch CDU)

Sie können nicht garantieren, dass überall Gentechnikfreiheit besteht. Das heißt, wir haben Regelungspflicht und müssen – ohne die Gentechnik zu dämonisieren; ich sage das ausdrücklich noch einmal, denn ich sehe eine Diskussion auf uns zukommen, die schon wieder zum Glaubenskrieg wird – die erforderlichen Regelungen verantwortungsbewusst treffen. Das ist Sache von Frau Künast, die nun dem Kabinett einen Eckpunkteentwurf vorgelegt hat. In diesem Zusammenhang ist wirklich die Haftungsfrage zu klären.

Wenn via Pollenflug eine Vermischung stattfindet, kann es doch nicht sein, dass allen ringsum anbauenden Landwirten im Grunde eine Kollektivschuld zugemessen wird. Es kann doch nicht sein, dass die Haftung verschuldensunabhängig gilt. Das heißt, man muss in der Tat eine Haftung aufbauen, wonach der Landwirt, der nach fachlich guter Praxis anbaut, nicht von vornherein in eine Gesamthaftung genommen wird. Wir schauen uns verschiedene Modelle an. Ich könnte mir vorstellen, dass die Lösung letztlich auf einen Haftungsfonds hinausläuft. Die Schweiz hat ja eine eigene gesetzliche Regelung geschaffen. Vielleicht dient sie uns als Beispiel.

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

Schlusssatz, meine Damen und Herren: Herr Walter, wir können im Ausschuss darüber befinden.