Protocol of the Session on January 30, 2004

(Abg. Teßmer SPD: Na, na! So viel Weile nicht! Das war schon Langeweile!)

Stichwort Münsingen: Sie rennen bei mir offene Tore ein. Wir dürfen aber nicht so tun, als hätte sich der Bund seiner Aufgabe bereits entledigt und wäre daraus entlassen. Zunächst einmal: Die Grundverantwortung für das Münsinger Gelände liegt beim Bund.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Drautz FDP/ DVP – Abg. Hillebrand CDU: So ist es!)

Sie werfen da mit Millionen um sich, die es so möglicherweise gar nicht gibt; die kann man vielleicht einmal brauchen, wenn es um die Erhaltung geht.

(Abg. Hillebrand CDU: So ist es!)

Aber das Gelände wieder in den Zustand zu bringen, dass man eine Übernahme überhaupt verantworten kann, das ist Sache dessen, der bis jetzt Eigentümer ist, und das ist der Bund.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Drautz FDP/DVP)

Lieber Herr Teßmer, ich brauche es eigentlich nicht mehr ausdrücklich zu sagen, weil Herr Drautz darauf hingewiesen hat, sage es aber doch: Das war in Ihrer Rede etwas holprig. Einerseits klagen Sie, die armen Betroffenen bekämen kein Geld mehr, andererseits wollen Sie über einen Antrag in einem Bereich kürzen, der für unsere Landwirte existenziell ist, nämlich bei der Gemeinschaftsaufgabe. Da ist irgendetwas schief gegangen; das sollten Sie noch einmal überdenken.

(Abg. Teßmer SPD: Nein, Sie haben auch gestri- chen!)

Schwamm drüber; Sie haben sich da geirrt und haben es vielleicht gar nicht so ernst gemeint.

(Abg. Teßmer SPD: Das ist auch nicht schön! Das wissen Sie auch!)

Nein, nein. Herr Teßmer, Sie haben hier gesagt, man solle nicht dort kürzen, wo es die Bäuerinnen und Bauern trifft,

(Abg. Teßmer SPD: Ja! Natürlich!)

aber gleichzeitig haben wir nachher über einen Antrag auf Kürzung von Mitteln zum einen beim Wald, was Besitzer kleiner Privatwälder treffen würde, und zum anderen bei der Gemeinschaftsaufgabe zu befinden. Kollege Drautz hat es angesprochen.

Hinzu kommt ja noch das Faszinosum oder die Torheit, dass man, wenn man bei der Gemeinschaftsaufgabe um 5 Millionen € kürzt, zwar 2 Millionen € Landesmittel spart, aber 3 Millionen € Bundesmittel und 3,5 Millionen € EUMittel zurückgibt. Das ist natürlich ein ganz cleverer Antrag. Am besten ist es, wir vergessen ihn gleich. Vielleicht können Sie verhindern, dass darüber abgestimmt wird, damit das nicht in die Landtagsgeschichte eingeht.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Drautz FDP/ DVP – Abg. Teßmer SPD: Na ja!)

Dann noch eines, Herr Teßmer: Die Behauptung, beim Personal würde nicht gespart, lasse ich nicht durchgehen. Im MLR – und es gibt noch einige andere Häuser, in denen so verfahren wurde – sind in den letzten zehn Jahren 20 % der Personalstellen abgebaut worden. Das macht summa summarum 1 100 Stellen. Da war das Ministerium betroffen und waren die nachgeordneten Behörden betroffen.

(Abg. Teßmer SPD: Die Waldarbeiter!)

Das muss erst einmal einer nachmachen. Wenn Sie sagen, man solle dort weiter abbauen, dann stellen Sie sich aber demnächst bitte nicht wieder hier hin und sagen, zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit gebe es zu wenig Personal und in der Naturschutzverwaltung gebe es zu wenig Personal. Also, da muss man schon ehrlich sein. Da muss insbesondere in einer Haushaltsdebatte Geradlinigkeit in den Aussagen angesagt bleiben.

(Zurufe der Abg. Teßmer SPD und Heike Dederer GRÜNE)

Über Legehennen haben wir schon oft diskutiert.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Nur, damit eines klar ist – –

(Abg. Walter GRÜNE hält einen Artikel aus der Zeitschrift des Deutschen Tierschutzbundes „du und das tier“ in die Höhe. – Abg. Walter GRÜNE: Da bist du drin!)

Ja, ja. Ich weiß. Dazu will ich Stellung nehmen.

(Minister Stächele)

Bei der letzten Debatte im Bundesrat ging es nicht darum, dass irgendein Vertreter der Länder die Käfighaltung wieder einführen wollte. Das ist ausdrücklich von jedem einzelnen Redner so auch zu Protokoll gegeben worden. Es geht wirklich nur darum, dass wir die ausgestalteten Käfige nach Prüfung auch bei uns verwenden können. Sie sind möglicherweise eine Alternative zur Freiland- und zur Bodenhaltung, die wiederum mit vielen Problemen behaftet sind. Im nächsten Jahr werden sie europaweit getestet und geprüft. Wir dürfen nicht wieder den törichten Alleingang gehen, dass um uns herum möglicherweise mit ausgestalteten Käfigen ganz sinnvolle Legehennenhaltung betrieben wird.

Wir jagen die Legehennen weg – Hauptsache: weg –, das Gewissen ist beruhigt, und die Eier kommen aus Käfigen von außen wieder herein.

(Beifall des Abg. Hauk CDU – Abg. Renate Rastät- ter GRÜNE: Nehmen Sie sich ein Beispiel an der Schweiz!)

Das würde ich oft gerne tun, aber dann müssten wir uns zu der Erkenntnis durchringen, dass beim Einkommen der Landwirte 60 % staatliche Transferleistungen sind. So ist das in der Schweiz.

Dann müsste der Verbraucher bereit sein – das wäre ein dringender Appell, den Sie aussprechen könnten –, zum Beispiel für das Frühstücksei ein „Fränkli“ zu bezahlen.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Genau!)

Von diesen Realitäten würden unsere Landwirte träumen. Es nutzt nichts, auf die Schweiz zu verweisen, wenn die Wirklichkeit bei uns eine andere ist. Letztlich müssen sie hier ihre Existenz sichern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich will jetzt einige Dinge ansprechen, die den ländlichen Raum betreffen. Naturgemäß beginnt man mit dem, was im Zentrum des ländlichen Raums steht, der Landwirtschaft. Gerade vor zwei Tagen kam wieder eine Meldung, die uns alle mit Sorge erfüllt hat: Das Höfesterben geht weiter. Es hat zugenommen. Sie müssen die genannten 3,8 % pro Jahr umsetzen. Das bedeutet nichts anderes, als dass im Land Baden-Württemberg pro Jahr 2 500 Höfe aufgegeben werden.

(Abg. Teßmer SPD: Das sind nicht alles Haupter- werbliche!)

Anderswo ist es das Gleiche. Zum Beispiel kann man am Oberrhein überdeutlich erkennen, wie den Menschen das Wasser an der Kante steht. Es ist ein Kampf um das Überleben. Die Landwirte dort sagen: Wir können nicht zulassen, dass Schweizer mit dickeren Geldbeuteln in der Lage sind, uns die Grundstücke wegzukaufen, die wir dringend brauchen, um zu überleben und die notwendige Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

In der Tat müssen wir uns darauf besinnen, was Agrarpolitik in der Zukunft ausmachen kann und muss. Ich glaube, hier sind wir uns im Grundbekenntnis einig. Ich habe nicht gehört, dass einer sagt: Wir wollen keine Nahrungsmittel

produktion im Land Baden-Württemberg. Jeder hier im Saal weiß – das wird auch ausdrücklich angesprochen –: Nahrungsmittelproduktion ist bei uns letztlich Gott sei Dank mit wertvoller Landschaftserhaltung und Landschaftsgestaltung verbunden.

Dann kommt das Dritte.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Moser?

Er soll sich einen Moment gedulden. Ich bin gerade bei Ausführungen, die sicher auch für ihn interessant sind.

(Heiterkeit)

Wenn man weiß, dass ein Landwirt die Existenz seiner Familie mit Marktpreisen nicht sichern kann, dann muss eben die klare politische Herausforderung bestehen, diese Einkommen mit staatlichen Transferleistungen abzudecken bzw. die Landschaftserhaltung zu vergüten. Das haben wir in Baden-Württemberg vorbildlich aufgebaut.

Jetzt darf Herr Kollege Moser seine Zwischenfrage stellen.

Ich bin beeindruckt, Herr Minister, was ich jetzt in der kurzen Zeit gelernt habe.

(Heiterkeit)

Vorhin haben Sie die Situation am Hochrhein und die Existenzfrage der Bauern auf deutschem Gebiet in Konkurrenz zur hoch subventionierten Landwirtschaft der Schweiz angesprochen. Könnten Sie kurz andeuten, welche Überlegungen in Ihrem Haus entwickelt worden sind und ob Sie bereit sind, dafür einzutreten, dass die einschlägigen Abkommen entweder gekündigt oder geändert werden? Wie wollen Sie diesbezüglich vorgehen?

Ja, das will ich gerne beantworten.

Die ganze Sache liegt auf internationaler Ebene begründet. Sieben Freizügigkeitsabkommen wurden 1999 zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossen. Sie sind in nationales Recht transformiert worden. Diese Freizügigkeitsabkommen sind zum 1. Juni 2002 wirksam geworden. Sie beinhalten die Sicherstellung der Freiheit im Warenverkehr, aber auch eine Gleichstellung der am Wirtschaftsleben Beteiligten. Darunter fallen auch die Landwirte. Das heißt, der Schweizer Landwirt ist in den Rechten und Pflichten – in diesem Fall in den Rechten – gleichzustellen mit dem baden-württembergischen, dem deutschen Landwirt.