Protocol of the Session on January 29, 2004

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist halt nicht alles gesagt, lieber Kollege Reinhart.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Reinhart CDU – Abg. Döpper CDU: Vor allem nicht von jedem! – Abg. Dr. Reinhart CDU: Nur noch nicht von dir!)

Sonst könnte ich mir tatsächlich meine Rede sparen, vor allem zu dieser fortgeschrittenen Stunde.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Es ist erst 18 Uhr!)

Ich möchte im Prinzip zu zwei Schwerpunkten für meine Fraktion Stellung nehmen, weil wir uns dort, glaube ich, anders als die Landesregierung, insbesondere das Justizministerium, und die Fraktionen dieses Hauses, die das Justizministerium tragen, positioniert haben.

Das beginnt natürlich bei der Justizreform. Sie haben dazu diverse Ausführungen gemacht. Ich darf noch etwas zu den Kernbereichen dieser angedachten Reform sagen, die im Übrigen in dem Etat – den wir natürlich ablehnen werden, weil sich darin keine Reformanzeichen niederschlagen – gar nicht vorkommt. Im Kern hat die Justizministerin unter dem Druck des Ministerpräsidenten – so darf man das durchaus formulieren; zumindest einmal zeitlich gesehen – eine Reform vorgelegt, die vorsieht, dass alle nur denkbaren Bereiche aus der Justiz herausgenommen werden, die man herausnehmen kann. Das hat begonnen – Kollege Reinhart, da sind wir gar nicht so weit auseinander –

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Sind wir ja nie!)

doch, schon –

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Wir sind weit aus- einander!)

mit der Frage der Privatisierung des Notariatswesens. Dazu muss man natürlich als freiberuflich tätiger Anwalt und als Jurist sagen: Im Kern muss dies keine Staatsaufgabe sein.

(Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP – Abg. Theu- rer FDP/DVP: Sehr richtig!)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sie hatten viele Jahrzehnte die Gelegenheit zur Privatisierung. Ich gehöre dem Landtag jetzt siebeneinhalb Jahre lang an. In diesen siebeneinhalb Jahren wird an der Reform herumgedoktert, und Sie können sich einfach nicht auf eine Konzeption einigen. Der Grund, warum Sie sich nicht einigen können, liegt ja auf der Hand: Eine vollständige Privatisierung zum jetzigen Zeitpunkt würde für den Landesetat einen Einnahmeausfall bedeuten, zu dem vonseiten des Justizministeriums auch auf mehrfache Nachfrage – sei es mündlich, sei es schriftlich – noch nicht dargelegt werden konnte, wie man ihn kompensieren will.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Der Unterschied zwi- schen Opposition und Regierung ist der Unter- schied zwischen Theorie und Praxis!)

Kollege Theurer, jetzt lassen Sie einmal jemanden reden, der Ahnung von der Sache hat.

(Beifall bei den Grünen)

Da waren schon manche Ausführungen dabei, die knapp neben der Sache lagen.

(Heiterkeit der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Theurer FDP/DVP: Wie bitte?)

Ich meine aber doch: Wenn wir das in absehbarer Zeit angehen und die europäische Argumentation vielleicht noch an Bedeutung gewinnt, muss man eine solche Notariatsreform anders vorbereiten, als Sie das bisher getan haben. Sie müssen eine Kompensation für den Einnahmeausfall suchen; dann lassen wir über eine Notariatsreform gerne mit uns reden.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Wir sind auf alles vorbe- reitet! Stündlich sind wir vorbereitet!)

Es gibt aber weitere Punkte.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Was ist denn Ihr Vor- schlag?)

Ich habe ihn Ihnen genannt. Im Moment gibt es keine Privatisierung, weil wir den Einnahmeausfall nicht kompensieren können. Das ist der Vorschlag, Kollege Theurer. Ich glaube, Sie haben mir nicht zugehört.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Das ist auch kein Vor- schlag!)

Wir haben aber weitere Punkte. Das Thema Gerichtsvollzieher haben wir gerade schon andiskutiert. Man kann nun Gutachten bestellen. Es werden viele Gutachten auf Bundesebene bestellt – wir haben das in den letzten Tagen gehört –, im Übrigen nicht viel weniger auf Landesebene. Da sind sie vielleicht nicht ganz so teuer, weil vielleicht nicht ganz so umfassend und nicht ganz so tief greifend. Das mag ja so sein. Aber zur Privatisierung der Gerichtsvollzieher: Wer in der täglichen Praxis mit der Vollstreckung von Urteilen befasst ist – nicht nur im familienrechtlichen Bereich; ich will nichts dramatisieren, es geht einfach um die Vollstreckung von Titeln, nach denen der Gerichtsvollzieher befugt ist, Wohnungen zu öffnen, Schränke aufzumachen etc. pp. –, weiß, dass das nie und nimmer auf Private delegiert werden kann.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Reinhart CDU)

Diese Gutachten, die Sie da haben erstellen lassen, würde ich gerne erst einmal sehen. Dazu kommt natürlich, dass auch hier erst über lange Sicht hinweg – bisher haben Sie das nie präzise dargetan – eine Einsparung für den Landesetat in nennenswertem Umfang entstehen würde. Deshalb glaube ich, auch aus diesem Grund ist diese Privatisierungsmaßnahme, die Sie vorschlagen, nicht sinnvoll und auch verfassungsrechtlich nicht möglich.

Ein weiterer Privatisierungsvorschlag – das ist das Einzige, was von Ihrer großen Justizreform letztendlich übrig geblieben ist – ist die Privatisierung der Bewährungshilfe. Ich weiß, dass es im Justizministerium, nicht nur bei der jetzt amtierenden Ministerin, sondern auch bei anderen im Justizministerium tätigen Menschen, diese Idee schon seit längerem gibt. Wenn man über die Grenze nach Österreich schaut, kann man dort die privatisierte Bewährungshilfe betrachten. Aber einen entscheidenden Unterschied gibt es natürlich zu dem Vorschlag, den Sie gemacht haben. Wenn man nach Österreich schaut, muss man auch sehen, dass dort durch Gesetz die Zahl der Probanden begrenzt ist. Mir sind hierzulande Bewährungshelfer bekannt, die 120 Probanden haben. Das kann nicht mehr heißen, als Strichlisten zu führen. Mit regulärer, tief greifender, erfolgreicher Bewährungshilfearbeit kann man das nicht vergleichen. Da müsste man die Zahl der Probanden vielleicht wie in Österreich auf 30 beschränken. Wenn Sie das tun, liebe Justizministerin

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Liebe! – Zuruf des Abg. Oettinger CDU)

und meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, dann würde der Einspareffekt gegen null gehen. Das wäre die nächste Argumentation, die gegen diese Privatisierung spricht, dass Sie nämlich, wenn Sie privatisieren, darlegen müssen, wo die Effizienzrendite sein soll. Würde das bedeuten, dass ein Träger mit privater Rechtsform, der die Bewährungshilfe übernimmt, dann 10 oder 20 % weniger aus dem Landesetat für die Tätigkeit der Bewährungshilfe bekommen würde?

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, das ist ein falscher Weg, weil die Bewährungshilfe ein Standbein der Resozialisierung von straffällig gewordenen Menschen in unserer Republik darstellt. Deshalb müssen wir die Bewährungshilfe stärken und nicht durch Privatisierungsmaßnahmen schwächen.

Ein weiterer von Ihnen favorisierter Punkt, den ich zum Bereich Justizreform ansprechen möchte, ist die Übertragung der Register: des Handelsregisters, des Genossenschaftsregisters etc. Ja klar, da zeigt der Finger gleich wieder auf mich. Ich sitze nicht im Bundestag, sondern hier im Landtag. Es gibt vielfache Initiativen verschiedenster Fraktionen oder Minister dieses Hauses. Insbesondere die Ministerin tut sich ja mit zahlreichen Bundesratsinitiativen

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Hervor!)

geradezu überschwänglich hervor. Aber auch hierzu kann ich Ihnen sagen: Solange die Einnahmesituation im Landes

etat so ist wie derzeit, wäre es nicht logisch und nicht sinnvoll, wenn wir ausgerechnet die Bereiche der Justiz privatisierten, die einen nennenswerten Deckungsbeitrag für den Einnahmebereich des Justizetats leisten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Reinhart CDU zu den Grünen: Da liegt ihr falsch! – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Spärlicher Beifall! – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das Protokoll verzeichnet lebhaften Beifall!)

Ein weiterer Punkt, den ich nennen möchte, ist das Schnellbauprogramm für die Justizvollzugsanstalten. Wer sich hier noch hinstellt – Herr Kollege Theurer, das gilt für Sie – und von einem „Schnellbauprogramm“ spricht – ich weiß nicht, was bei Ihnen schnell ist, jedenfalls nicht die Realisierung der neuen Justizvollzugsanstalt in Offenburg –, wer da noch von „schnell“ spricht, der lebt in einer anderen Welt. Es wäre schön, wenn die Ministerin einmal einen konkreten Zeitplan für die Umsetzung dartun würde, weil wir diese sozialtherapeutische Anstalt brauchen. Wir brauchen sie insbesondere deswegen, weil wir auch die Menschen therapieren müssen, die in diesem Land Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begangen haben. Deswegen wäre es wirklich längst an der Zeit, dass hier konkrete Vorschläge zur Umsetzung auf den Tisch des Hauses kommen.

(Beifall bei den Grünen)

Zum Schluss: Als Oppositionsabgeordneter habe ich – und da macht Opposition richtig Spaß –

(Heiterkeit der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

wirklich viel Mühe und viel Zeit für das Thema „Auslagen in Rechtssachen“ aufgewendet. Das mache ich seit vielen Jahren. Worum es dabei geht, möchte ich Ihnen anhand der Zahlen des Etats darstellen. Der Etat umfasst 1,29 Milliarden €, davon sind 70 % Personalausgaben und 25 % sächliche Verwaltungsausgaben; davon wiederum – ich hoffe, Sie können mir so schnell folgen – sind 60 % Auslagen in Rechtssachen. Das macht etwas über 200 Millionen € aus.

Im Jahr 1997 habe ich zum ersten Mal nachgefragt, ob es nicht möglich ist, diesen Auslagen in Rechtssachen, die ja als Auslagen im Etat auftauchen, auch die Einnahmeseite gegenüberzustellen. Denn wenn prozessiert wird, werden von den Parteien natürlich Gebühren bezahlt; wenn Sachverständigengutachten bestellt werden, werden diese in der Regel in Zivilverfahren auch von den Parteien bezahlt. Ihr Amtsvorgänger, Frau Ministerin, hat mir damals mitgeteilt: Ja, das haben wir dann alles im Griff; ab dem 1. Januar gibt es eine Kosten- und Leistungsrechnung, und dann können wir ganz genau sagen, an welcher Stelle was ausgegeben wird und wo es einen Rückfluss gibt.

Was höre ich jetzt im Jahr 2004 nach viel NSI und vielen anderen Themen? Die genaue und konkrete Zuordnung für diese Ausgaben- und Einnahmepositionen sei bis heute nicht möglich.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- zeigt.)

Ich komme bald zum Schluss, Frau Präsidentin.

(Abg. Kübler CDU: Ah ja! – Abg. Röhm CDU: Versprechen!)

Was sehe ich jetzt im Etat? Ich sehe im Etat bei den Auslagen in Rechtssachen – ich nenne nur einmal eine Position; das zieht sich ja durch den ganzen Etat hindurch –: Bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit und den Staatsanwaltschaften betrug das Ist im Jahr 2001 auf der Ausgabenseite 136 Millionen €. Das Ist 2002 betrug 136 Millionen €, das Soll 2003 betrug 142 Millionen €, und das Ist 2003 betrug 149 Millionen €; das waren dann Mehrausgaben. Das Soll 2004 soll jetzt bei 166,7 Millionen € liegen. Ich kann in Teilen nachvollziehen, warum man diese Position erhöht. Warum man sie aber um nahezu 20 Millionen € erhöht, kann ich mir nur so erklären, dass man hier keine globale Minderausgabe, sondern eine globale Mehrausgabe zum Ansatz bringt. Eine Aufstockung um 10 Millionen € oder vielleicht noch um 15 Millionen € hätte ich mir gefallen lassen.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Reinhart CDU)

Deshalb haben wir unseren Antrag noch einmal zur Abstimmung gestellt. Die von uns beantragte Kürzung um 3 Millionen €, Kollege Reinhart, hätte zumindest den psychologischen Effekt, klar zu machen, dass auch in diesem Bereich die Kosten- und Leistungsrechnung und das Abchecken und das Controlling umgesetzt werden müssen. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt und bitten Sie um Zustimmung zur Kürzung um 3 Millionen €, was im Justizetat nicht wenig ausmacht.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Genauso wenig begrün- det!)

Ansonsten, meine Damen und Herren – das darf ich zum Schluss noch sagen, Frau Präsidentin, wenn Sie mir nicht böse sind –: