Noch ein Beispiel: Die Kohl-Regierung wollte bei der Beitragssatzanhebung der Kassen automatisch die Zuzahlungen erhöhen – das haben Sie per Gesetz geregelt;
und eine Beitragssatzerhöhung um 0,7 Prozentpunkte, wie sie jetzt die AOK Baden-Württemberg beschließen musste, hätte dazu geführt, dass die Kosten für kleinere Packungsgrößen bei Arzneimitteln statt wie bisher 8 jetzt 15 DM betragen hätten. So sah Ihre Gesundheitspolitik aus.
Wie war es denn? Sie waren es, der jegliche Strukturreform im Bundesrat blockiert hat, und jetzt stehen Sie auf und lassen vollmundig die Forderung nach Strukturreformen ab. Bisher haben Sie sich im Bundesrat immer verweigert.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon interessant, zu sehen, wie sich Frau Haußmann für die SPD angesichts auf breiter Front steigender Beitragssätze der Krankenkassen – die, die jetzt noch nicht dabei sind, werden demnächst kommen; sie haben es bereits angekündigt – hier hinstellt und sagt, die SPD-geführte Bundesregierung hätte erfolgreiche Gesundheitspolitik und vor allem eine erfolgreiche Stabilisierung der Beitragssätze betrieben. Wo sind wir denn?
(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Sie sind befangen, haben wir gerade festgestellt! – Weitere Zurufe von der SPD – Heiterkeit bei der SPD)
Die Strategie, die Ihr „Basta-Kanzler“ und seine Gesundheitsministerin derzeit betreiben – lächeln, beschwichtigen,
Beruhigungspillen und Placebos verteilen –, scheitert erkennbar aufgrund der realen Fakten, und das Thema Gesundheitsreform, das Sie im Gegensatz zur Rentenreform noch einmal verschieben zu können geglaubt haben, beherrscht heute die Schlagzeilen auch unserer Zeitungen in Baden-Württemberg – heute titeln die „Stuttgarter Nachrichten“: „Wirbel um Zweiklassenmedizin“ –, interessanterweise weil die Diskussion über die Frage, wie wir zu strukturellen Veränderungen im Gesundheitswesen kommen können, im Moment bei I h n e n geführt wird.
Wenn Sie immer mit der Altlast daherkommen, dann muss man einfach sagen – Kollegin Gräßle hat es schon gesagt –: Die Regierung Kohl mit den Liberalen hat Ihnen einen Überschuss bei den Krankenkassen übergeben, und Sie haben die Gesundheitsreform von Seehofer, die maßgeblich von den Liberalen mitbestimmt war, zurückgenommen, und zwar ohne Not.
Sie müssen jetzt aufpassen, dass Ihnen in der Gesundheitspolitik nicht dasselbe passiert wie bei der Rentenreform.
Da hat ein Kanzler vor der Bundestagswahl den Leuten die Rückkehr zur Nettolohnanpassung – „Wir müssen überhaupt nichts ändern“ – versprochen, und nachher hat sich das als Rentenlüge herausgestellt. Dabei hat er sich ertappen lassen und sich dann wort- und tränenreich bei jedem einzelnen Rentner entschuldigt. Passen Sie bitte auf, Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, dass Sie nicht in eine Gesundheitslüge hineintappen. Es reicht eben nicht aus, in einem Zickzackkurs immer wieder einmal irgendwelche Papiere zu lancieren. Auch Sie haben als treue Parteisoldaten hier in den Debatten diesen falschen Kurs der planwirtschaftlichen Steuerung durch Budgetierung natürlich immer unterstützt. Passen Sie auf, dass Sie sich nicht plötzlich um 180 Grad drehen müssen und nachher Probleme haben, der Bevölkerung zu erklären, warum Sie Ihren Kurs der planwirtschaftlichen Steuerung, der Begrenzung der Kosten, der fantasielosen Budgetierungspolitik verlassen müssen.
Sie haben in der Rentenpolitik Gott sei Dank wenigstens einen Schritt in die richtige Richtung getan mit einer Reduzierung des solidarisch finanzierten Niveaus auf eine Grundsicherung. Genau das haben Sie bei der Rentenpolitik gemacht und dann eine übrigens nicht paritätisch finanzierte, sondern allein vom Versicherten zu tragende private Zusatzversorgung durchgesetzt. Das loben wir ja, auch wenn es nicht weit genug geht.
Wenn ich nun sehe, wie die Bundesregierung dieses Ergebnis inzwischen imagemäßig verkauft, indem sie großformatige Anzeigen schaltet: „Freuen Sie sich auf die RiesterRente“, dann muss ich sagen: Kompliment; wir, die alte Koalition, haben es möglicherweise nicht in dem Maße geschafft, den Menschen zu vermitteln,
dass wir ihnen nichts nehmen, sondern ihnen mehr Wahlfreiheit geben, ihnen mehr Eigenverantwortung in die Hand geben und auch zutrauen.
Genau dieses Rezept, dass wir den Menschen wieder mehr Eigenverantwortung geben, dass wir mehr Wahlmöglichkeiten schaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Sie in der Rentenversicherung
nach langen Wehen mitgemacht haben, wird auch im Gesundheitswesen die Lösung der strukturellen Probleme in diesem Bereich sein.
Wir sollten das, was alle Experten uns als den richtigen Weg anraten, nicht im Streit, sondern gemeinsam hinzukriegen versuchen, damit wir die Bevölkerung mitnehmen und sie nicht das Gefühl hat, man nehme ihr etwas weg, sondern erkennt, dass wir dieses System stabilisieren, indem wir allen Beteiligten ein Stück mehr Freiheit geben. Deshalb rufe ich uns alle dazu auf, an diesem Konzept miteinander zu arbeiten.
Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren schon seit Jahren die Probleme in unserem Gesundheitswesen. Schon mancher Minister und manche Ministerin hat auf dem Weg zu der Lösung der Probleme unter dem Druck der verschiedenen Interessen- und Lobbyistenvereinigungen kapituliert. Ich meine damit nicht nur Andrea Fischer, wie Sie mir vielleicht unterstellen mögen, sondern mir fällt da vielmehr ein ganz anderer Name ein, nämlich der Name des früheren Bundesgesundheitsministers und jetzigen CDU-Oppositionsführers in der Gesundheitspolitik, Horst Seehofer, der schon 1996 mit seiner Positivliste gescheitert ist und der in den Folgejahren auch daran gescheitert ist, die Kostenexplosion im Gesundheitswesen einzudämmen.
Ich stelle diese Bemerkung ganz bewusst an den Anfang meiner Ausführungen, um zu zeigen, dass in der Gesundheitspolitik weder Überheblichkeit noch vollmundige Besserwisserei am Platz ist. Das sage ich gerade auch an die Adresse der CDU. Die CDU tut immer so, als ob sie die Konzepte hätte. Ich sehe kein schlüssiges Konzept, weder auf Bundesebene noch auf Landesebene.
Sie macht tagespolitische Opposition und fordert immer genau das Gegenteil von dem, was gerade vorgeschlagen wird. Das ist CDU-Konzeptionslosigkeit.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Hauk CDU: Das ist aber nicht wahr! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das war ein Blattschuss!)
Aber auch die Landesregierung hat im Prinzip kein schlüssiges Konzept zur Eindämmung der Kostenexplosion vorzuweisen, sieht man einmal davon ab, dass sie den Risikostrukturausgleich für ungerecht hält und dagegen klagen will. Was habe ich heute gelernt? Dass der Risikostrukturausgleich pervers ist. „Pervers“ wäre mir da nicht eingefallen, sondern der Risikostrukturausgleich ist vorrangig ein Instrument, um Ungerechtigkeiten unter den Krankenkassen auszugleichen und Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Der Risikostrukturausgleich stellt heute, nachdem wir eine wettbewerbsorientierte Krankenkassenpolitik haben, die Basis der Solidarität dar. Wir stehen nach wie vor für ein solidarisches Gesundheitswesen.
Unser Herr Sozialminister hat keine Gelegenheit ausgelassen, um gegen die Positivliste und gegen die Arznei- und Heilmittelbudgets zu wettern.
Sie wollten die Budgetierung abschaffen und haben dazu eine Bundesratsinitiative eingebracht. Interessanterweise haben Sie genau das vorgeschlagen, was Frau Ministerin Schmidt in Berlin jetzt realisiert, um der Ärzteschaft ein Stück weit entgegenzukommen, nämlich die Abschaffung der Arznei- und Heilmittelbudgets und die Einführung einer modifizierten Form von budgetablösenden Richtgrößen.