Protocol of the Session on December 18, 2003

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Bürokratie ohne Ende! – Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Wenn Ihnen das schon zu viel ist, dann haben Sie einfach nicht verstanden, welche dramatische Entwicklung wir in den letzten Jahrzehnten bei den Hochwassern zu verzeichnen haben.

(Beifall bei den Grünen)

Zwischen zwei hundertjährlichen Hochwassern liegen doch nur noch zehn Jahre, meine Damen und Herren.

Kommen wir noch zu drei weiteren Anträgen, die wir gestellt haben. Im Ausschuss haben wir über vorbeugenden Hochwasserschutz gesprochen. Unseren Antrag dazu bringen wir nicht wieder ein, weil die betreffenden Regelungen teilweise in anderen Gesetzen aufgenommen sind. Wir hätten es aber für sinnvoll gehalten, sie an dieser Stelle aufzuführen. Auch gehe ich nicht mehr auf das Thema „Bauvorhaben in Überschwemmungsgebieten“ ein.

Aber wir haben neben dem gerade debattierten Antrag zum Grünlandumbruch mit der Drucksache 13/2733-2 einen weiteren Antrag in das Verfahren eingebracht. Dieser Antrag beschäftigt sich mit der Frage, ob es zulässig sein soll, neue Baugebiete in Überschwemmungsgebieten auszuweisen.

(Abg. Fischer SPD: Genau!)

Meine Damen und Herren, wenn die von Ihnen vorgesehene Regelung darauf abzielt, neue Baugebiete, eine neue Bauleitplanung in Überschwemmungsgebieten zuzulassen, dann ist das schlicht und ergreifend hochgradig verantwortungslos.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Fischer SPD: So ist es! – Abg. Hil- lebrand CDU: Falsch!)

Meine Damen und Herren, das wäre ein Gesetz mit einer kurzen Halbwertszeit, denn der Bund hat in seinem Hochwasserschutzgesetz, das bereits in der Anhörung ist, ein entsprechendes Verbot festgeschrieben. Sie werden dann eben in einem Jahr eine erneute Befassung mit dem Gesetz

durchführen müssen, weil Ihre Unvernunft von oben herab – leider ist es nur so möglich – korrigiert wird.

(Abg. Pauli CDU: Die kommunale Selbstverwal- tung steht auf dem Spiel!)

Ich fasse zusammen: Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie ist unstrittig. Darüber gibt es keinen Dissens. Selbstverständlich würden wir diesem Teil des Gesetzes gerne zustimmen. Streit gibt es über den Hochwasserschutz. Sie haben die Zeichen der Zeit, die Zeichen zunehmender Bedrohung durch Hochwasserkatastrophen – ich erinnere an die Katastrophe letztes Jahr vor der Bundestagswahl – immer noch nicht erkannt. Insbesondere weil das Verhalten, das Sie hier an den Tag legen, ohne Argumente Verbesserungsvorschläge einfach abzuweisen, inakzeptabel ist, können wir dem Gesetz ohne eine inhaltliche Veränderung im dargestellten Sinne nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erhält Herr Minister Müller.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die politischen Leitlinien zu diesem Gesetz sind bei der Ersten Beratung schon geschildert worden.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Zum Vermeiden von Wiederholungen will ich diese Leitlinien nicht noch einmal ansprechen. Vielmehr will ich mich auf das beziehen, was in der parlamentarischen Beratung, vor allem im Ausschuss für Umwelt und Verkehr, gesagt worden ist. Zum Zweiten will ich einen kurzen Ausblick in die Zukunft geben.

Zunächst einmal sind wir uns darin einig, dass wir die Wasserrahmenrichtlinie im Verhältnis 1 : 1 von europäischer Ebene in Landesrecht umsetzen. Bei dieser Gelegenheit will ich ergänzen: Was die Wasserrahmenrichtlinie auf europäischer Ebene darstellt, ist auf deutscher Seite durch unser Haus koordiniert worden. Wir haben also frühzeitig und auf der richtigen Ebene Einfluss genommen.

Zweitens: Was den Hochwasserschutz anbelangt, sind wir uns grundsätzlich einig. Es gibt eine gewisse Differenzierung zwischen dem, was die Grünen gerade vorgetragen haben, und unserer Haltung. Aber wir sind uns grundsätzlich einig, dass es in bestimmtem Umfang in Zukunft Bauverbote geben soll, dass es in bestimmtem Umfang auch ein Umbruchverbot geben soll und dass es in bestimmtem Umfang in Bezug auf wassergefährdende Stoffe zu strengeren Regelungen als bisher kommen soll. Der Unterschied besteht nur darin, dass wir in all diesen Fragen nicht mit dem Kopf durch die Wand gehen, sondern differenzierte Lösungen gewählt haben.

Ich will Ihnen das am Beispiel des Kollisionsbereichs zwischen Landwirtschaft und Hochwasserschutz zeigen. Wenn wir nicht auf der ganzen Fläche eines hochwassergefährdeten Gebiets zu einem Umbruchverbot kommen wollen, dann ist das erstens aus quantitativen Gründen so gewählt.

(Minister Müller)

Beim zehnjährlichen Hochwasser ist die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, so hoch, dass wir hier wirklich zu einem Verbot kommen müssen. Bei einem hundertjährlichen ist das Risiko schon sehr viel geringer. Also können hier andere Interessen eher überwiegen.

Aber es gibt auch einen praktischen Grund. Bei einem hundertjährlichen Hochwasser, das weiter vom Fluss entfernt ist, ist die Fließgeschwindigkeit des Hochwassers sehr viel geringer. Also ist die Gefahr einer Erosion des Bodens geringer. Deshalb glauben wir – in der Abwägung der beiden Interessen –, dass wir nicht solch scharfe Regelungen brauchen, wie sie beispielsweise der Bund – zumindest das Bundesumweltministerium; das ist noch nicht mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium abgestimmt – vornehmen will.

Ähnlich ist es bei den Bauverboten. Wir haben in Zukunft ein sehr viel schärferes Bauverbot – auch was die Ausweisung von Baugebieten, also die Bauleitplanung, anbelangt –, als es in der Vergangenheit der Fall war. Aber ich kann nicht ausschließen, dass ich von einer Regel, die ich aufstelle, im Einzelfall auch einmal eine Ausnahme mache, in diesem Fall im Interesse der Gemeindeentwicklung.

Deswegen ist es interessant, dass unser Gesetz bei den Verbänden in der Tat ein hohes Maß an Zustimmung gefunden hat. Wir sind auf manchen Einwand der Verbände eingegangen und sind konsensorientiert vorgegangen – und zwar nicht auf der Basis des Nichtstuns; wir werden klare Akzentverschiebungen im Hochwasserschutz bekommen –, weil wir, wie gesagt, nicht mit dem Kopf durch die Wand gehen wollen.

Was die Wasserrahmenrichtlinie anbelangt, meine Damen und Herren: Wir müssen uns ja sozusagen die unterschiedlichen Beurteilungsmaßstäbe ansehen – chemisch, physikalisch, morphologisch, ökologisch, biologisch –, und wir müssen uns die unterschiedlichen Nutzungen anschauen, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Biologie, der Energiegewinnung – also Kleine Wasserkraft –, der Schifffahrt oder der Freizeitnutzung. Es ist schwierig, unter all dem ein Gleichgewicht herzustellen, und wir haben gerade im Interesse der Kleinen Wasserkraft, für die es ja auch hier in diesem Haus ganz prononcierte Fürsprecher gibt, einige klarstellende Formulierungen gewählt, die im Prinzip darauf hinauslaufen, dass man sagen kann: Durch dieses Gesetz und die Wasserrahmenrichtlinie wird sich der Spielraum für die Kleine Wasserkraft grundsätzlich nicht verändern.

Eine Veränderung hat es im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gegeben, was die Zustimmungspflichtigkeit bezüglich der Bewirtschaftungspläne und der Maßnahmenprogramme anbelangt. Immerhin wird hier der Landtag insgesamt einer Aufgabe zustimmen müssen, die eigentlich fast eine Aufgabe der Exekutive ist. Aber wir wollten uns dem nicht entziehen und haben damit sichergestellt, dass das Parlament insgesamt an diesen Umsetzungsmaßnahmen beteiligt wird.

Zur Frage der Kollegin Berroth bezüglich der wegfallenden Normen: Das ist eine berechtigte Fragestellung. Wie in der Wasserrahmenrichtlinie selbst schon richtig vorausgesehen wurde, wird es in der Tat in einem ganz bestimmten Rhythmus einen Abbau von Normen geben. Das ist in Artikel 22

der Wasserrahmenrichtlinie auf europäischer Ebene schon angelegt. Auch bei uns wird es einen Wegfall geben, und zwar von vier Normen, nämlich der Oberflächenwasserqualitätsverordnung – man glaubt gar nicht, was es alles gibt –, der Fischgewässerverordnung, der Grundwasserverordnung und der Grundwasserqualitätsverordnung. Das alles wird im Laufe der Zeit neben einigen Verwaltungsvorschriften in der Tat mit diesem Gesetz wegfallen, sodass wir eine transparentere und übersichtlichere Normgebung bekommen, was ja kein Fehler ist.

Letzte Frage: Was bleibt zu tun? Zunächst einmal geht es um die Bestandsaufnahme. Die Wasserrahmenrichtlinie beinhaltet ja einen Rhythmus, nach dem wir zunächst einmal feststellen müssen: Wie ist die Lage? Zweitens müssen wir definieren: Was wollen wir tun? Drittens gibt es einen Zeitraum, innerhalb dessen das, was man sich vorgenommen hat, umzusetzen ist.

Die Gewässerbeurteilung wollen wir bereits Ende 2004/Anfang 2005 abschließen, und zwar auf der Basis einer so genannten Gewässerbeurteilungsverordnung. Das klingt jetzt auch wieder schrecklich bürokratisch – ist es vielleicht auch irgendwo ein Stück –, aber dahinter steckt immer wieder dasselbe Problem, nämlich das Ziel, Normen zu bekommen, die im Interesse einer Wettbewerbsneutralität möglichst einheitlich angewandt werden. Deswegen gibt es für diese Gewässerbeurteilungsverordnung einen Vorschlag der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser, an dem wir uns orientieren werden. Mir wäre übrigens eine europaweite Abstimmung auf diesem Gebiet noch lieber gewesen als eine bundeseinheitliche.

Bis 2009 werden wir die Maßnahmenpläne erarbeitet haben, und ab 2009 werden wir sie auf den unterschiedlichen Gebieten Unterhalt und Ausbau der Gewässer, Abwasserbeseitigung, naturnahe Gewässerentwicklung und – da wird es am ehesten Handlungsbedarf geben – Grundwasserschutz im Verhältnis zur landwirtschaftlichen Bodennutzung umzusetzen haben.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: So ist es!)

Summa summarum kann man aber noch einmal unterstreichen: Eingedenk der guten Situation, in der sich unsere Gewässer befinden, eingedenk dessen, was wir schon getan haben, und eingedenk dessen, was wir uns ohnehin bis 2009 vorgenommen haben, werden aus dieser Norm keine wesentlichen zusätzlichen Anforderungen an uns gestellt werden.

Andere werden nachziehen müssen, und das ist auch im Interesse der baden-württembergischen und der deutschen Wirtschaft nicht der größte Fehler.

Nur in einem Punkt sehe ich wirklich zusätzlichen Handlungsbedarf – der hat aber jetzt mit der Wasserrahmenrichtlinie nichts zu tun –: Das ist der Hochwasserschutz. Wir haben im Hochwasserschutz Aufgaben zu erfüllen: zum einen mit mehr Geld, zum Zweiten mit lokalen Konzepten – das ist alles in Bearbeitung: Hochwassergefahrenkarten und entsprechende Hochwasserpartnerschaften – und zum Dritten, was die Planung von Retentionsräumen anbelangt. Das ist ja eine sehr unpopuläre Geschichte.

(Minister Müller)

Ich will einfach noch einmal unterstreichen, was auf dem Spiel steht – gerade weil diese Maßnahmen vor Ort oft unpopulär sind. Sie sind genau in jenen Regionen unpopulär, in denen der Nutzen des Hochwasserschutzes nicht erkennbar wird, sondern nur die Lasten zu tragen sind. Aber man muss wissen, was auf dem Spiel steht.

Eine ganz einfache Betrachtung: Hätten wir eine ähnliche Niederschlagssituation im Einzugsgebiet von Baden-Württemberg – beispielsweise in den Alpen – gehabt wie seinerzeit beim Elbehochwasser, wo es ja ebenfalls in anderen Regionen geregnet hat als dort, wo sich das Hochwasser dann eingestellt hat – es hat in Tschechien geregnet, und in Deutschland gab es Hochwasser –, dann hätten wir am Rhein Schäden im Umfang von 6 Milliarden €, am Neckar zwischen 3 und 6 Milliarden € und an der Donau von 0,2 Milliarden € gehabt. Das, meine Damen und Herren, steht auf dem Spiel.

Deswegen hat sich der Landtag so klar zu den Hochwasserkonzepten, vor allem auch zum Integrierten Rheinprogramm bekannt – was auch dringend notwendig ist; das brauchen wir als politische Rückendeckung –, und deswegen müssen wir bei der weiteren Ausweitung von Retentionsräumen entschlossen und mutig handeln.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen, meine Damen und Herren: Ich meine, dass die Qualität der Anträge der Grünen – ich weiß nicht, inwieweit sich die SPD dem anschließen will – inhaltlich nicht so weit von unserer Philosophie und unserer Strategie abweicht,

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Dann kann man doch auch zustimmen!)

dass es nicht möglich sein sollte – das zum Schluss –, dass wir vielleicht, was mich freuen würde, tatsächlich zu einer einstimmigen Verabschiedung – notfalls geht es auch ohne Einstimmigkeit – kommen könnten.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wenn Sie Argumente liefern!)

Das würde mich freuen. Ich glaube, dass wir mit diesem Gesetz sowohl der Gewässergüte als auch dem Hochwasserschutz eine weitere Bresche geschlagen haben und in ökologischer Hinsicht sowie für den Hochwasserschutz einen Fortschritt erreichen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g.