Protocol of the Session on December 17, 2003

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das stimmt nur zu 50 %!)

Welche Konzepte haben Sie jetzt eigentlich? Nichts, rein gar nichts. Sie hoffen auf zukünftige Stelleneinsparprogramme; denn die Programme der Vergangenheit haben ja bekanntlich netto nichts gebracht.

Sie halten es noch nicht einmal für zweckmäßig, den Barwert der Pensionszusagen zu berechnen. Wir haben es getan. Die zusätzlichen Schattenschulden belaufen sich auf das Zweifache der tatsächlich im Haushalt 2004 ausgewiesenen Schulden, nämlich auf 70 Milliarden €. Zu dem, was

wir von jedem Unternehmen in Deutschland verlangen, nämlich die Verpflichtungen aus Zusagen für die Altersvorsorge mit einem Gegenwartswert auszuweisen, fühlen Sie sich nicht in der Lage. Sie teilen uns das noch nicht einmal nachrichtlich mit. Ich finde, das ist ein trauriger Zustand und ein Zeichen von Hilflosigkeit.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Hier brauchen wir Wahrheit und Klarheit. Denn nur, wenn diese Wahrheit und Klarheit ausgewiesen ist, kann die Bevölkerung auch das Verständnis dafür aufbringen, dass wir um harte Einschnitte nicht herumkommen. Darum ist die Forderung nach Wahrheit und Klarheit nicht nur irgendeine beliebige Forderung, sondern eine ganz elementare Forderung.

Der Kollege Pfister hat wie alle anderen auch gesagt, die Pensionslasten seien der Risikofaktor Nummer 1 für den Haushalt. Das waren Ihre wohlfeilen Worte für die Zukunft. Was machen Sie aber? Wo sind Ihre Taten?

Sie haben das Weihnachtsgeld dynamisiert und ruhegehaltsfähig gemacht. Das heißt, durch diesen Beschluss steigen die Versorgungslasten des Landes nochmals an. Durch die Dynamisierung ist der Spareffekt in acht Jahren aufgebraucht, und die Pensionslasten werden dadurch noch einmal gesteigert.

(Zuruf von der CDU: Bisher schon! – Abg. Oet- tinger CDU: Aber ruhegehaltsfähig war es schon immer!)

Wieder einmal haben Sie nicht nachhaltig gewirtschaftet, wieder nur auf Kosten der zukünftigen Generation den Haushalt geflickt. Wir haben einen Vorschlag gemacht und im Finanzausschuss einen Antrag gestellt, durch den das Land keinen Cent mehr an Kosten gehabt hätte. Wir wollten einen sozialen Ausgleich für die Beamten, die wirklich sehr wenig verdienen, für den ganzen mittleren Dienst, indem wir keine monatlichen Auszahlungen gemacht hätten, sondern die Zahlung im Dezember belassen hätten. Allein das hätte den sozialen Ausgleich finanziert. Sie haben es abgelehnt, diesbezüglich sozial zu handeln. Dafür machen Sie den Rest ruhegehaltsfähig.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ruhegehaltsfähig war das immer!)

Bei dieser Haushaltslage halte ich Ihr Vorgehen für völlig verantwortungslos. Sie müssen einmal Ihre Worte daran messen, was Sie zurzeit an Taten zeigen. Nur das kann man wirklich kontrollieren und überprüfen, nicht aber Ihre Versprechungen für die Zukunft. Die Lasten, die wir haben, basieren schließlich auf Ihren Versprechungen der Vergangenheit.

(Beifall bei den Grünen)

Das sind die wirklichen Gründe, warum wir aus der Schuldenfalle nicht herauskommen. Nicht die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind die Gründe. Die haben damit überhaupt nichts zu tun.

... es ist ein Trugschluss, zu meinen, dass Wirtschaftswachstum unsere Haushaltsprobleme lösen würde.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Pfister FDP/DVP: Das haben wir ausdrücklich ein- geräumt!)

Die kann es vorübergehend mal lösen, auf lange Sicht wird Wirtschaftswachstum allein aber unsere Haushaltsprobleme nicht lösen, soweit sie auf Personalausgaben beruhen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ja!)

... Manche meinen, wenn die Konjunktur besser brummt, sei alles in Ordnung.

... Ich behaupte, dass mit wachsender Wirtschaft auch die Personalausgaben entsprechend steigen.... Deswegen – ganz eindeutig –: Wir tun alles, was wir können, damit wir ein möglichst hohes Wirtschaftswachstum haben.... Es wäre falsch und naiv, zu meinen, durch eine besser wachsende Wirtschaft wären unsere Haushaltsprobleme gelöst. Das sind sie nicht und vor allem nicht, soweit sie durch Personalkosten verursacht werden.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das hat niemand bestrit- ten, was Sie jetzt sagen!)

Das stammt auch gar nicht von mir. Das waren die Worte des Finanzministers vom 7. Mai 2003 in der 43. Plenarsitzung.

In Ihrer Haushaltsrede zu diesem Haushalt merke ich leider nichts von dieser Erkenntnis. Sie fallen in den alten Glauben an das Wachstum zurück. Dazu kommt noch, dass wir bei anlaufender Konjunktur leider damit rechnen müssen, dass die Zinsen anziehen. Wir wissen, dass eine Zinssteigerung um einen Prozentpunkt bedeutet, dass 360 Millionen € mehr zur Tilgung der Schulden, die wegen der Zinsen entstehen, aufgebracht werden müssen. Darauf zu hoffen, dass die Zinsen nicht steigen, was alle Redner der Koalitionsfraktionen heute gemacht haben, ist ein Irrtum und dient nur der Verschleierung, weil Sie nicht in der Lage sind, die Probleme wirklich anzupacken.

(Beifall bei den Grünen)

Herr Finanzminister, eine Voraussage einer Nettonullverschuldung für 2008 basiert nur auf der Hoffnung auf Wachstum. Damit wollen Sie wieder den falschen Eindruck erwecken, man käme zu einer Nettonullverschuldung, wenn nur die Wirtschaft anlaufe. Wir halten es für falsch, diesen Eindruck wieder zu erwecken. Sie können die Prognose einer Nettonullverschuldung bis 2008 durch überhaupt nichts belegen. Sie haben keinerlei Vorschläge gemacht, wie Sie zu diesem Ziel kommen wollen. Ich finde, das ist überhaupt keine seriöse Lösung der Aufgabe. In Wirklichkeit kommen wir um eine seriöse Aufgabenkritik nicht herum. Nur das kann uns diesem Ziel näher bringen.

Die Sonderzuwendungen habe ich ebenso wie das Beispiel der Schattenschulden aus den Versorgungsausgaben schon erwähnt.

Aber nicht genug: Die Landesregierung verschiebt die Finanzierung anderer Ausgaben ja immer noch in diverse Schattenhaushalte. Die Gesamtsumme der in die Finanzie

rungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben, in die L-Bank und in die Landesentwicklungsgesellschaft ausgelagerten Verpflichtungen des Landes beträgt 650 Millionen €. Auch hier brauchen wir mehr Wahrheit und Klarheit von der Landesregierung im Haushaltsplan.

Deswegen – das sage ich jetzt nur nebenbei – halten wir freilich gewiss nichts vom Vorschlag, die Rothaus-Brauerei an die L-Bank zu verkaufen. Das führt nur weiter zu solchen Konstruktionen und ist außerordentlich schädlich. Warum? Wenn wir die L-Bank durch solche Programme wie die Straßenbausonderprogramme der Regierung oder jetzt den von der SPD vorgeschlagenen Verkauf der RothausBrauerei dazu zwingen, Dinge zu finanzieren, die gar nicht ihre ureigene Aufgabe sind,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

dann fehlen der L-Bank schließlich die für die wichtige Wirtschaftsförderung der kleinen und mittleren Betriebe erforderlichen Mittel. Dafür haben wir in erster Linie die LBank; das ist ihre Aufgabe; dazu braucht sie ihre Mittel in wirtschaftlich so schwierigen Zeiten und nicht, um Schattenhaushalte oder irgendwelche Scheinprivatisierungen zu finanzieren.

(Beifall bei den Grünen und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU)

Sie haben sich wortreich darüber beklagt, dass die Pensionslasten der Vergangenheit den Landeshaushalt strangulieren. Aber allein im Straßenbau werden in dieser Legislaturperiode über 500 Millionen € durch Schattenschulden finanziert. Zins und Tilgung werden die Haushalte ab dem Jahr 2007 belasten.

Den ehrlichen Weg, zu sagen, den Landesstraßenneubau müssten wir aufgrund der mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten unterlassen, wollen Sie nicht beschreiten. Stattdessen wollen Sie in solche windigen Finanzierungsmodelle gehen. Das zeigt, dass Sie eben nicht bereit sind, dafür zu sorgen, dass wir irgendwann in der Zukunft einmal zu einer Nettonullneuverschuldung kommen.

(Beifall bei den Grünen)

Aufgabenkritik: Wo haben Sie Ihre Aufgabenkritik praktiziert? Der Ministerpräsident hat ja hier im Plenum unter Berufung auf seine langjährige Verwaltungserfahrung die von uns geforderte Aufgabenkritik im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform abgelehnt, und zwar mit der Begründung, es würde nicht funktionieren, erst eine Aufgabenkritik zu machen, bevor man mit einer Verwaltungsreform beginnt. Er hat gesagt, man müsse einfach eine Einsparquote vorgeben und dann würde das schon von allein kommen.

Wie sich jetzt mehr und mehr zeigt, hatten wir aber Recht. Es ist ganz offenkundig und wird in den Kommunen auch in den Reihen der Parteien, die im Land die Regierungskoalition bilden, kritisiert, dass die Effizienzrendite von 20 % in Wirklichkeit ohne Aufgabenkritik überhaupt nicht zu erbringen ist, dass sie in vielen Bereichen völlig illusorisch ist und dass es darauf hinauslaufen wird, dass die Kommunen die Zeche über eine erhöhte Kreisumlage zahlen müssen.

Also kommt man um eine Aufgabenkritik nicht herum. Wo ist Ihre Aufgabenkritik, was den Landeshaushalt betrifft? Wo haben Sie sie praktiziert? Wo kürzen Sie Subventionen?

Beispiel Söllingen: Für die nächsten 13 Jahre gewährt das Land jeweils rund 6 Millionen € – das sind in der Summe 76 Millionen € – als Zuschuss für den Flughafen. Wer bei einer der Billigfluglinien ein Ticket für 19 € ergattert, bekommt aus dem Landeshaushalt 30 € in die Tasche gesteckt. Ist es jetzt eine Kernaufgabe des Staates und des Landes Baden-Württemberg, Billigflieger zu finanzieren? Ist das Ihr Beitrag zur Klimaschutzpolitik?

(Lachen der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Denn sonst haben Sie ja auf diesem Gebiet nichts zu bieten.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)

Das macht es nicht besser, Herr Kollege. Es gibt keine Gleichheit im Unrecht; das sollten Sie sich einmal merken.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist wohl wahr!)

Der Zuschuss an den Flughafen Söllingen hat im Landeshaushalt nichts verloren, schon gar nicht unter solchen Haushaltsbedingungen.

Man kann auch andere Beispiele hervorholen: Was ist mit der neuen Messe? Gehört es zu den Kernaufgaben des Landes Baden-Württemberg, Messen zu bauen und zu finanzieren?

(Abg. Pfister FDP/DVP: Eindeutig ja! – Abg. Bri- gitte Lösch GRÜNE: Nein!)

Wir sagen: eindeutig nein.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Zuruf von der CDU: Wir sagen: ja!)

Das muss die Wirtschaft selbst machen, wenn sie Messen für nötig hält. Wir haben dazu weder die Kompetenz noch das Geld. Wir finanzieren dagegen über Schulden der Wirtschaft eine Messe. Dieses Problem haben Sie heute alle aufgeworfen.

Wo sind jetzt die Einsparmaßnahmen, die an die Strukturen gehen? Warum verzichten Sie auf solche Projekte nicht? Wo bleibt da Ihre liberale Ordnungspolitik, Herr Pfister? Allein im Haushalt 2004 wird uns die Schuldendiensthilfe für die Projektgesellschaft Neue Messe 25 Millionen € kosten. Auch diese Subvention hat im Landeshaushalt nichts zu suchen.